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03.02.01 Zum 200. Todestag von Daniel Chodowiecki

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Februar 2001


Ein Preuße aus Danzig
Zum 200. Todestag von Daniel Chodowiecki
Von RÜDIGER RUHNAU

Der erste Höhepunkt deutscher Zeichenkunst wird durch die Namen Albrecht Dürer, Matthias Grünewald, Hans Burgkmair, Hans Baldung Grien markiert. In der Spätrenaissance beginnt der fürstliche Absolutismus das städtische Bürgertum als Kulturträger abzulösen, trotzdem sind um 1600 Reichsstädte wie Augsburg, Nürnberg, Frankfurt am Main, Köln und Danzig immer noch blühende Kunstmetropolen mit einer Auftragsgeberschicht, die ihren Reichtum mittels Handelsgeschäften erworben hatte.

Die Graphische Sammlung des Danziger Stadtmuseums besaß bis 1945 einen Bestand von über 14 000 Blättern, darunter etwa 2000 kostbare Handzeichnungen aus allen Kunstepochen. Bis zu seinem 30. Lebensjahr hat Daniel Chodowiecki, geboren am 16. Oktober 1726, nur gezeichnet, erst später wandte er sich der Radierung zu. Dabei ist zu bemerken, daß bevor mit der Radiernadel das Bild in die mit Wachs überzogene Kupferplatte eingeritzt wird, die entsprechende Zeichnung als Vorlage bereitliegen muß.

Seit zwei Generationen waren die Chodowieckis in Danzig ansässig. Die aus Pommern stammende Familie gehörte der Reformierten Kirche an und mußte unter den Katholiken viel Unbill erdulden. Christian Serenius Chodowiecki, ein Großvater des Künstlers, verheiratet mit Sophie von Gentin, lebte als Kaufmann in Danzig. Der Vater Gottfried (1698–1740), Getreidehändler, bewohnte in der Heiliggeistgasse Nr. 54 ein typisches Danziger Bürgerhaus, mit Hängestube und behaglichem Beischlag.

Der Großvater mütterlicherseits, Daniel Adrien Ayrer, gründete in Danzig eine Kunstwerkstätte zum Vergolden von weltlichen und sakralen Gegenständen. Die Ayrers stammten aus Nürnberg, einer Hochburg des deutschen Kunsthandwerks. Verheiratet war jener Daniel Ayrer mit einem Fräulein de Vaillet, einer Hugenottin. Diese Großmutter unseres Künstlers pflegte ihre französische Muttersprache auch innerhalb der Familie in Danzig, zumal das Französische seinerzeit als vornehm galt, wodurch man sich von den unteren Volksschichten unterscheiden konnte.

Auch des Künstlers Mutter hielt engen Kontakt zur französischen Gemeinde in Danzig. Später mußte sie allein für den Unterhalt der sechs Kinder aufkommen. Um die spärlichen Einkünfte etwas aufzubessern, richtete sie in ihrem Haus einen der ersten Kindergärten in Deutschland ein, den auch Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen, in ihrer Kindheit besuchte. Die Danziger Heiliggeistgasse, in der Daniel Chodowiecki, Johanna Schopenhauer und Arthur Schopenhauer zur Welt kamen, gehörte zu den bekannten Straßen in Deutschland.

Daniels Vater, ein begeisterter Sonntagsmaler, gab seinem Sohn die erste Anleitung im Zeichnen. Nach dem frühen Tod des Vaters setzte eine Tante, Mamsell Ayrer, den Zeichenunterricht fort. Die Tante bestritt ihren Unterhalt mit Emailmalereien, sie belieferte auch einen Verwandten in Berlin, der dort ein Galanteriewarengeschäft betrieb. Zu diesem Onkel schickte man 1743 den erst 17jährigen Chodowiecki. Die Familie erhoffte sich dort eine bessere künstlerische Ausbildung, als sie das in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Danzig hätte leisten können.

Für den jungen Danziger war es ein glücklicher Umstand, daß die Emailmalerei durch die französische Kolonie in Berlin groß in Mode gekommen war. Gewöhnliche Miniaturen brachten bis zu 30 Taler ein, die beliebten Tabaksdosen, innen und außen mit Emailbildnissen geschmückt, das Mehrfache. Allein Friedrich der Große soll über 1500 solcher Tabaksdosen besessen haben. Das Geschäft wurde bald so einträglich, daß Chodowiecki sich selbständig machen konnte. Er hatte 1755 die älteste Tochter des angesehenen Goldstickers Jean Barez geheiratet und wurde dadurch Mitglied der reformierten Hugenottengemeinde.

