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13.01.01 Kampf um tschechisches Fernsehen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Januar 2001


Britischer Paß und BBC-Erfahrung
Kampf um tschechisches Fernsehen
– Parteien werden nunmehr zu Nutznießern des Kampfes um Meinungsvielfalt
(Jaroslav Opocenski)

Seit Anfang Dezember tobt in Prag ein erbitterter Kampf um das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Dieser Kampf, dessen Wellen bis in die ausländische Nachrichtenszenerie schlagen, kann für Nichteingeweihte sehr leicht als ein Kampf zwischen Gut und Böse erscheinen. Aber wie so oft im Leben, gibt es auch in diesem Fall kein leicht voneinander abtrennbares Gut und Böse.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen (zwei Programme) wird durch einen vom Parlament eingesetzten Fernsehrat kontrolliert. Der Fernsehrat (neun parteipolitisch proportional eingesetzte Mitglieder) bestellt den Generalintendanten und kann ihn auch abberufen. Im Dezember 2000 wurde der nur wenige Monate amtierende Intendant Chmellk abberufen und an seine Stelle der gebürtige Tscheche mit britischem Paß und BBC-Erfahrung Georg Hoda eingesetzt. Alles geschah zwar sehr schnell, aber im Einklang mit dem Gesetz. Fast in gleicher Minute erhob sich der Widerstand der Nachrichtenredaktion, die die Wahl nicht anerkannte. Die Redakteure verschanzten sich im Nachrichtenraum und erklärten zunächst einen "Aufstand", wohlgemerkt keinen Streik. So wurden der neue Intendant und das von ihm eingesetzte Managemet der Möglichkeit beraubt, überhaupt einen Einfluß auf die Nachrichtensendungen zu haben. Der Streit eskallierte immer mehr. Zunächst hat Hoda die "aufständischen" Nachrichten im Sender gestoppt mit dem Ergebnis, daß nichts gesendet wurde, am 27.12. ließ er das ganze Fernsehen für 24 Stunden abschalten. Gesendet wurde nur ein schwarzer Bildschirm mit weißem Text, der die exekutiven Organe der Tschechischen Republik aufforderte, daß Recht wieder herzustellen. Am 28.12. wurde Hoda vom Fernsehen ausdrücklich unterstützt. Daraufhin schaltete er das Fernsehen wieder ein, das nun sehr unvollkommene Nachrichten eines schnell gebildeten Ersatzteams sendete. Der ganze Streit ging ins Politische über und sorgte für heftige Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Parteien. Politiker der Vierer-Koalition (eine oppositionelle Havel-nahe Vereinigung) drangen sogar ins Fernsehgebäude ein und übernachteten im besetztem Nachrichtenraum. Demonstrationen auf dem Wenzelsplatz und vor dem Fernsehgebäude wurden organisiert. Der Staatspräsident Havel stellte sich sehr schnell auf die Seite der "Aufständischen", die sich inzwischen in "Streikende" umbenannt haben, und übermittelte ihnen seine Glückwünsche während der traditionellen Neujahrsansprache. Hehre Worte über die Freiheit und das Recht auf unabhängige Information tönten und tönen überall. Viel interessanter als das politische Straßentheater sind die Hintergründe. Das tschechische öffentlich-rechtliche Fernsehen ist ein überdimensioniertes Erbe des kommunistischen Systems. Im aufgeblähten Haushalt gibt es viele schwarze Kanäle, in denen das Geld verschwindet. Die Hauptprofiteure sind die Produktionsfirmen, die dem Fernsehen zuarbeiten. Das Jahr 2000 beendete das Fernsehen mit einem Haushaltsdefizit von ca. 500 Millionen Kronen (30 Mio. DM). Der erwartete hohe Verlust war auch der ausschlaggebende Grund, warum der erst im Frühling eingesetzte Intendant Chmell abberufen wurde. Einen ausgesprochenen politischen Druck hat es nicht gegeben.

Der eingesetzte neue Mann Hodall sollte Ordnung schaffen. Nicht zufällig erhob sich der erste Widerstand noch vor dessen Einsetzung gerade seitens der Produktionsfirmen, die hinter der Petition "Fernsehen – ein öffentliches Anliegen" standen. Die äußerst zerstrittene politische Elite des Landes hat sich dieser Auseinandersetzungen, über die am besten ein Gericht entschieden hätte (immerhin hat die Tschechei auch ein Arbeits- und Strafrecht), sofort bemächtigt.

Präsident Havel witterte eine Chance, sein stark geschwundenes Ansehen neu aufzupolieren. Für seine zu erwartende dritte Kandidatur in zwei Jahren braucht er eine Verfassungsänderung. Politisch werden ihn ganz bestimmt die Parteien der Vierer-Koalition unterstützen. Er kann sich in diesem Streit wieder als ein Volkstribun präsentieren, dem es nur um die "Wahrheit und Freiheit" geht. Und er kann seinen alten Rivalen Klaus, den man beschuldigt, er wollte sich durch den Strohmann Hoda des Fernsehens bemächtigen, bekämpfen. Allerdings dürfte diese Kalkulation nicht aufgehen. Obwohl Tausende auf der Straße für die vermeintliche Freiheit des Wortes demonstrieren und die Stunden von Hoda gezählt sind, wird sich am Ende niemand freuen. Zu viele Tabus wurden gebrochen. Mit Politikern, die zum Gesetzesbruch aufrufen oder ihn unterstützen, ist kein Staat zu machen.

Der sozialdemokratische Ministerpräsident Zeman wurde sich dieser Tatsache bewußt und forderte in seiner scharfen Parlamentsansprache am 5. Januar Havel unmißverständlich auf, die tschechische Politik zu verlassen. Freuen werden sich am Ende nur die zwei privaten TV-Sender. Die Zuverlässigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist ruiniert und die Fernsehwerbung wird sich künftig nur auf die privaten Sender konzentrieren.