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17.03.01 Besorgniserregende Hinweise auf "Resowjetisierung"

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. März 2001


Gedanken zur Zeit:
Das "neue" Rußland und seine Hymne
Besorgniserregende Hinweise auf "Resowjetisierung"
von Otto von Habsburg

Die Tage um die Jahreswende 2000 auf 2001 haben in Rußland symbolische Gesten gebracht, die man in den Demokratien wieder einmal nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Es haben daher zahlreiche westliche, gedruckte wie elektronische, Massenorgane übersehen, daß in den Neujahrstagen die Resowjetisierung Rußlands einen sogar für die Bevölkerung durchaus fühlbaren Weg eingeschlagen hat. Ausdruck dessen war, daß Präsident Putin dem Land eine neue Hymne gegeben hat in einer Zeremonie, die die militärische Natur des Landes in unübersehbarer Weise klargestellt hat – wenn dies nach dem Tschetschenienkrieg noch eines zusätzlichen Beweises bedurft hätte.

Man wird sich erinnern, daß vor einer Weile mit der energischen Unterstützung des Präsidenten die Duma beschlossen hat, die Hymne der Freiheit abzuschaffen und an ihrer Stelle die alte Sowjethymne einzubringen, die der Komponist Aleksander Aleksandrov im Jahre 1943 zur Ehre Stalins verfaßt hatte. Gewiß, der Text ist nicht mehr ein und derselbe, aber es ist doch bezeichnend, daß hier wieder unter Berufung auf die russische Tradition auf das Lied des Massenmörders und Tyrannen zurückgegriffen wurde, was zwangsläufig in der Bevölkerung gewisse Erinnerungen wachrufen muß. Es war das ungefähr so, als wenn man in Deutschland Hitlers Horst-Wessel-Lied, wohl mit einem geänderten Text, aber immerhin zum offiziellen Lied des Staates bestimmt hätte. Da wäre doch in der ganzen Welt ein Sturm des Protestes ausgebrochen. Im Fall von Putin hingegen herrschte verständnisvolles bis verlegenes Schweigen, wo man doch, was Massenmord betrifft, wenig Unterschied zwischen Hitler und Stalin machen kann, was selbst die westlichen Bewunderer Putins wissen sollten.

Nicht weniger bezeichnend ist der Text. Gewiß preist niemand mehr Stalin, ja man nennt sogar nicht einmal die Sowjetunion, nachdem das vielleicht doch noch im Westen ein mildes Erstaunen hervorgerufen hätte. Die Diktion aber ist typisch nationalsozialistisch, so wie es seinerzeit auch dem "braunen Mann" gefallen hat. Man muß sich nur die damaligen Gedichte und Lobgesänge in Erinnerung rufen, um beim Lesen des neuen russischen Textes die Parallelen zu den zwölf Jahren des "Tausendjährigen Reiches" zu finden. Es ist auch hier der klare Beweis erbracht worden, wie sehr heutzutage der nationale Sozialismus und Imperialismus aus früheren Zeiten in Rußland wieder zu neuem Leben erwacht sind. Das erinnert an ein Buch, das noch vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion durch ein Mitglied der Führung der bulgarischen Kommunistischen Partei geschrieben wurde. In diesem wurde mit erstaunlicher Klarsicht gesagt, daß der russische Sozialismus seinem Ende entgegensehe. Man dürfe aber, so der Autor, nicht vor dieser Gefahr kapitulieren, sondern müsse sich im Gegenteil bereit machen, den politischen Teil des Regimes und damit die Macht der Nomenklatura zu erhalten. Zwar könne man den Unterbau in der Wirtschaft durchaus im Sinne der Marktwirtschaft verändern, doch das totalitäre System müsse in reformierter Gestalt bestehen bleiben.

Hier hat der Bulgare darauf hingewiesen, daß dies dem System des Nationalsozialismus unter Hitler entspreche, wo man auch eine Diktatur und ein Einparteiensystem schaffen konnte, aber gleichzeitig den Unterbau in der Wirtschaft weiter in einem relativ liberalen System beließ. Man solle daher die Produktivität trotz Beibehaltung der Diktatur halten, ja sogar erhöhen, was im alten sowjetischen System undenkbar gewesen wäre. Man sollte solche Entwicklungen wie die der Neujahrstage 2000 auf 2001 im Westen weit ernster nehmen, als man es tatsächlich tut.