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10.03.01 Tausend Tage eingesperrt

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. März 2001


Tausend Tage eingesperrt
Deutsche Spuren in der sowjetischen Luftfahrtgeschichte 
(Willi Fehling)

Die Geschichte der Luftfahrt und der Luftfahrttechnik hatte immer eine Schlüsselfunktion inne, weil sich in ihr alle Bereiche von Wissenschaft und Technik als besonders fortschrittlich zeigten. Verfolgt man diese Entwicklung, drängen sich Vergleiche mit der Gegenwart geradezu auf. Und es zeigt sich, wie Geschichte gedreht und gewendet wird; ein naheliegendes Beispiel ist hier die Wehrmachtsausstellung, in der sich der ganze Nonsens einer Geschichtsdarstellung zeigt, wenn Historiker oder solche, die sich so nennen, ideologisiert zu Lügnern und Fälschern werden. In Mitteldeutschland regiert bis zum Ende der Moskauer Satrape, der DDR, ein Geschichtspapst, Olaf Gröhler, der es mit Verdrehungen und Wendungen immer schaffte, Geschichte gegen Deutschland und die Deutschen zu schreiben. Merkwürdig, daß man seine Sprache heute in der Sprache von Historikern wiederfindet, im vereinigten Deutschland, wenn es um den Geschichtsrevisionismus geht.

Wenn es um deutsche Fußspuren in der Entwicklung von Wissenschaft und Technik in Sowjetrußland geht, werden diese entweder geleugnet oder relativiert. Dabei lassen sich für das Gebiet der Entwicklung der sowjetrussischen Produktionskultur seit 1922 mehrere unübersehbare Innovationsschübe, besonders in der damaligen Hochtechnologie, der Luftfahrttechnik, feststellen. Kennzeichnend für den Schub von 1939 bis 1941 ist die geradezu ungeheure Vergrößerung der Umsetzung von durch Deutschland und Deutsche erlangte Erkenntnisse gegenüber der vorangegangenen Zeit. Als Folge des Wirtschaftsvertrages im Rahmen des Hitler-Stalin-Paktes von August 1939 tummelten sich bis kurz vor Kriegsausbruch im Juni 1941 Abertausende sowjetische Spezialisten als Aufklärer der sowjetischen Geheimpolizei in Deutschland. Das Deutsche Reich öffnete ihnen bis zum Ende des Jahres 1940 nicht nur sein wis- senschaftlich-technisches Hauptbuch. Den Sowjets wurde sogar der Luftschutzbunker des Reichsmarschalls Hermann Göring gezeigt.

Auf dem speziellen Gebiet der Luftfahrttechnik begann die Zusammenarbeit der Russen mit der Firma Junkers Flugmotoren- und Flugzeugbau, die in Fili bei Moskau einen Konzessionsbetrieb errichtete, wodurch die Sowjets tiefe Einblicke in die Technik und Technologie des Flugzeugbaus bekamen. Dort arbeitete auch der Ingenieur Andrej Tupolew, der spätere Generalkonstrukteur Stalins. Die von ihm und anderen dort entworfenen Flugzeuge trugen die technologische Handschrift von Hugo Junkers, Claude Dornier und anderen. Dabei haben die Sowjets immer da, wo es sich als möglich erwies, auf den reinen sklavischen Nachbau verzichtet. Sie wären bereits 1925 in der Lage gewesen, Junkers Flugzeuge nachzubauen, weil sie alle dazu notwendigen Papier von Aufklärern hatten entwenden lassen. Es entstanden aber andere Flugzeuge, wie die ANT 2, TB 1 und die ANT 6, die auch als Fernbomber bekannte TB 3. Letzterer wurde in 818 Exemplaren bis in die Mitte der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts ständig weiterentwickelt und auch in geringer Stückzahl für zivile Zwecke modifiziert.

