28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.02.01 Aus dem Festvortrag von Prof. Dr. Wolfgang Stribrny

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. Februar 2001


Christentum und Aufklärung
Aus dem Festvortrag von Prof. Dr. Wolfgang Stribrny

Preußen stand von Anfang an im Zeichen der Verbindung des Christentums mit dem Denken der Aufklärung. Dieses Königtum war von Anfang an mit einem besonderen Staatsgedanken verbunden.

Am Vorabend der Krönung, am 17. Januar 1701, stiftete Friedrich in Königsberg den Hohen Orden vom Schwarzen Adler. Der Hausorden der preußischen Hohenzollern war der höchste Orden Preußens. Der Orden wird am orangefarbenen Schulterband getragen. Friedrich wollte damit auf seine Mutter, die oranische Prinzessin Luise Henriette, und auf die Tatsache hinweisen, daß er der Erbe des kinderlosen Königs von England und Prinzen von Oranien Wilhelm III. war.

Wichtig ist die Devise auf dem Ordensstern: SUUM CUIQUE = Jedem das Seine. Der römische Staatsmann und Denker Cicero schrieb: "Justitia in suo cuique tribuendo cernitur" = Die Gerechtigkeit erkennt man daran, daß sie jedem das Seine zuteilt (De finibus 5, 23, 67). Es geht also nicht darum, jedem das gleiche zu gewähren, sondern jedem das ihm Zustehende. Bei Shakespaere heißt es einmal: "Suum cuique spricht des Römers Recht" (Titus Andronicus, 1. Akt, 2. Szene).

Suum cuique ist der oberste Grundsatz des Rechts. In den Statuten des Ordens heißt es: "Der Endzweck unseres Reiches und Ordens" ist es, "Recht und Gerechtigkeit zu üben und jedermann das Seine zu geben … und mit dem suum cuique die allgemeine Unparteilichkeit anzudeuten." Suum cuique wird hier mit "Gerechtigkeit gegen jedermann" übersetzt. Weiterhin ging es in den Statuten um die Verteidigung des christlichen Glaubens gegen die Ungläubigen, Schutz von Witwen und Waisen, einschließlich aller "Gewalt und Unrecht leidenden Leute". (…)

Nicht aus göttlichem Recht, sondern aus dem diesseitigen Lebensgesetz des Gesamtstaates und den Lebensinteressen der Untertanen (…) wurde das Königtum gerechtfertigt. Gedanken der Frühaufklärung und das kalvinistische Amtsverständnis standen dahinter (Kluxen, a. a. O., S. 210 f).

Am 15. Januar war das Königtum durch Herolde den Königsbergern feierlich im Schloßhof, vor dem Schloß und vor den drei Rathäusern der damals noch selbständigen Städte Altstadt, Kneiphof und Löbenicht proklamiert worden.

Friedrich krönte sich – ohne Zuhilfenahme der Geistlichkeit – selbst und krönte anschließend seine Gemahlin Sophie Charlotte von Hannover. Die Selbstkrönung fand im Audienzsaal des Königsberger Schlosses statt (hier im Schloß wurde Friedrich I. 1657 geboren). Hernach huldigten dem König seine (ost)preußischen Stände – nach damaligem Verständnis die Volksvertreter. (…)

Zur Huldigung der Stände kam der Jubel der Volksmasse auf dem Schloßhof. Damit drückte sich der Volkswille aus, von dem der brandenburgische Gesandte bei den Verhandlungen mit dem Kaiser in Wien, Bartholdi, sagte: "Der Ursprung aller Herrschaft auf Erden beruhe auf dem Willen des Volkes. Wolle das preußische Volk also den Königstitel, so sei sein Herrscher zur Annahme desselben berechtigt und verpflichtet" (Werner Schmidt, Friedrich I., München 1998, S. 132 f). (…)

Der Krönungsgottesdienst wurde von dem reformierten Hofprediger Ursinus v. Bär und dem lutherischen Hofprediger Bernhard v. Sanden gemeinsam gehalten. Sie waren für die Feier zu Bischöfen ernannt worden. Der reformierte König und die lutherische Königin wollten damit ihren Willen zur Union der beiden evangelischen Bekenntnisse andeuten. (…)

Der Bibeltext der Predigt von Bär (1. Samuel 2, Vers 30) stellt eine ernste Mahnung zur Buße, zur Umkehr dar. Scheitern und Untergang drohen, wenn der König und sein Reich nicht Gott gehorchen. Es geht um die Ehre Gottes, nicht die königliche Ehre und um die selbstlose Sorge für das Gemeinwohl.

Sanden legte dar, daß die Regierung zur Ehre Gottes und zum Besten der Untertanen geführt werden müsse. Regenten müßten in erster Linie wissen, daß sie zum Wohl der Untertanen auf der Welt seien, nicht umgekehrt die Untertanen um der Regenten willen.

Der Gottesdienst fand seinen Höhepunkt in der Salbung an Stirn und Puls durch die Geistlichen. Dazu hatte das Königspaar die Kronen abgelegt.

Es war ein aufgeklärtes Königtum, und die Krone war nicht von der Kirche verliehen worden. Die Frömmigkeit des Königs aber verband Christentum und Aufklärung, die Krönung mit der Salbung. Das preußische Königtum verstand sich als das erste und einzige säkulare Königtum, das die Aufklärung hervorgebracht hat. In seiner formalen Geburtsstunde am 18. Januar 1701 zeigte sich Preußen von Christentum und Aufklärung geprägt. An Wohltaten für die Menge ließ man es nicht fehlen. Goldene und silberne Gedenkmünzen wurden unter das Volk geworfen. Hinter dem Schloß floß bis zum Abend aus zwei Brunnen in Gestalt von Adlern roter und weißer Wein. Ein gebratener Ochse, gefüllt mit Lämmern, Hasen, Gänsen und anderem Geflügel wurde dem Volk gespendet. Ebenso konnte sich die Volksmenge nach den Feiern die Stoffe und die Holzgerüste von den Tribünen im Schloßhof aneignen.

Am Abend zog der König durch die festlich erleuchtete Stadt. (…)

Das Ereignis der Königsberger Krönung 1701 zeigt, daß das neue Königreich auf dem christlichen Glauben und dem Denken der Aufklärung beruhte. Der 18. Januar 1701 ist eine gültige Manifestation preußischen Geistes, keineswegs nur ein barockes Hoffest.

Das Königreich der Hohenzollern setzte in der Verbindung von Christentum und Aufklärung Maßstäbe. Mit dem "Suum cuique", der Gerechtigkeit gegen jedermann, erhob Preußen in seiner Geburtsstunde einen hohen Anspruch, an dem es bis zu seinem Ende (…) gemessen werden soll. Der Krone sollten alle dienen, vom König bis zum Bettelmann. Vor Recht und Gericht, vor dem Gesetz waren alle Preußen gleich. Der moderne Staat zeigt sich in Mitteleuropa zuerst in Preußen – in der Verbindung von Christentum und Aufklärung.

"Man kann Preußen auf der Landkarte streichen – aus der Erinnerung nie; denn wir leben von ihm" (Helmut Pleßner).