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10.02.01 Polen: Lücke im Gesetz

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. Februar 2001


Polen: Lücke im Gesetz
Auch für Deutsche Chance auf Entschädigung?

Der polnische Senat hat das vom Sejm verabschiedete Entschädigungsgesetz für die Opfer kommunistischer Enteignungsmaßnahmen (Das Ostpreußenblatt berichtete) bestätigt, mit Ausnahme der umstrittenen Bedingung, derzufolge nur anspruchsberechtigt sein soll, wer am 31. Dezember 1999 polnischer Staatsbürger gewesen ist. Der geänderte Gesetzentwurf liegt nun wieder dem Sejm zur nochmaligen Abstimmung vor.

Das Abstimmungsverhalten im Sejm gilt derzeit als offen. Doch selbst wenn das Gesetz eines Tages mit der umstrittenen Staatsangehörigkeitsregelung in Kraft tritt, könnte es zumindest für viele Spätaussiedler noch einmal interessant werden, denen die polnische Staatsangehörigkeit aufgrund des "Gesetzes Nr. 37/56 zur Genehmigung des Wechsels der polnischen Staatsangehörigkeit für deutsche Rückkehrer" entzogen worden ist. Das Gesetz vom 16. Mai 1956 wurde seinerzeit aufgrund damaliger Vereinbarungen zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland vom polnischen Ministerrat verabschiedet, nicht aber veröffentlicht. Gesetzesveröffentlichungen sind indessen für deren Rechtskraft (nicht nur in der Bundesrepublik) maßgeblich.

Nach Angaben der polnischen Zeitung "Rzeczpospolita" hat das polnische Oberverwaltungsgericht (Najwyszy Sd Administracyjny) am 28. Januar 2001 ein Urteil gefällt, das die Legitimität des Verlustes der polnischen Staatsangehörigkeit für die Personen in Frage stellte, welche nach dem 15. August 1962 nach Mittel- oder Westdeutschland übersiedelten. Jenes Gesetz Nr. 37/56 verlor später durch das Gesetz zur polnischen Staatsangehörigkeit vom 15. Februar 1962 seine Gültigkeit. Nach Art. 13 Absatz 1 des neuen Gesetzes konnte man seine Staatsangehörigkeit aber nur verlieren, wenn der polnische Staatspräsident einem entsprechenden Antrag auf Verzicht der Staatsangehörigkeit stattgegeben hatte. Solche Verfahren, so die "Rzeczpospolita", wurden aber bei Aussiedlern nicht praktiziert. Demzufolge sei anzunehmen, daß die nach 1962 umgesiedelten Personen ihre polnische Staatsangehörigkeit nie verloren haben.

Infolge dessen könnten, wenn das Entschädigungsgesetz seine endgültige Fassung erlangt hat, Tausende "polnische" Landsleute unter Umständen einen Entschädigungsantrag für die zwischen 1944 und 1962 erlittenen Konfiskationen stellen. Auch wenn es sich nur um eine 50prozentige Entschädigung handelt, so ist es doch – wenn auch nicht für die Vertriebenen – ein Schritt in die richtige Richtung. Immerhin, dies muß man honorieren.

Doch noch ist die Rechtsstaatlichkeit nicht gewährleistet. Das Entschädigungsgesetz ist noch nicht in Kraft, und auch von Staatspräsident Kwasniewski wird erwartet, daß er mit Kostenbewußtsein an seine abschließende Entscheidung herangehen wird. So bleibt den Spätaussiedlern nur, sich vorerst von einem Rechtsanwalt wegen der eigenen polnischen Staatsangehörigkeit beraten zu lassen, da das zuvor genannte Urteil lediglich ein Urteil zugunsten der in den 70er Jahren ausgesiedelten deutschen Familie S. darstellt und wohl keine Drittwirkung entfalten wird. Bernhard Knapstein