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27.01.01 Bemerkenswerte Botschaft des slowakischen Präsidenten

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. Januar 2001


Benesch-Dekrete:
Paukenschlag aus Preßburg
Bemerkenswerte Botschaft des slowakischen Präsidenten / Von Martin Schmidt 

Die Debatte über die Wiedergutmachung von Vertreibungsunrecht ist erneut in Bewegung gekommen. Anlaß ist die Grußbotschaft des slowakischen Präsidenten Rudolf Schuster anläßlich einer Festveranstaltung der Sudetendeutschen Akademie in München, in der sich gegen das "Prinzip der kollektiven Schuld" ausspricht.

Weiter heißt es in dem Schreiben: "Meiner Meinung nach genügt es nämlich nicht, daß sich die Länder, aus denen die Bürger deutscher Nationalität gewaltsam ausgesiedelt wurden, gelegentlich für diesen tragischen Irrtum entschuldigen, sondern sie sollten lernen, so wie im Fall des Holocaust, ihre Schuld zuzugeben", also die eigene Verantwortung anzuerkennen.

Die Worte des Staatsoberhauptes stellen eine Zäsur dar. Zwar hatte sich das Nationalparlament in Preßburg bereits 1990 unter dem Vorsitz Schusters für die Leiden der deutschen Bewohner in Folge der Benesch-Dekrete entschuldigt, aber von einem "tragischen Fehler" war damals nicht die Rede, und eine Aufhebung der Dekrete wurde verneint.

An diesem heikelsten Punkt der Debatte scheiden sich bis heute bekanntlich in der Slowakei ebenso wie in Tschechien und Deutschland die Geister. Wieviel Zündstoff nach wie vor in einer etwaigen Rücknahme der Enteignungs- und Entrechtungsbestimmungen der Benesch-Regierung steckt, mußte auch Schuster erfahren.

Gleich nach Bekanntwerden seiner Grußbotschaft geriet der Präsident innenpolitisch derart unter Druck, daß er sich am 17. Januar gegenüber Journalisten zu der Erklärung veranlaßt sah, die umstrittenen Dekrete nicht zur Disposition stellen zu wollen. Alle Maßnahmen die "gegen jene getroffen worden sind, die mit dem Faschismus kollaboriert haben, bleiben wirksam", sagte er, um gleich hinzuzufügen, daß es trotzdem notwendig sei, "neu zu bewerten, was damals zu Recht getan worden ist und was nicht".

Als Motiv für seine Stellungnahme nannte der 1922 in Metzenseifen geborene Sohn einer karpatendeutschen Familie eigene Kindheitserfahrungen mit der Vertreibung vieler Landsleute.

Das slowakische Außenministerium betonte in einem Kommentar vom 17. Januar, daß die Bemerkungen des Staatsoberhauptes nur dessen "persönliche gefühlsmäßige Sicht" wiedergäben und man "keinen Anlaß" sehe, sich für die Vertreibung der Sudetendeutschen in der angedeuteten Form zu entschuldigen.

So trotzig diese Worte auch wirken, so wenig spiegeln sie eine einheitliche Position innerhalb der seit Oktober 1998 amtierenden Vier-Parteien-Regierung wider. Insbesondere die Partei der Ungarischen Koalition (SMK) fordert eine mit praktischen Wiedergutmachungsschritten verbundene Aufarbeitung der Vergangenheit. Schließlich war die im Süden des Landes konzentrierte Volksgruppe (ihre rund 600 000 Angehörigen machen heute elf Prozent der Gesamtbevölkerung aus) selbst von den Benesch-Dekreten betroffen.

Präsident Schuster fand sich erst kürzlich dazu bereit, Vermittlungsgespräche zwischen den in Sachen Minderheitenpolitik tief zerstrittenen Koalitionspartnern SMK und SDL (Demokratische Partei der Linken) zu leiten. Hierbei geht es speziell um die Forderung nach einer staatlichen ungarischsprachigen Universität in Neutra (slowak.: Nitra) sowie darum, daß die SMK von den Kommunisten enteignete Ländereien mit ungeklärten Besitzverhältnissen der Obhut der Lokalverwaltungen überlassen will.

Sowohl SDL-Politiker als auch Vertreter der anderen Regierungsparteien Slowakische Demokratische Koalition (SDK) und Partei der Bürgerlichen Verständigung (SOP) fürchten wegen des Einflusses der Ungarn in manchen Landesteilen eine schleichende Rückerstattung enteigneter Flächen an die früheren (sprich ungarischen) Besitzer.

Für noch mehr Konfliktstoff sorgen die Wünsche der Ungarn nach Zusammenfassung ihrer Hauptsiedlungsgebiete zu einer eigenen Verwaltungseinheit sowie der Neufassung der Verfassungspräambel. Deren Eingangsworte "Wir, die Nation der Slowaken..." sollen nach dem Willen der SMK ersetzt werden durch die Formulierung "Wir, die Bürger der Slowakei...".

Nachdem die Koalition bereits das ganze letzte Jahr hindurch internen Spannungen ausgesetzt war und mehrfach kurz vor dem Zerbrechen stand, hat sich Mitte Januar insofern eine Beruhigung eingestellt, als das Kabinett endlich die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen billigte, die einige Verbesserungen in Orten mit einem Minderheitenanteil von über 20 Prozent bringt.

Eine umfassende Lösung der Volksgruppenfrage ist in der Slowakei (und in Tschechien) jedoch weiterhin nur möglich, wenn man sich von der Altlast der Benesch-Dekrete verabschiedet und heimkehrwilligen Sudetendeutschen die Chance zum Neuanfang gibt.