Die französischen Protestanten, Hugenotten genannt, hatten unter Ludwig XIV. schwerste Drangsalierungen zu erleiden. Sie wurden aus Frankreich vertrieben und fanden unter anderem Aufnahme in Brandenburg-Preußen. Der Große Kurfürst hatte ihnen im Edikt von Potsdam Unterstützung und Privilegien versprochen. In der Tat belebten die Neuankömmlinge Preußens Wirtschaft in vielfältiger Weise, über 40 neue Berufszweige führten sie ein, gründeten Manufakturen und vergrößerten das Warenangebot. Fast 50 Jahre lang lebte und arbeitete Chodowiecki innerhalb der Berliner Hugenottengemeinde, die noch heute existiert.

Zu einem Höhepunkt seiner Tätigkeit für die Gemeinde wurde die Mitarbeit an der künstlerischen Gestaltung des Französischen Domes auf dem Gendarmenmarkt, eine der schönsten städtebaulichen Anlagen Berlins. Das Konsistorium beauftragte ihn, Entwürfe für die plastische Ausschmückung des von Gontard (1731–1791) geplanten Französischen Domes zu liefern. Damit hat sich Chodowiecki ein für jeden sichtbares Denkmal geschaffen, das dank der vorzüglichen Restaurierung im alten Glanz wiedererstanden ist. Von anderen christlichen Motiven des Künstlers ist die Titelvignette "Christus am Ölberg" erwähnenswert, sie wurde unter anderem verwendet im "Gesangbuch der Evangelisch Reformierten in Preußen", erschienen im Verlag der Königlich Preußischen Hofbuchdruckerei bei G. L. Hartung, Königsberg.

Noch vor Adolph Menzel (1815–1905) war es Chodowiecki, der die Größe der jungen preußischen Monarchie in vielen Einzelblättern und zahlreichen Bildfolgen der Nachwelt überlieferte. Wohl waren seine Werke viel bescheidener als die prachtvollen Ölgemälde eines Antoine Pesne, dafür hat er uns die treuesten Bilder von Friedrich dem Großen hinterlassen und trägt zu Recht die Ehrenbezeichnung "Bildchronist preußischer Geschichte". Seine Darstellung "Friedrichs II. Wachtparade in Potsdam" regte viele Maler zur Nachahmung an, in dieser Gestalt lebte das Bild des Herrschers im Herzen seines Volkes fort.

Aus den verschiedensten Zeiten des tatenreichen Lebens des großen Königs schuf Chodowiecki eine Fülle von Radierungen und Zeichnungen, sie sind in den für die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts so charakteristischen Kalendern und Almanachen erschienen. Die einzelnen Jahrgänge des von der Berliner Akademie der Wissenschaften herausgegebenen "Historisch-Genealogischen Calenders" verbreiteten Chodowieckis Illustrationen zur Brandenburg-Preußischen Geschichte in Tausenden von Exemplaren. Auch der "Gothaische Hof Calender", der "Göttinger Calender" und der "Westpreußische Calender" sicherten sich der Mitarbeit des Meisters. Von der Krönung Friedrichs I. in Königsberg, über die Vermählung Friedrichs II. im Jahre 1733, bis zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges fertigte Chodowiecki Kupferstiche kleinsten Maßstabes, die auf der Grundlage von Augenzeugenberichten eine Rekonstruktion der historischen Ereignisse wiedergeben.

Von der großen Popularität des Königs zeugen vielerlei Anekdoten, die der Künstler in den 12 Kalenderblättern des Gothaischen Hofkalenders von 1789 bildlich verewigt hat: Der Alte Fritz, meist schlicht gekleidet, ging in seinem Schloßpark spazieren. Da begegnete er zwei Arbeitern, von denen der eine dem anderen zurief: "Da ist der König!" Dieser aber, der den König nie gesehen hatte, fragte, als der König schon dicht vor ihm stand: "Wo ist denn der König?" Da legte ihm der König freundlich die Hand auf die Schulter mit den Worten: "Hier bin ich." Der Arbeiter erschrak und konnte nur stammeln: "Bei Gott, ein Lebtag habe ich keine Könige gesehen."

