25.04.2024

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16.12.00 Das historische Kalenderblatt: 16. Dezember 1944

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. Dezember 2000


Das historische Kalenderblatt: 16. Dezember 1944
Den Gegner überrascht und geschlagen
Der Beginn der deutschen Ardennen-Offensive
von PHILIPP HÖTENSLEBEN

Nach vier Jahren Krieg scheint die Offensivkraft der Deutschen Wehrmacht Ende 1944 erlahmt zu sein. Der Feind steht bereits an den Grenzen des Reiches, als sich mit der Ardennen-Offensive das Blatt im Westen  vorübergehend zu wenden scheint.

Ende 1944 ist die Westfront zur Ruhe gekommen. Seit ihrer Landung an der Küste der Normandie haben die Alliierten die Deutsche Wehrmacht in einem unaufhaltsamen Vormarsch vor sich hergetrieben. Gestützt auf das unerschöpfliche Wirtschaftspotential der USA, das Nachschubprobleme nicht aufkommen läßt, zerschlagen sie die deutschen Armeen. Wie ein Menetekel wirkt die Luftherrschaft der Alliierten. Ihre Flugzeuge sind allgegenwärtig. Sie zwingen die deutsche Infanterie in Deckung, zerschlagen die Panzerregimenter bereits in ihren Verfügungsräumen und beherrschen sämtliche Nachschubwege. Die stark dezimierte Luftwaffe ist dieser Übermacht nicht gewachsen. Seit Oktober steht der Feind vereinzelt auf Reichsgebiet. Der deutsche Landser hat der feindlichen Überlegenheit an Waffen, Gerät und Soldaten nur seine Tapferkeit und sein überragendes militärisches Können entgegenzusetzen, für das ihm auch heute noch alle unvoreingenommenen Fachleute Anerkennung zollen. So befindet sich das deutsche Westheer seit einem halben Jahr dauernd auf dem Rückzug. Als es die feindlichen Armeen an den Grenzen des Reiches endlich zum Stehen bringen kann, ist es personell und materiell vollkommen erschöpft.

In den tief verschneiten Ardennen liegen sich Amerikaner und Deutsche gegenüber. Beide Seiten sind von den zurückliegenden Monaten des harten Kampfes gezeichnet und benötigen eine Ruhephase. Die Kampftätigkeit beschränkt sich daher im wesentlichen auf eine rege Spähtrupptätigkeit.

Das amerikanische Oberkommando plant keine neue Offensive, solange das winterliche Wetter anhält. In den schwachen deutschen Kräften, die in den Ardennen eine dünne Verteidigungslinie errichtet haben, sieht es keine Gefahr. So leisten sich die Amerikaner Lücken in ihrer eigenen Linie und offene Flanken – Fehler, die sich noch als verhängnisvoll erweisen sollen. Ebenso verhängnisvoll wird die unzureichende Ausstattung der GIs mit Winterkleidung und Winterkampfausrüstung sein. Ihre Befehlshaber glauben nicht an ein Wiederaufleben der Kampfhandlungen in den Wintermonaten. So haben sich die amerikanischen Soldaten in den Ardennendörfern eingerichtet. In Sichtweite der feindlichen Vorposten führen beide Seiten ein geradezu friedensmäßiges Leben. Doch diese Ruhe soll nicht von langer Dauer sein.

Ohne Beteiligung des Generalfeldmarschalls Gerd von Rundstedt, des Oberbefehlshabers West, läßt Hitler einen Plan ausarbeiten, um aus dem Maasbogen heraus nach dem alliierten Nachschubhafen Antwerpen vorzustoßen und Brüssel zurückzuerobern. Operatives Ziel dieser von Hitler als "große Lösung" gewünschten Offensive ist es, im entschlossenen Angriff einen Keil zwischen die britischen und die amerikanischen Truppen zu treiben, dadurch die Front der Alliierten aufzuspalten und die gegnerischen Kräfte einzukreisen. Damit soll im Westen endlich die Initiative zurückgewonnen und den alliierten Invasionstruppen ein entscheidender Schlag zugefügt werden. Auch psychologisch kommt der bevorstehenden Offensive große Bedeutung zu, haben die bitteren Niederlagen der zurückliegenden Monate der Moral der kämpfenden Truppe doch bereits Schaden zugefügt.

