25.04.2024

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09.12.00 Es grünt so grün …

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 09. Dezember 2000


Es grünt so grün …
Von Hans-Jürgen Mahlitz

Endlich, so jubelten Fundis und Realos in seltener Eintracht, kommt ein grünes Reformprojekt unverfälscht zum Zuge: die Entfernungspauschale, die den Feind aller Dinge, nämlich den autofahrenden Menschen, seiner Privilegien beraubt und dem radelnden oder joggenden Gutmenschen den längst verdienten Lohn in Form geringerer Lohnsteuer beschert.

Der Jubel hielt nicht lange vor. Da die Grünen entgegen dem Eindruck, den man aus ihrer maßlos überzogenen Medienpräsenz gewinnen könnte, in diesem Lande nicht über die absolute Mehrheit verfügen, waren sie wieder einmal schnell vom hohen Roß der reinen Lehre heruntergeholt – die Entfernungspauschale in ihrer ursprünglichen, unverfälschten Form war schnell vom Tisch. Dabei war das Projekt, zumindest in der Theorie, gar nicht einmal so schlecht. Denn warum ausgerechnet der Verbrauch von Rohstoffen, die Belastung der Umwelt durch Abgase und Lärm sowie die Vergeudung von Zeit durch immer längere Staus vom Staat auch noch massiv finanziell gefördert werden soll, das ist in Zeiten eines geschärften Umweltbewußtseins in der Tat nicht mehr zu vermitteln.

Im Prinzip sind sich also fast alle politischen Kräfte längst einig: Hier muß radikal umgedacht werden: Nicht umweltfeindliches, sondern umweltfreundliches Verhalten muß gefördert werden. Dieser richtige Gedanke ist übrigens keine Erfindung der Grünen, wie sie uns heute so gern weismachen wollen: Als die spätachtundsechziger Öko-Freaks sich noch im frühpubertären Stadium der ideologischen Selbstfindung befanden, wurde im "schwarzen" Bayern bereits das erste Umweltministerium Deutschlands eingerichtet.

Allerdings kann man der grünen Öko-Bewegung nicht das Verdienst absprechen, daß sie die Verbreitung des Umweltschutzgedankens entscheidend vorangetrieben hat. Sie hat das Thema, das vorzugsweise in Amtsstuben und Expertenzirkeln vor sich hindämmerte, in die Massenmedien gebracht – jenen politischen Kräften, die zu Recht die Bewahrung der natürlichen Umwelt als ein ureigenes wertkonservatives Thema reklamieren, ist es hingegen nie gelungen, damit in breiterer Front in die öffentliche Meinungsbildung einzudringen. So muß sich die politische Rechte Deutschlands heute die kritische Frage gefallen lassen, warum sie sich auch auf diesem Felde so leichtfertig und widerstandslos "die Butter vom Brot" hat nehmen lassen.

Das Hin und Her um die Entfernungspauschale ist jedenfalls ein typisches Beispiel dafür, wie in Deutschland heute Politik gemacht wird. Trotz immer neuer Kompromisse zwischen Roten und Grünen, zwischen Bund und SPD-Ländern, vielleicht auch noch zwischen Regierungskoalition und Opposition – niemand weiß, ob überhaupt und, wenn ja, in welcher verwässerten Form sie kommt. Nur eines ist gewiß: So, wie sie aus rein ökologischer Sicht gestaltet sein müßte, wird sie nicht kommen. Das hat eine ganze Reihe von Gründen. Zum Beispiel: Das Projekt kam zum falschen Zeitpunkt und aus dem falschen Anlaß auf den Koalitionstisch. Es war doch nicht so, daß Rot-Grün, sozusagen aus (nicht mehr) heiterem Himmel den hehren Entschluß gefaßt hätte: Ab morgen wird ernst gemacht mit dem Schutz unserer natürlichen Umwelt! In Wirklichkeit waren die Bürger wegen Ökosteuer, Euro-Verfall und daraus resultierender Kraftstoff-Verteuerung stocksauer auf die Berliner Regierung. Darauf mußte reagiert werden; schließlich steht im nächsten Jahr eine Serie von Landtagswahlen an.

Was nun folgte, war ein Paradebeispiel einer aus Ideologie, Opportunismus und öffentlicher Selbstdarstellungssucht zusammengemixten Polit-Logik: Um einen Ausgleich für die steigenden Spritpreise zu schaffen, entlastet man vorzugsweise diejenigen, die als Radfahrer, Fußgänger oder Benutzer des öffentlichen Nahverkehrs gar nicht durch höhere Spritpreise belastet werden! Das verstehe, wer will – unter "gesundem Menschenverstand" habe ich jedenfalls bislang etwas anderes verstanden.

Was folgt, ist das leider schon gewohnte Trauerspiel: Schröders SPD betreibt das Projekt nur noch mit Blick auf Wahltermine und Meinungsumfragen, die Grünen führen Schaukämpfe auf, um die eigene Basis bei Laune zu halten, und schlucken dann doch alle Kröten, die Opposition ist wildentschlossen sowohl dafür als auch dagegen, und die Gage für alle am jüngsten Berliner Polit-Drama beteiligten Akteure zahlt am Ende wieder einmal der Bürger. Vom Schutz der Umwelt spricht derweilen ohnehin keiner mehr.