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03.02.01 Festspielsommer 2001 – geprägt von Vielfalt

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Februar 2001


Von Verdi und Mozart bis zu den Neutönern:
Festspielsommer 2001 – geprägt von Vielfalt
Eine musikalische Jahresvorschau
(Prof. Werner Dremel)

Der Festspielgedanke, ob in der Welt des Theaters oder der Musik, in Oper, Ballett, Konzert, hat sich in Europa allgemein, und in Deutschland und Österreich besonders, in den vergangenen Jahrzehnten ungemein ausgebreitet. Ein Ort kann klein und unbekannt sein – durchfährt man ihn in der Zeit zwischen Ostern und Herbst – schon hängen Transparente über den Hauptstraßen und Plakate in der Umgebung, die stolz verkünden: Festspiele von … bis … Manchmal merkt man den Gedanken, der dahinter steht: "Was die andern – die Großen – können, das können wir auch." Irgendein Namen wird hergenommen – und daraus Festspiele gemacht! So wird eine gute Idee inflationiert.

Sehr oft jedoch ist nicht nur die Absicht gut, sondern auch die Durchführung, und so gibt es eine ganz beachtliche Zahl von Festen, Festspielen und Festwochen, die besuchenswert sind. Wir müssen uns hier mit einer Auswahl aus Deutschland und Österreich begnügen. Und auch hier können nur die ganz großen Namen behandelt werden, und einige nicht ganz so bekannte, die hochgradig besetzt sind und/oder einen besonderen genius loci aufweisen. Im übrigen: Die Reihenfolge der Besprechung, oder eine Nichtbenennung, sind kein Hinweis auf die Qualität!

Fangen wir mit den Richard- Wagner-Festspielen in Bayreuth an, einem der drei bekanntesten Opernorte der Welt, neben New York und Mailand, wie eine Umfrage in Amerika ergab. Im zweiten Jahr wird "Der Ring des Nibelungen" aufgeführt – Regie führt Jürgen Flimm, das Bühnenbild ist von Erich Wonder, Dirigent wie im Vorjahr Guiseppe Sinopoli.

Die Reaktion der Musikwelt war im Jahr der Erstaufführung 2000 sehr geteilt – wie bei einem bedeu-tenden Werk meistens, beim größten Drama der Musikge-schichte immer. Wenn man schon diese etwas abgegriffene "Nomenklatur" aufgreifen will: Ein "Jahrtausend-Ring", nach dem "Jahrhundert-Ring" Chereaus, war es wohl nicht.

Des weiteren werden aufgeführt: Lohengrin, eine tiefgründig-faszinierende, wenn auch ambivalente Inszenierung von Keith Warner, musikalische Leitung Antonio Pappano; die Meistersinger und Parsifal, beide inszeniert von Wolfgang Wagner. Die Meistersinger dirigiert Christian Thielemann, den Parsifal Christoph Eschenbach. Der Mythos Richard Wagner ist ungebrochen, auch dank der Festspielleitung seines Enkels. Dies äußert sich auch in der Kartennachfrage: Sie war letztes Jahr fast zehnmal so groß wie das Angebot!

In der anderen Musikmetropole Frankens, in Würzburg, erwartet uns ein ungewöhnlich reichhaltiges Programm. Volle sechs Wochen schüttet das "Mozartfest 2001" im Zeichen seines 80jährigen Jubiläums sein Füllhorn aus. Das Motto: "Mozart und Italien".

Und so hört man sie alle, seine italienischen Zeitgenossen, Vorgänger und Nachfolger: Pergolesi und Scarlatti, Vivaldi und Boccherini, Paganini und Rossini, Sammartini und Tartini, Verdi, Respighi und Dallapiccola – und immer wieder ihn selbst: Sinfonien, Klavier-, Violin-, Horn-, Flöten- und Klarinettenkonzerte, Streichquartette, Divertimenti, Serenaden, Auszüge aus seinen Opern. Das ganze Köchelverzeichnis wird aufgeboten! Eine Auswahl der bekanntesten Interpreten: Bamberger Sinfoniker, Frankfurter Radio-Sinfonie-Orchester, Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Dirigent Schonwandt, Geiger Zukerman. Eine Würzburger Besonderheit sind die Aufführungsorte: In allen Räumen der Residenz die Mozartnacht, im Kaisersaal die großen Konzerte, im Hofgarten die Nachtmusik, in den Gärten Veitshöchheims und Wernecks Nachtmusiken – auch optisch Eindrücke der besonderen Art!

