28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.01.01 Phantast und Realist – Vor 225 Jahren wurde E.T.A. Hoffmann in Königsberg geboren

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Januar 2001


Phantast und Realist – Vor 225 Jahren wurde E.T.A. Hoffmann in Königsberg geboren 

Wenn ich von mir selbst abhinge, würd ich Componist, und hätte die Hoffnung in meinem Fache groß zu werden, da ich in dem jetzt Gewählten ewig ein Stümper sein werde", schrieb Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann an seinen Freund Theodor Gottlieb v. Hippel (1775–1843), nachdem er sein Jurastudium an der Königsberger Albertina beendet hatte. Später schickte er dem Freund einen launigen Vers: "Wer grübe sich nicht selbst ein Grab,/ Und würfe froh des Lebens Bürd hinab,/ Wenn süßer Wahn nicht wäre." – Der "süße Wahn" hatte Hoffmann zeit seines Lebens fest im Griff; ihm verdanken wir nicht zuletzt auch die Oper "Undine" und andere Kompositionen, die noch heute, auf CD gebrannt, veröffentlicht werden. Ihm verdanken wir aber auch und vor allem unzählige Romane und Novellen aus der Feder des Mannes, der sich selbst allerdings in erster Linie als Tonschöpfer sah.

Hoffmann "ist Ende Dreißig, als die angesammelten und angestauten Massen musikalischer und literarischer Phantasien losbrechen", umschreibt Biograph Rüdiger Safranski in seinem Buch "E. T. A. Hoffmann – Das Leben eines skeptischen Phantasten" (Carl Hanser Verlag, München, 1986) mit knappen Worten das Leben dieser wohl schillerndsten Figur der deutschen Literatur- und Musikgeschichte. Und: "Jetzt gibt es kein Halten mehr. Es dauert nur einige Wochen, dann redet das ganze literarische Deutschland von ihm. Auch der andere große Wunsch erfüllt sich: Seine Oper Undine kommt auf die Bühne in Berlin. Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes reibt er sich verwundert die Augen: Und das soll es nun gewesen sein? Er macht weiter, muß aber nun mehr Wein zugießen. Er liebt das Leben und stirbt unter Protest ..."

Vielseitig ist es gewesen, das Leben und das Schaffen des Mannes, der am 24. Januar vor 225 Jahren in Königsberg das Licht der Welt erblickte. Hoffmann selbst hat einmal gesagt: "Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags am Tage wird gezeichnet und abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht …" Und in einem seiner "Nachtstücke" – "Das öde Haus" – läßt er den Erzähler sagen: "Ihr wißt es ja alle, ihr wackern Kumpane meines fröhlichen Jugendlebens, ihr wißt es ja alle, wie ich mich von jeher als Geisterseher gebärdete und wie mir nur einer wunderbaren Welt seltsame Erscheinungen ins Leben treten wollten, die ihr mit derbem Verstande wegzuleugnen wußtet!"

Sehr fröhlich war das Jugendleben des Ernst Theodor Wilhelm nun freilich nicht. Als der Junge zwei Jahre alt war, trennten sich die Eltern. Der Vater ging später nach Insterburg, und die Mutter zog mit dem Sohn in ihr Elternhaus in der späteren Poststraße. Dort wuchs Hoffmann unter seinen Tanten und einem Onkel auf; die Mutter hatte sich zurückgezogen. – In seinen Romanen und Erzählungen wird Hoffmann später übrigens immer wieder die oft skurrilen Figuren seiner Kindheit und Jugend mit spitzer Feder nachzeichnen.

Hoffmann besuchte die Burgschule seiner Vaterstadt und erhielt Musikunterricht bei dem Domorganisten Podbielski. Der Maler Saemann unterwies den Jungen im Zeichnen. Später (1798) allerdings mußte er bei einem Besuch der Dresdner Gemäldegalerie erkennen: "Bei alledem sah ich denn nun freilich bald, daß ich gar nichts kann. – Ich habe die Farben weggeworfen und zeichne Studien wie ein Anfänger, das ist mein Entschluß …" – Mit seinen spöttischen Zeichnungen, die eher Karikaturen waren, jedoch erreichte er bald einen Ruhm, der ihm nicht immer lieb sein durfte …

1792 nimmt Hoffmann – aus alter Familientradition – das Jurastudium an der Königsberger Albertina auf. Dort hört er auch Kant. Nebenher widmet er sich jedoch immer mehr den schönen Künsten – er schreibt, musiziert, zeichnet und komponiert. Ein reger Briefwechsel mit seinem Jugendfreund Hippel legt davon beredtes Zeugnis ab. 1795 legt Hoffmann sein erstes Staatsexamen ab und wird Auskultator in Königsberg. In seinem Zeugnis wird übrigens sein "musterhaftes Betragen" und sein "ausgezeichneter Fleiß" hervorgehoben. Aufgrund einer skandalösen Romanze wird Hoffmann ein Jahr nach seinem Examen nach Glogau zu Verwandten geschickt, wo er sich mit einer Cousine verlobt, die er jedoch nie heiraten wird.