Mit dem Skizzen- und Tagebuch einer "Reise nach Danzig 1773" hat Chodowiecki der Nachwelt ein einzigartiges Dokument bürgerlichen Lebens in Deutschland hinterlassen. 30 Jahre lang hatte er seine Vaterstadt nicht mehr gesehen, noch lebte die alte Mutter und zwei Schwestern, kein Wunder, daß es ihn zu der Stätte seiner Jugendjahre mächtig hinzog. Üblicherweise reiste man damals mit der Postkutsche oder man wanderte zu Fuß. Chodowiecki aber beschloß, die Reise nach Danzig auf dem Rücken eines eigens zu diesem Zweck angeschafften Pferdes zurückzulegen. Bekleidet mit einem grünen Anzug, Mantel, Stiefeln, Perücke und Dreispitz, an der Seite einen Degen, hatte er den Reisesack hinter den Sattel des Pferdes geschnallt und legte unter mancherlei Abenteuern täglich etwa 50 Kilometer zurück.

Am 11. Juni 1773 traf er endlich in Danzig ein und passierte den Schlagbaum mit einer preußischen Wache. Vor einem Jahr erst war Westpreußen nach langer Fremdherrschaft zu Preußen zurückgekehrt, noch hielt Friedrich der Große das Territorium der Freien Stadt eng umschlossen. Auf den an ein lebhaftes Hauptstadttreiben gewöhnten Chodowiecki machte Danzig einen etwas rückständigen Eindruck, die Zeit schien dort stillzustehen. Kaufleute und Ratsherren schritten würdevoll im bunten Frack mit gepuderter Perücke einher, die Zopfzeit hatte ihren Höhepunkt noch nicht überschritten.

Die Ankunft des berühmten Peintre-Graveur sprach sich mit Windeseile in der Hansestadt herum, der Künstler wurde mit Einladungen geradezu überhäuft. Die Honoratioren rechneten es sich zur Ehre an, wenn er ihrem Hause einen Besuch abstattete. Noch mehr geehrt konnten sich diejenigen fühlen, die von ihm im Bild festgehalten wurden. Zahlreiche Danziger Bürger hat Chodowiecki mit seiner Kunst sozusagen unsterblich gemacht, denn sie treten uns in voller Figur in seinem Skizzenbuch entgegen.

Zweierlei Gründe machen uns das Skizzentagebuch so wertvoll, neben der ungezwungenen künstlerischen Aussage, die erfreut und Betrachtergenuß bereitet, ist die kulturhistorische Bedeutung hervorzuheben. Die detailgetreu gezeichneten Kostüme, die Interieurs der Räume, die verschiedenen Menschentypen in vielerlei Berufen, sie alle geben Einblick in das gesellschaftliche Leben der alten Hansestadt. Das Skizzenbuch ist mehrfach reproduziert worden, so 1937 in einer bibliophilen Ausgabe des Insel-Verlages. Heute befindet sich das Original in der Staatlichen Sammlung Preußischer Kulturbesitz in Berlin.

Die Stimmung in Danzig war seinerzeit nicht gerade "fritzisch", insbesondere die Kaufmannschaft fürchtete um ihre einträglichen Geschäfte. Keinen Zweifel ließ jedoch Chodowiecki an seiner preußischen Gesinnung aufkommen. Während eines Besuches bei dem Fürstprimas Graf von Podoski, der seinen Sitz vorübergehend nach Danzig verlegt hatte, wo er die reichlich fließenden Subsidien mit Behagen verschmauste, kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem Arzt Dr. Wolff. Dieser ließ sich zu der Aussage hinreißen, er möchte lieber ein Schwein sein, als ein Untertan des Preußenkönigs. Mit lauter Stimme entgegnete Chodowiecki, daß er die Eigenschaften eines Schweines lieber denen überlasse, welche nicht den Mut haben, preußische Untertanen zu sein.

Mit der Ernennung zum Vizedirektor der Preußischen Akademie der Künste und im Jahre 1797 zum Direktor derselben, fanden die Leistungen des liebenswürdigen Meisters ihre gebührende Anerkennung. Chodowiecki starb am 7. Februar 1801 in Berlin. In dem Nachruf der Akademie heißt es: "Sein Wert als Künstler ist allgemein bekannt, daß er auch ein sehr edler und wohltätiger Mann war, wissen nur seine näheren Freunde."