19.04.2024

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30.12.00 Das historische Kalenderblatt: 1. Januar 1870

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 30. Dezember 2000


Das historische Kalenderblatt: 1. Januar 1870
Gründung des Auswärtigen Amtes
Das preußische Außenministerium wurde auf den Norddeutschen Bund übernommen

Das gegenwärtig von Joschka Fischer geleitete Auswärtige Amt (AA) ist bedeutend älter als die Bundesrepublik Deutschland und sogar noch etwas älter als das Deutsche Reich.

Der Sieg Preußens über Österreich im Bruderkrieg von 1866 führte zu einem Wechsel in der Vorherrschaft in Deutschland. Der eher österreichisch dominierte Deutsche Bund wurde aufgelöst, und die Donaumonarchie erkannte Norddeutschland als Interessensphäre und Einflußgebiet Preußens an. Es folgte die Gründung des Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung.

Gemäß der am 1. Juli 1867 in Kraft getretenen Bundesverfassung übernahm der König von Preußen als "das Bundespräsidium" die völkerrechtliche Vertretung des Bundes gegenüber dem Ausland. Hierzu standen ihm die Konsulate der Mitgliedsstaaten des Bundes zur Verfügung. Ein Außenministerium des föderalen Norddeutschen Bundes gab es jedoch nicht, und so bediente sich der preußische König zur Ausübung der Außenpolitik des Bundes seines königlichen Außenministeriums, dem dadurch auch die Konsulate unterstanden.

Verständlicherweise waren insbesondere die freien und unabhängigen  Kaufmannsstädte Hamburg und Bremen mit ihren großen und dichten Konsulatsnetzen nicht willens, diese widerstandslos dem preußischen Außenministerium zu unterstellen. Die Konsulate der Bundesstaaten wurden deshalb mit dem Gesetz betreffend die Organisation der Bundeskonsulate vom 8. November 1867 der einzigen Behörde des Norddeutschen Bundes, dem Bundeskanzleramt, unterstellt. Diese Teilung der außenpolitischen Kompetenzen des Bundes auf Kosten des Außenministerium Preußens und zugunsten des Bundeskanzleramts war organisationstechnisch ineffektiv, aber ein Fortschritt auf dem Wege zum kleindeutschen Nationalstaat.

Weitere Fortschritte bewirkte unfreiwillig Napoleon III., der Kaiser der Franzosen. Wie viele seiner Vorgänger und Nachfolger an der Spitze Frankreichs liebte auch er Deutschland so sehr, daß er froh war, daß es mehrere davon gab, und auch er versuchte durch eine Deutschlandpolitik nach dem Motto "divide et impera", "Teile und herrsche!", das seinige dazu beizutragen, daß es so blieb. Deshalb ignorierte er die Gründung und Verfassung des Norddeutschen Bundes und lud Anfang November zu einer von ihm geplanten internationalen Konferenz bezüglich der römischen Frage die in seiner Hauptstadt vertretenen deutschen Bundesstaaten einzeln ein.

In Berlin merkte man die Absicht und war verstimmt. Vom preußischen Botschafter um eine Erklärung gebeten, rechtfertigte der kaiserliche Außenminister das französische Verhalten damit, daß die Konstituierung des Norddeutschen Bundes den fremden Mächten noch nicht notifiziert worden sei. Diese Rechtfertigung hatte Konsequenzen.

Am 18. Dezember 1867 vollzog König Wilhelm I. eine Order, durch die alle preußischen Vertreter – außer denjenigen bei den süddeutschen Staaten und beim Heiligen Stuhl – zusätzlich als Vertreter des Norddeutschen Bundes beglaubigt wurden. Vielen Parlamentariern ging dieser Schritt nicht weit genug. Sie plädierten im preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag des Norddeutschen Bundes für die Übernahme des preußischen Außenministeriums auf den Bund.

Der Bundeskanzler sowie preußische Ministerpräsident und Außenminister Otto v. Bismarck machte sich diesen insbesondere nationalliberalen Wunsch schließlich zu eigen. Nachdem er sich bereits im Vormonat der Zustimmung des zweitmächtigsten Bundesstaates Sachsen versichert hatte, beantragte er in der Bundesratssitzung vom 22. Februar 1869 in Übereinstimmung mit dem Reichstag, "daß der Bundesrat die Aufnahme des vorliegenden Etats für das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in den Bundeshaushalts-Etat für 1870 beschließen wolle". Aufgrund der Annahme dieses Antrages ging am 1. Januar 1870 das bisherige preußische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten mit allen seinen Einrichtungen und seinem gesamten Personal auf den Norddeutschen Bund über.

Nicht "nur des kürzeren Ausdrucks wegen, sondern wesentlich, weil diese Behörde in der Tat nicht den Wirkungskreis eines verfassungsmäßigen Ministers darstellt", schlug Bismarck Wilhelm I. vor, "das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten des Norddeutschen Bundes amtlich als ,Auswärtiges Amt des Norddeutschen Bundes‘ zu bezeichnen". Wilhelm entsprach Bismarcks Wunsche am 4. Januar 1870 mit einer entsprechenden Kabinettsorder. Gut ein Jahr später, am 13. Januar 1871, die Verfassung des Deutschen Reiches war seit wenigen Tagen in Kraft, verlor das Auswärtige Amt durch ein Zirkular des Bundeskanzleramtes offiziell den Zusatz "des Norddeutschen Bundes".

Das Auswärtige Amt wird inzwischen wie die anderen Ressorts der Bundesregierung von einem Bundesminister geleitet, aber seine eigenwillige, wohl auf eine Übertragung des britischen Terminus "Foreign Office" ins Deutsche zurückgehende Bezeichnung trägt das AA noch heute. Manuel Ruoff