Am augenfälligsten wurde die deutsche Vaterschaft an den modernen Flugzeugentwicklungen im Vorfeld des Kriegs zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion, als Stalin erkannte, daß seine Massenproduktion relativ veralteter Flugzeuge wegen der geringen Produktionskultur ihm nicht die freie Hand bei der Schmiede seine Kräfte zur Luft gegeben hatte. Er trieb seine Konstrukteure zu höchsten Leistungen an. Sein Konstrukteurwunder Tupolew sperrte er eintausend Tage in den Gulag, wo er sich durch die Konstruktion eines sehr fortschrittlichen Bombers und Schlachtflugzeuges, der Tu 2, freikaufte. Andere Konstrukteure, so Alexander Jakowlew und Sergej Iljuschin orientierten sich an Beuteflugzeugen aus dem spanischen Bürgerkrieg, zum Beispiel an der Messerschmitt Bf 109, und entwickelten fortschrittliche Flugzeugzellen mit zum Teil nicht ausreichender Motorisierung, fehlender moderner Geräteausstattung und ohne Funkausrüstung, weil das die Rüstungsindustrie Stalins noch nicht hergab. Gerade deswegen war der Augenschein, den die Sowjets von 1939 bis 1941 gewinnen und umsetzen konnten, für sie vergleichbar mit der Möglichkeit, einen ganzen Generationssprung nicht nur in der Luftrüstung zu vollziehen. Von 1939 bis 1941 kauften die Sowjets in Deutschland moderne Flugzeuge und Ausrüstungen für die Luftfahrtindustrie im Werte von einer Milliarde Reichsmark, die überwiegend auch pünktlich ausgeliefert wurden. Vom Erwerb anderer Hochtechnik und Hochtechnologie gar nicht zu reden. Durch die Ausbildung Tausender in deutschen Betrieben, teils an sensibelster Technik, also durch den Gewinn von Know-how, wie man heute sagt, hinterließ die deutsche Wissenschaft und Technik in der Sowjetunion unmittelbar vor dem Krieg tiefe Fußspuren. Akademik Jemeljanow berichtete in seinen Lebenserinnerungen, daß er flehentlich gebeten wurde, so lange es ginge, an Siemens-Martin-Öfen im Ruhrgebiet zu arbeiten, um den Geheimnissen der Erschmelzung hochlegierten Stahls auf die Sprünge zu kommen.

Den größten Gewinn an wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen bekamen die Sowjets durch Reparationen nicht nur aus der Sowjetzone, sondern auch durch andere Entnahmen. Vor allem aber durch die Deportation von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Arbeitern als Zwangsarbeiter und Arbeitssklaven in die Sowjetunion nach Ende der Kriegshandlungen mit Deutschland. Dazu kamen diejenigen, die zur Zwangs- und Sklavenarbeit aus den Kriegsgefangenenlagern ausgesiebt wurden, und die Millionen, die von ihren Arbeitsplätzen in Deutschland per Schub in die Sonderarbeitslager Stalins geleitet wurden, weil sie einerseits in Deutschland hohe Fachqualifikationen erlangt hatten, andererseits aber Gift für die Lügengebäude Stalinscher Geschichten über Deutschland gewesen wären.

Der Stalinsche Gewinn an materiellen Mitteln bestand in der Errichtung von neun Flugzeugwerken modernsten Zuschnitts aus Reparationen der Sowjetzone, darunter in Charkow und dem früheren Leningrad, sowie von Motorenwerken in Rybinsk, Saporoschje und Leningrad. Wir vergessen hier die Gewinn-Mitnahmen aus der Tiefe und Breite der deutschen Produktionskultur.

Durch die Reparationen sind Mitteldeutschland mehr Schäden entstanden als durch den Land- und Luftkrieg. Der Gewinn wurde auch aus der Atomforschung, aus der Chemie, aus der Raketentechnik und besonders aus der Optik gezogen.

Jetzt erschien beim Verlag Mittler & Sohn ein aufsehenerregendes Buch, daß viele Ansichten über den Zusammenhang zwischen deutscher und sowjetrussischer Entwicklung auf dem Gebiet der Luftfahrt und der Luftfahrttechnik verwirft. D. A. Sobolew schreibt über "Deutsche Spuren in der sowjetischen Luftfahrtgeschichte" und weist unter Bezug auf neue Quellen ehemals sowjetischer Archive geradezu aufregend nach, welchen Nektar Stalins Wirtschaft und Technik in Deutschland über einen langen Zeitraum gefunden hat. Er revidiert, wie andere, die in Deutschland bestimmenden Ansichten, wenn auch zu erkennen ist, wie sehr er in Teilen dem Denken anhängt, das er in Rußland studiert und ganz natürlich auch in der sowjetischen Geschichtsbetrachtung Wurzeln hat.

In Rußland fliegt seit einiger Zeit "Berkut", der Königsadler. Er hat nach vorn gepfeilte Tragflügel. Diese Tragflügelform und dazu das Flugzeug entwickelte Hans Wocke bei den Junkers-Flugzeugwerken in Dessau ab 1943. Es flog als Ju 287 V 1 1945 und wurde samt Entwicklungsmannschaft deportiert, in der Sowjetunion erprobt und weiterentwickelt. Die deutschen Fußspuren des Konstrukteurs Hans Wocke von Junkers und der Schatten des Versuchsflugzeuges aus dem Jahr 1945 überdecken den "Königsadler".