Nach dem zweiten juristischen Examen läßt sich Hoffmann als Referendar nach Berlin ans Kammergericht versetzen. Gleichzeitig nimmt er Kompositionsunterricht bei seinem Königsberger Landsmann Johann Friedrich Reichardt. 1800 endlich legt Hoffmann, der sich eigentlich viel mehr der Kunst zugehörig fühlt, sein drittes Examen ab und wird als Assessor nach Posen versetzt. Ein Skandal erschüttert die dortige Gesellschaft, als beim Karneval 1802 bissige Karikaturen der Honoratioren in Umlauf gebracht werden, die eindeutig die Handschrift Hoffmanns tragen. – Wieder einmal wird er versetzt, diesmal nach Plock, wohin ihn seine junge Frau Micha begleitet.

Hoffmann kann’s nicht lassen: Auch in Plock widmet er sich neben der "Juristerei" den schönen Künsten. An Hippel schreibt er: "Werde ich nun nicht so sehr vom Präsidenten qua Packesel behandelt, dem man aufbürdet, daß er unter der Last verseufzt - so geht’s in meinen vier Wänden ganz gut her. Die Akten werden in die Nebenkammer geworfen, und dann zeichne, komponiere und dichte ich wie’s kommt, freilich alles nur schlecht, aber desto mehr Vergnügen macht mir’s, denn es ist ein psychologisches Phänomen, daß die schlechten Künstler und Dichter sich am allermeisten über ihre Mißgeburten freuen – den großen Dichtern machen die Amorinos, welche sie zur Welt befördern, lange nicht so viel Freude! …"

Vergeblich versucht Hoffmann in diesen Jahren einen Verleger für seine Kompositionen zu finden. Wie stolz aber ist er dann, als sein Essay "Schreiben eines Klostergeistlichen" im "Freimüthigen" abgedruckt wird: "Mich zum ersten Mal gedruckt gesehen im Freimüthigen – habe das Blatt zwanzigmal mit süßen liebevollen Blicken der Vaterfreude angeguckt – frohe Aspekte zur literarischen Laufbahn!"

Schließlich wird Hoffmann als Regierungsrat nach Warschau versetzt, das damals zu Preußen gehörte. Dort ist er führend an der Gründung der "Musikalischen Gesellschaft" beteiligt, dort macht er auch nähere Bekanntschaft mit seinem Landsmann Zacharias Werner (1768–1823) aus Königsberg, für dessen "Kreuz an der Ostsee" er die Bühnenmusik komponiert. Als Napoleons Truppen in Warschau einmarschieren und die preußischen Behörden aufgelöst werden, verliert Hoffmann seine Stellung. Er geht zunächst nach Berlin, nimmt dann aber ein Angebot aus Bamberg an, wo er zunächst nicht sehr erfolgreich als Musikdirektor wirkt. Sein Freund und späterer erster Biograph Eduard Hitzig über den Dirigenten Hoffmann: "Seine Tempos waren feurig und rasch, aber ohne alle Überzeugung, und in der Folgezeit urteilte man von ihm, daß wohl nicht leicht ein Dirigent in Mozartschen Kompositionen übertroffen haben würde, wenn er sich mit einem guten Orchester hätte zeigen können."

Mehr Glück hat Hoffmann dann mit seinem "Ritter Gluck", einer Erzählung, die 1809 erscheint. "Hoffmann‘s glanzvolles Debüt in der Literatur", so Rüdiger Safranski, "ist ein Werk des ,Nebenher’. Und gerade das gibt ihm jene spielerisch-lockere Hand, die trifft, gleichsam ohne zu zielen." Das "Geheimnis der Leichtigkeit" sieht Safranski darin, daß Hoffmann als Literat keine "Idealkonkurrenz" gesucht habe, "und mit dieser Leichtigkeit entfesselt er eine literarische Imaginationskraft, die nicht nur in der damaligen literarischen Szene ihresgleichen sucht."