Den schnellen Vorstoß sollen vor allem zwei Panzerarmeen durchführen, für die allerdings nur geringe Treibstoffreserven zur Verfügung stehen. Die nachrückende Infanterie stellen neu aufgestellte Volksgrenadierdivisionen mit nur mittelmäßiger Kampfkraft. Von allen Fronten werden Reserven zusammengezogen. Alles hängt jedoch vom Wetter ab. Die dichte Wolkendecke darf nicht aufreißen. Die alliierten Flugzeuge müssen wenigstens so lange am Boden bleiben, bis der entscheidende Durchbruch erzwungen ist. Wenigstens vorübergehend dürfen die Alliierten ihre unangefochtene Luftherrschaft nicht ausüben können. Hitlers Generale sind dementsprechend skeptisch. Sie schlagen eine "kleine Lösung" zur Erzielung räumlich begrenzter Erfolge vor, um der Wehrmacht Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Dies lehnt Hitler energisch ab. Dreimal schon sind die Deutschen durch die unwegsamen Ardennen gekommen – 1870, 1914 und zuletzt 1940. Und jedesmal haben sie den Gegner überrascht und geschlagen.

So greifen unter dem Schutz von Nebel und Schnee in den Morgenstunden des 16. Dezember 1944 mehr als 20 deutsche Divisionen die vollkommen überraschten Amerikaner an. Sie kommen auf Wegen, die man mit schwerem Gerät für unpassierbar gehalten hat. Im Norden stößt der Angriff nach zehn Kilometern bei Malmedy auf energischen Widerstand, doch im Süden können die deutschen Panzer 30 Kilometer weit bis Dinant vorstoßen. Der alte deutsche Offensivgeist ist wieder erwacht. Die vollkommen überraschten amerikanischen Truppen dagegen verharren im Schock. Ganze Regimenter strecken die Waffen und marschieren geschlossen in Gefangenschaft. Noch nie in ihrer Geschichte haben sich amerikanische Streitkräfte in dieser Anzahl dem Feind ergeben. Zudem hat der amerikanische Soldat gegen die erbitterte Kälte zu kämpfen. Jetzt machen sich die Versäumnisse seiner Führung bemerkbar. Die Verluste durch Erfrierungen sind erheblich.

Doch am 23. Dezember – die deutschen Spitzen stehen noch weit vor ihren operativen Zielen – wendet sich das Kriegsglück. Das Wetter bessert sich. Die amerikanischen Flugzeuge beherrschen wieder den Himmel und halten mit über 3000 Flugzeugen blutige Ernte unter den deutschen Truppen. Der deutschen Luftwaffe dagegen stehen nicht einmal 2000 Maschinen zur Verfügung – zu wenig, um die eigene Offensive aus der Luft zu sichern, zumal die meisten Piloten unerfahrene Neulinge sind. Ihr Blutzoll ist fürchterlich. Nur eine Woche nach Beginn der Ardennen-Offensive sind bereits mehr als 1000 deutsche Maschinen vernichtet.

Jetzt wirft das amerikanische Oberkommando seine Reserven in die Schlacht und führt Nachschub zu. Schnell gelingt es dem Panzergeneral George S. Patton, mit seiner Armee aus dem Raum Metz heraus im rechten Winkel nach Norden anzugreifen und die deutsche Front zu durchbrechen. Die deutsche Ardennen-Offensive ist zusammengebrochen – ein operativer und strategischer Fehlschlag. Die Wehrmacht zieht sich schließlich im Januar 1945 nach zähem Kampf und mehreren erfolglosen Gegenangriffen unter schweren Verlusten auf ihre Ausgangsstellungen zurück.

Das deutsche Westheer kann sich von diesem personellen und materiellen Aderlaß nicht mehr erholen. Die Luftwaffe erhält schließlich den Todesstoß, als sie am Neujahrstag 1945 mit nahezu allen verfügbaren Kräften einen letzten verzweifelten Großangriff gegen die alliierten Flugplätze fliegt. Die deutsche Offensivkraft im Westen ist endgültig gebrochen. Das Tor zur Mitte des Reiches ist aufgestoßen.