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27.01.01 Pannonisches Polittheater der Bauernpartei

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. Januar 2001


Ungarn:
Steilpaß nach links
Pannonisches Polittheater der Bauernpartei 

Die ungarische Mitte-Rechts-Regierung gehört mit ihrer nationalbewußten Kultur- und Familienpolitik sowie den Erfolgen bei der Steuerentlastung und der Kriminalitätsbekämpfung zum Besten, was das konservative Parteienspektrum derzeit in Europa zu bieten hat.

Dennoch gefährden auch hier – ähnlich wie in der benachbarten Slowakei – massive interne Spannungen die Aussichten für die Wahlen im kommenden Jahr. Hauptsorgenkind der seit 1998 regierenden Koalition aus Fidesz – Ungarische Bürgerliche Partei als wichtigster Kraft, der Unabhängigen Partei der Kleinlandwirte (FKGP) sowie dem stark geschwächten Ungarischen Demokratischen Forum (MDF) ist die traditionsreiche Bauernpartei.

Diese litt schon das ganze letzte Jahr hindurch unter nicht enden wollenden Korruptionsaffären, die die mehrheitlich linksliberale Presse des Landes genüßlich auswälzte. Seit einigen Wochen laufen nun auch noch offene Grabenkämpfe zwischen dem wortgewaltigen Vorsitzenden József Torgyán und einer Reihe von Kritikern seines Führungsstils.

Den Anfang nahm der Streit auf einer Präsidiumssitzung am 2. Januar, bei der Landwirtschaftsminister Torgyán die gesamte Fraktionsführung außer Attila Bánk für abgelöst erklärte und einen Nachfolger für die in Ungnade gefallene Budapester FKGP-Chefin Katalin Liebmann bestimmte.

Letztere wehrte sich mit dem Hinweis, daß ihre Absetzung nicht im Sitzungsprotokoll festgehalten worden sei. Als dies wiederum dem extrem reisefreudigen Torgyán zu Gehör kam, ordnete er von Chile aus eine außerordentliche Präsidiumssitzung an, auf der Frau Liebmann wunschgemäß aus der Bauernpartei ausgeschlossen wurde – allerdings mit mehreren Gegenstimmen und Enthaltungen.

Direkt danach erreichte die Revolte ihren ersten Höhepunkt, nachdem der Parteijurist Róbert Molnár bekannt gegeben hatte, daß ihn FKGP-Generalsekretär Varga gebeten habe, das Protokoll im Sinne Torgyáns nachträglich zu verändern. Molnár legte alle seine Ämter nieder, und noch am selben Tag taten es ihm Parteivize Zsolt Lanyi und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Béla Pokol nach. Pikanterweise ist es der 71jährige FKGP-Veteran Lanyi gewesen, der den mit ihm bis vor kurzem befreundeten Torgyán 1956 in die Partei aufgenommen hatte.

Die abgesetzte Führungsspitze der Kleinlandwirte in der Hauptstadt Budapest gründete am 13. Januar ein "Krisenkomitee", das die Entmachtung Torgyáns herbeifüh-

ren soll. Angeblich waren bei diesem Treffen 10 von 19 FKGP-Regionalchefs dabei. Allerdings behauptet Torgyán seinerseits, diese "alle" hinter sich zu wissen.

Zwar gibt es inzwischen eine vom einstigen Agrarminister Nagy ins Leben gerufene Sammelpartei von Torgyán-Gegnern unter dem Namen "1930-2000 Kleinlandwirte", aber die Stellung des Vorsitzenden erscheint erstaunlich fest angesichts des allseitigen Popularitätsschwundes (einige Umfragen geben der Partei sogar nur noch drei Prozent).

Daß dies so ist, dazu trägt auch die kürzliche Statutenänderung bei, wonach eine Ablösung des Parteichefs nur über einen Mißtrauensantrag des "Parteiausschusses" möglich ist, den allein der Vorsitzende einberufen kann.

Während der Partner Fidesz Kontakte zu beiden Flügeln der Bauernpartei hält und die Entscheidung über die geplante gemeinsame Liste mit der FKGP für 2002 hinausschiebt, reiben sich die Linksopposition und Czurkas immer stärker werdende Rechtsaußen-"Partei der Gerechtigkeit und des Lebens" angesichts des Polittheaters die Hände. (MS)