Im Sommer 1812 schließlich hat Hoffmann, der seinen dritten Vornamen übrigens aus Verehrung für Mozart in Amadeus abgewandelt hatte – die Idee zu einem Werk, das ihn auch in die Reihe der großen Musikschaffenden aufsteigen läßt – Undine. Die Oper wird am 3. August 1816 in Berlin, wohin Hoffmann nach kurzen Intermezzi in Dresden und Leipzig – zurückgekehrt ist, uraufgeführt. Kein Geringerer als Carl Maria von Weber schreibt 1817 in der "Allgemeinen Musikalischen Zeitung": "Das ganze Werk ist eines der geistvollsten, das uns die neuere Zeit geschenkt hat." Der Komponist wird gefeiert. Dann jedoch vernichtet ein Brand die kostbaren, von Karl Friedrich Schinkel geschaffenen Dekorationen, und Hoffmann zieht sich enttäuscht und resignierend aus den Salons zurück.

In der Zwischenzeit sind immer wieder auch literarische Werke aus der Feder Hoffmanns geflossen: "Der goldene Topf", "Die Elixiere des Teufels", die "Fantasiestücke", die "Nachtstücke". Unzählige Erzählungen erscheinen in Almanachen, Taschenkalendern und Zeitschriften – Hoffmann wird d e r Schriftsteller seiner Zeit. "Man muß sich vorstellen, daß Hoffmann seine Erzählungen und Romane fast so schnell zu Papier brachte, wie wenn er sie mündlich vorgetragen hätte. Der Weg vom Erfinden zum Schreiben war ungefähr genauso kurz wie der zum Sprechen. So hat sein Stil denn auch etwas Gesprochenes. Er skizziert einen Vordergrund, deutet mit höchst charakteristischen Strichen an, die aufgrund ihrer Prägnanz in Erinnerung bleiben, pointiert die Effekte des Rätselhaften, referiert dann eine meist enthüllende Vorgeschichte, kehrt auf den Vordergrund zurück, wo das weitere Geschehen ... oft mit Hast zu Ende gebracht wird" (Safranski).

In seinem eigentlichen Beruf als Jurist ist Hoffmann, inzwischen Kammergerichtsrat, mit den sogenannten "Demagogenprozessen" um Turnvater Jahn befaßt. In seinen Werken "Die Lebensansichten des Katers Murr" und vor allem in "Meister Floh" äußert er unverhohlen seine Kritik an dem System. "Meister Floh" wird beschlagnahmt, Hoffmann soll bestraft werden. Doch sein Jugendfreund Hippel setzt sich für den Dichter ein und erwirkt eine Verschiebung der geplanten Vernehmung. Dazu soll es jedoch nicht mehr kommen.

Hoffmann, in der Vergangenheit immer wieder kränklich und leidend, diktiert noch auf seinem Totenbett seine Verteidigungsschrift und einige kürzere literarische Texte wie das eindrucksvolle "Des Vetters Eckfenster". Am 25. Juni 1822, gegen 11 Uhr vormittags, stirbt E. T. A. Hoffmann in Berlin. Seine letzte Ruhestätte findet der "Dichter, Tonkünstler und Maler" (so steht es auf dem von Freunden gestifteten Grabstein) am 28. Juni auf dem Friedhof Mehringdamm.

"Es gab die größten menschlichen Gegensätze in unserer Provinz beieinander", schrieb Erwin Kroll, Hoffmann-Forscher und Musikschriftsteller, einmal. "Neben Kant wirkte ein Hamann, und unser Hoffmann ist ein Beweis dafür, daß solche Gegensätze in einer einzigen Persönlichkeit leben und sich künstlerisch auswirken konnten, nämlich scharfer, aufs Ironische und Groteske gerichteter Wirklichkeitssinn und traumhaft kühne, von schwärmerischer Sehnsucht getragene Phantastik. Beim Dichter, aber auch beim Maler und Musiker Hoffmann spürt man diese Zweisamkeit. Realist und Phantast zugleich, hat er, der unerhört Vielseitige, sie künstlerisch verklärt. Aber es ist nicht der Künstler allein; auch der Jurist Hoffmann, der unbeugsam rechtliche Beamte, trägt Heimatliches in sich, nämlich den kategorischen Imperativ Kants …" Silke Osman

"Und so gehört E. T. A. Hoffmann – was er nie geahnt, der arme Schächer am Kreuz der irdischen Nüchternheit – zur ewigen Gilde der Dichter und Phantasten, die am Leben, das sie quält, die schönste Rache nehmen, indem sie ihm farbigere, vielfältigere Formen vorbildlich zeigen, als sie in Wirklichkeit erreicht." Stefan Zweig