In den neuen Bundesländern haben sich die Dresdner Musikfestspiele einen festen Platz geschaffen. Dieses Jahr finden sie unter dem Motto "Aufbruch" an vielen verschiedenen Spielstätten statt, wobei Zwinger und Semperoper als die Prachtorte besonders erwähnt werden müssen. Dem Motto wird reichlich – fast zu reichlich – Genüge getan: Eine Reihe von zeitgenössischen Werken, mit Lichtschau und Filmen kombiniert, kommt zur Aufführung, dazu eine Afrika-Schau mit Musik, Tanz und Feuerwerk. Wer Experimentelles mag, hier gibt es Gelegenheit dazu! Aber auch die Großen kommen nicht zu kurz: Mozart in der Semper-Oper unter Harnoncourt und Simon Rattle, die Petersburger Philharmoniker und, im Zwinger, eine konzertante Aufführung von "Turandot", dazu zur Eröffnung "Tosca", "Macbeth", die "Entführung aus dem Serail", "Die Hochzeit des Figaro" und "Rienzi". Dazu im Sprechtheater Schillers "Wallenstein" und Brechts "Trommeln in der Nacht". Außerdem einige große Sinfoniekonzerte, darunter als Dirigent: G. Sinopoli.

Das 16. Schleswig-Holstein-Musik-Festival mit Schwerpunkten in Lübeck und Kiel wird eröffnet mit einem wahrhaft grandiosen Konzert: Günter Wand leitet das NDR-Sinfonie-Orchester, zur Aufführung gelangen Schuberts "Unvollendete" und Bruckners "Neunte"! Der diesjährige Länderschwerpunkt ist Finnland. Alle sieben Sinfonien von Sibelius werden gespielt. Das Concertgebouw Orchester bringt Werke von Strawinsky, das Boston Sinfonie Orchester unter Bernard Haitink Ravels Orchestersuite "Daphnis und Chloe". Bellinis 200. Geburtstags und Verdis 100. Todestags wird mit einer Auswahl wichtiger Werke gedacht.

Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen – nach diesem Wahlspruch sieht das Programm der Europäischen Wochen in Passau aus. Sie stehen in diesem Jahr unter dem Motto "Prag, Wien, Budapest – an Moldau und Donau", Schirmherr ist Otto von Habsburg, der große Europäer und Sohn des letzten Kaisers von Österreich. Passau nützt seine Lage im Dreiländereck und läßt die Aufführungen in Bayern, Österreich und Böhmen stattfinden – Ungarn ist zu weit entfernt, um einbezogen zu werden. Entsprechend dem Motto sind tschechische und ungarische Orchester und Solisten zu Gast. Smetanas "Mein Vaterland" und seine Oper "Die verkaufte Braut" – die tschechische Nationaloper schlechthin, im Theater in Budweis – sind zu hören, ein Zigeunerabend und Perlen der Operette erinnern an Ungarn und Wien. Eine Einmaligkeit bei Festspielen: An sieben Abenden spielt der bekannte Pianist Rudolf Buchbinder sämtliche Klaviersonaten Beethovens! Darüber hinaus wird eine Reihe von Vorträgen über den Kulturraum Mitteleuropa gehalten, der hochrangigste Redner dabei ist Arpad Göncz, der frühere ungarische Staatspräsident.

Die Münchner Opernfestspiele im prächtigen Nationaltheater, einem der schönsten klassizistischen Bauten überhaupt, haben als mächtigen Block "Mozart, Wagner, Verdi und Strauß". Zur Aufführung gelangen, teils in Spitzenbesetzung, "Cosi fan tutte" und "Die Hochzeit des Figaro" (Dirigent ist hier Zubin Mehta), beide in der Inszenierung von D. Dorn und J. Rose. Von Richard Strauß werden "Arabella", "Elektra" (Inszenierung H. Wernicke) und der "Rosenkavalier" (Inszenierung Otto Schenk und J. Rose) geboten. Wagner ist mit einer interessanten und ambivalenten Inszenierung (Regisseur D. Alden) der "Meistersinger" vertreten, Verdi mit "La Traviata" und "Falstaff". Weitere Höhepunkte sind "Fidelio" und eine Aufführung in Prachtausstattung (Inszenierung J. Miller) der "Puritaner" von Bellini. Die großen Namen: E. Gruberova (Elvira in den Puritanern), Bryn Terfl als Falstaff und als Figaro, W. Brendel als Mandryka in Arabella und E. W. Schulte als Don Fernando in Fidelio, dazu der Pianist Arcadi Volodos mit Werken der Romantik.

