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20.01.01 Österreich rätselt: Wer ist ein Lump?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Januar 2001


Österreich rätselt:
Wer ist ein Lump?
von R. G. Kerschhofer  

Jedermann weiß, daß Bedeutung und Verwendung eines Wortes je nach Region verschieden sein können, und mancher macht sich auch Gedanken über die Mechanismen, die zu einer solchen Differenzierung führen. Besonders interessant ist hierbei das atavistische Phänomen der Tabuisierung, welches heute als "political correctness" ein neuzeitliches Mäntelchen trägt: Bestimmte Dinge dürfen einfach nicht mehr beim Namen genannt werden!

Ein dankbares Studienobjekt ist derzeit in Österreich das Wort "Lump": Da seine Verwendung automatisch mit einer bestimmten Aussage in Verbindung gebracht wird, löst es wilde Reaktionen aus, und eben deswegen bedienen sich Politiker und Medien aller nur erdenklichen Vermeidungsstrategien. (Vgl. auch das nebenstehende Gedicht "Die Phrasisäer", welches ein sonst durchaus aufrechtes und heimattreues Blatt nicht abzudrucken wagte.)

Wie es dazu kam? Am Parteitag der Wiener FPÖ im Mai 2000 sagte der Landesvorsitzende Kabas im Zusammenhang mit Regierungsbildung und EU-Sanktionen: "Er hat sich wie ein Lump benommen, und es ist eine Schande, daß wir so einen Präsidenten haben." Nun ist gewiß ein Unterschied zwischen "er hat gearbeitet wie ein Verrückter" und "er ist ein Verrückter", und es müßte wohl auch zulässig sein, sich für einen Dritten zu schämen, – viele Politiker schämen sich ja laufend für eine Generation, die sich nicht mehr wehren kann. Doch die Staatsanwaltschaft diagnostizierte den Tatbestand der "Majestätsbeleidigung" (heißt heute ein wenig anders) und schritt zur Tat! Der Haken dabei: Der Beleidigte muß seine Zustimmung zur Anklageerhebung geben – und das tat er nicht. Wird seine Gründe gehabt haben.

Tatsächlich gab es zum Verhalten des Bundespräsidenten Klestil (und des mithilfe von Parteifreund Schröder bei Volkswagen in Argentinien untergetauchten Ex-Kanzlers Klima) mehr als eindeutige Wortmeldungen in- und ausländischer Politiker und Kommentatoren, ohne daß sich die Staatsanwaltschaft je zum Einschreiten veranlaßt gesehen hätte. Seit kurzem liegt sogar ein Buch auf, das am Umschlag den Titel "Der Verrat" und darunter ein Bild von Klestil im trauten Gespräch mit Chirac zeigt, – aber der Buchautor ist eben ein Bundesbruder von Klestil (Cartell-Verband) und hat nichts mit der FPÖ zu tun. Die Treibjagd auf Kabas, dem man jetzt mit der "Spitzelaffaire" den Fangschuß zu geben trachtet, setzte bereits im Wahlkampf 1999 ein, denn die Wiener FPÖ hatte es gewagt, "Stop dem Asylmißbrauch" zu plakatieren. Als dann die von Klestil gewünschte Neuauflage einer SPÖ-ÖVP-Koalition geplatzt und eine Regierung ohne SPÖ, aber mit FPÖ nicht zu verhindern war, hielt es der Bundespräsident für angebracht, wenigstens die Ernennung von Kabas zum Verteidigungsminister zu verweigern. Sollte etwa ein Bekenntnis zum Asylmißbrauch Voraussetzung für diesen Posten sein?

Zugegebenermaßen stand Klestil unter massivem Druck, wobei Gewichtung und Reihenfolge der Aufzählung hier nicht konform gehen müssen: Klestils zweite Ehefrau, die der SPÖ zugerechnet wird, hätte Außenministerin werden wollen; die Sozialistische Internationale wollte ausschließen, daß in einer EU-Satrapie (einem Netto-Zahler obendrein) aufmüpfige Kräfte mitregieren; und jene Kreise, die von Österreich laufend weitere Entschädigungen verlangen, wollten ein "optimales" Klima schaffen. (Wie zufällig bestand die erste Handlung Klestils nach Angelobung der neuen Regierung in einem Entschuldigungsschreiben an das Simon-Wiesenthal-Center.)

Während sich Kabas veranlaßt sah, seine Aussage – in reichlich ungeschickter Weise – abzuschwächen und sich zu entschuldigen (was seine Feinde nur zu weiteren Angriffen anspornte), bekam der "Lump" im November neue Impulse: Der Salzburger FPÖ-Chef Schnell sagte bei einer Parteiveranstaltung, "Lump war eigentlich ein zu harmloser Ausdruck ... und bei uns im Pinzgau nennt man Lumpi einen Hund. Klestil hat sich nicht besonders klug verhalten bei der Angelobung der Regierung und sich vor laufender Kamera benommen, als wäre er kein Österreicher." Prompt wurde wieder die Staatsanwaltschaft aktiv, und – siehe da! – die Präsidentschaftskanzlei gab Anfang Januar grünes Licht für die Strafverfolgung.

Sowohl bei Kabas wie auch bei Schnell fühlte sich die neue FPÖ-Führung bemüßigt, ganz auf "Wohlverhalten" zu setzen. Doch wie die jüngsten Regionalwahlen bestätigten, wird dies von den Konkurrenten ausgenützt, vom Wähler nicht belohnt, und auch sonst keineswegs honoriert: Denn erst vorige Woche wies das Landesgericht Wien eine Klage des nunmehr "einfachen Parteimitglieds" Haider ab, den das ZDF-Magazin Frontal als "gefährlichen politischen Gauner" bezeichnet hatte. In der Begründung heißt es, diese Bezeichnung müsse "als kritische Bewertung" im Rahmen des "verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts auf freie Meinungsäußerung" zulässig sein. Sie sei "im Zusammenhang mit dem TV-Beitrag zu sehen", so daß also ein "Sachbezug" vorliege, "keine bloße Herabsetzung". Außerdem müsse sich ein Politiker im Rahmen der öffentlichen Diskussion "mehr gefallen lassen als ein gewöhnlicher Staatsbürger".

Da steht man nun und grübelt: Gibt es qualitative Unterschiede zwischen "Lump" und "Gauner"? Oder sind die regionalen Unterschiede zwischen Pinzgau und Kienzle-GAU entscheidend? Oder ist die Meinungsfreiheit von Medien "verfassungsmäßiger" als die von FPÖ-Politikern? Oder müssen sich manche Politiker mehr gefallen lassen als andere? Vor allem aber: Werden auch in der Causa Schnell die Zusammenhänge maßgeblich sein und daher "Sachbezüge" den "Lump" entschuldigen?

Die Prognose fällt leicht, wenn man folgende Informationen mit einbezieht: Der grüne Abgeordnete Pilz, ein einstiger Kuba- und Kolchosen-Aktivist mit Beziehungen zur rötlichen Staatspolizei (von manchen als "Ösi-Stasi" bezeichnet) beschuldigte erst dieser Tage die Staatsanwaltschaft des Amtsmißbrauchs (de facto, nicht expressis verbis), weil sie seine haltlosen Anzeigen gegen FPÖ-Politiker zurücklegen mußte. Die Justiz reagierte auf diese Angriffe mit Schweigen – die gleiche Justiz, die kürzlich mit einer Unterschriftenaktion von Richtern und Staatsanwälten dagegen protestiert hatte, daß ihr die FPÖ Parteilichkeit vorwirft ...