Zwiespalt befällt den Leser des Programms der Salzburger Festspiele: Große Namen und große Werke sind da angekündigt, wie es Salzburgs bedeutender Festspieltradition gebührt. Aber: Was sollen die vielen merkwürdigen Fotos im Heft? Auf der Titelseite eine Schreckensgestalt wohl aus der "Horror Picture Show" und auch innen seltsame Gestalten – eher eine Art Antiwerbung! Erwartet uns da etwa "Vernichtung durch Inszenierung" – oder ist es nur der letzte Streich des scheidenden Intendanten Mortier? Ansonsten ganz großes Programm, sowohl was die Titel als auch die Ausübenden betrifft. An Opern werden Mozarts "Cosi fan tutte" und die "Hochzeit des Figaro", Verdis "Don Carlos" und "Falstaff," Strauß’ "Ariane auf Naxos" und "Jenufa" von Janacek sowie die "Fledermaus" aufgeführt. Das Schauspiel bringt neben dem obligaten "Jedermann" unter anderem Shakespeares "Macbeth" und "Was ihr wollt". Sehr umfangreich ist das Konzert vertreten: Sinfonie, Kammermusik, Solistenkonzerte – Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms, Bruckner, Chopin, Schumann, Liszt, Mahler – und aus dem 20. Jahrhundert Schönberg, Schostakowitsch und Copland. Auch bei den Interpreten können nur die Bekanntesten genannt werden: Die Wiener Philharmoniker spielen unter Abbado, Muti, Rattle, das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Maazel, die Berliner Philharmoniker unter Abbado, die Pianisten Brendel, Barenboim, Pollini, der Geiger Kremer, die Sängerinnen C. Bartoli und W. Meier. Alles vom Feinsten – Salzburg weiß eben, was es sich schuldig ist!

Was Würzburg und Salzburg an kultureller Kulisse – Schlösser, Residenzen, Kirchen, Gärten – bieten, hat Bregenz in Hinsicht Natur: Die Seebühne – die größte der Welt – ist einfach einzigartig! Die "Vorläufer" dazu – man kann es nicht glauben – waren ab 1946 zwei zusammenmontierte Kieskähne! Das große Ereignis der diesjährigen Festspiele ist Puccinis "La Boheme" mit den Wiener Sinfonikern unter Ulf Schirmer, in der Inszenierung von R. Jones und A. Mc Donald. Die Wiener Sinfoniker, das "Hausorchester" der Festspiele, werden bei Konzerten mit Werken von Bruckner, Beethoven, Mozart, Tschaikowsky, Mussorgsky unter anderem von Kent Nagano und M. Viotti dirigiert. Eine österreichische Erstaufführung findet statt: Die Vertonung von Steinbecks Roman "Von Mäusen und Menschen" zum Musikdrama des zeitgenössischen amerikanischen Komponisten C. Floyd.

Die von der Firma Audi in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk großzügig ge-sponserten "Sommerkonzerte zwischen Donau und Altmühl" finden in diesem Jahr zum zwölften Mal statt und haben dafür gesorgt, daß die Region Ingolstadt im deutschen Festspielreigen einen ersten Platz gefunden hat. 21 Konzerte stehen auf dem Programm. Zubin Mehta, L. Maazel und C. Eschenbach dirigieren das Bayerische Staatsorchester, das Orchester des Bayerischen und des Norddeutschen Rundfunks. Anne Sophie Mutter spielt mit den Wiener Philharmonikern drei Violinkonzerte von Mozart, und die Jazzlegenden Dave Brubeck und J. Loussier werden auftreten. Ein Erlebnis der besonderen Art: Loriot erzählt "Candide" in einer konzertanten Aufführung des Musicals von L. Bernstein. Außerdem wird die Reihe "Länderschwerpunkte" mit Musik aus China und Israel fortgesetzt.

Interessant ist die Preisgestaltung der einzelnen Festspiele. Hier muß man zunächst unterscheiden zwischen den weltweit bekannten Hochburgen und den anderen Orten. An der Spitze liegt Salzburg, wo die teuersten Karten über 650 Mark kosten – und dann die Preise bis 15 Mark absinken – eine wahrhaft gewaltige Spannweite. Bayreuth und München halten sich die Waage: In Bayreuth kosten die Karten zwischen 340 und 20 Mark (obwohl jede Karte beinahe zehnmal verkauft werden könnte), in München zwischen 370 und 10 Mark. Ansonsten belaufen sich die Eintritte von 10 bis 150 Mark. Der Hauptgrund für diese doch großen Unterschiede liegt wohl in der Besetzung: Die großen Weltstars, ob Sänger, Dirigenten oder Instrumentalsolisten, kosten eben sehr viel Geld!

Auf einen Blick:

Bayreuther Festspiele: 25. 7. – 28. 8. Postfach 10 02 62, 95402 Bayreuth

Bregenzer Festspiele: 18. 7. – 21. 8. Postfach 311, A – 6901 Bregenz

Dresdner Musikfestspiele: 23. 5. – 10. 6. Postfach 202 723, 01193 Dresden

Zwischen Donau und Altmühl: 4. 5. – 31. 7. AUDI AG, Kulturfonds, 85045 Ingolstadt

Münchner Opernfestspiele: 28. 6. – 31. 7. Maximilianstraße 11, 80539 München

Europ. Wochen Passau: 21. 6. – 29. 7. Dr.-Hans-Kapfinger-Str. 22, 94032 Passau

Salzburger Festspiele: 21. 7. – 31. 8. Postfach 140, A – 5010 Salzburg

Schleswig-Holstein Musik Festival: 7. 7. – 2. 9.  Jerusalemsberg 7, 23568 Lübeck

Würzburger Mozartfest: 18. 5. – 1. 7. Kulturamt Rathaus, 97067 Würzburg