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24.03.01 Schlösser und Herrenhäuser in Ostpreußen: Stationen einer Krönungsreise

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. März 2001


"Männerwirtschaft ist gar nicht gut"
Schlösser und Herrenhäuser in Ostpreußen: Stationen einer Krönungsreise
(Wulf Wagner)

Die Krönung Kurfürst Friedrichs III. 1701 in Königsberg machte seine Geburtsstadt für Wochen zum Mittelpunkt europäischen Interesses und bedeutete für die Stadt eine lange Reihe von glänzenden Festen, deren Höhepunkt die Krönung im Königsberger Schloß am 18. Januar 1701 war. Nur hier in Altpreußen war es dem Kurfürsten möglich, sich die Krone aufs Haupt zu setzen, denn das Herzogtum Preußen gehörte nicht zum kaiserlichen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Damit kommt jenem alten Preußen – und nur hier waren die preußischen Könige ja zunächst Könige, in Brandenburg blieben sie Kurfürsten – eine besondere historische Bedeutung zu. Das spätere Ostpreußen gab dem Gesamtstaat Preußen seinen Namen. Die Ausstellung zeigt Höhepunkte preußischer Architektur in Ostpreußen, die unmittelbar auf die Erhebung zum Königreich zurückzuführen sind. Die Schlösser und Herrenhäuser des 18. Jahrhunderts in Ostpreußen spiegeln preußische Geschichte im kleinen wie im großen lebendig wider. Die Ausstellung zeigt anhand weitgehend bisher unveröffentlichter Zeichnungen, alter Fotos und Beschreibungen dies Verwobensein jedes einzelnen Hauses und jeder einzelnen Familie mit dem preußischen Staat und seinem Geist.

Der nachmalige König Friedrich I. zeigte zeit seines Lebens ein besonderes Interesse an seinem Herzogtum und späteren Königreich Preußen. So ließ er in der Nähe Königsbergs die Jagdschlösser Grünhoff und Friedrichshof, das spätere Groß Holstein, errichten, die auch im weiteren Verlauf der Geschichte immer wieder ins allgemeine Bewußtsein gerückt wurden: Grünhoff, als es 1815 durch König Friedrich Wilhelm III. dem General Friedrich Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz als Dank für seine Verdienste im Krieg gegen Napoleon geschenkt wurde und damit bis 1945 wertvolle Erinnerungsstücke an die Befreiungskriege barg. Oder Groß Holstein, das zunächst an die Herzöge von Holstein-Beck fiel und dessen spätere Besitzerin als Ober-Hofdame in Weimar mit Goethe verwandt war und sich bei ihren Holsteiner Untertanen großer Beliebtheit erfreute. Die Ausstellung zeigt daher Stationen der Geschichte jener Königsschlösser, die bis in die Gegenwart reichen. Neben diesen frühen Jagdschlössern richtete sich des Königs Augenmerk auch auf den Umbau des Königsberger Stadtschlosses aus der Ordens- und Herzogszeit, das er – wie auch das Stadtschloß in Berlin – zu einem großen Barockbau umzuformen plante. Wenn auch diese Planungen nicht vollendet wurden, so war das Königsberger Schloß als Ort der Krönung und als Ort, wo die Fäden der Verwaltung des Staates zusammenliefen, eines der bedeutendsten Bauwerke preußischer Geschichte.

Neben seinen eigenen Bauten inspirierte Friedrich I. durch sein Vorbild besonders zahlreiche der bedeutendsten Familien des Landes zum Bau größerer Schlösser. Diese Landschlösser wurden von Personen errichtet, die hohe Stellungen im Staat und im Heer bekleideten und die in einem nahen Vertrauensverhältnis zum Kurfürsten- und Königshof standen. In Fuchshöfen erhob sich über dem Ufer des Pregel das Schloß des Paul Frhr. v. Fuchs, des "ersten Außenministers und auch des ersten Kulturministers Brandenburg-Preußens", der den Griff zur Krone auf dem Wege der Diplomatie mitgestaltete und dessen Güter später als eine der großen Ausnahmen immer in der weiblichen Linie vererbt wurden, "weil Männerwirtschaft manchmal gar nicht so gut ist". So waren Alexander Graf zu Dohna, Bauherr von Schlobitten, und Albrecht Conrad Graf Finck von Finckenstein, Erbauer Finckensteins, Erzieher des Thronerben Friedrich Wilhelm I. Schlobitten, Finckenstein, Schlodien und Waldburg-Capustigall überragten in ihrer Größe und kostbaren Ausstattung bei weitem die einfachen Herrenhäuser des Landes. Immer wieder standen diese Häuser im Blickpunkt preußischer Geschichte, so Finckenstein, als Napoleon 1807 über einige Monate von hier Europa regiert; und immer wieder kehrten auch preußische Könige und Königinnen auf ihren Reisen nach Königsberg hier ein, so hat König Wilhelm I. im Jahre 1861 die Nacht vor seiner Krönung in Waldburg-Capustigall verbracht. Die Ausstellung zeigt Höhepunkte der Raumausstattungen jener Schlösser und stellt anhand der Bauherren und Bewohner die Verbundenheit jener Güter mit der preußischen Geschichte her.

Diese Landschlösser standen in einer Umgebung, in der im 18. Jahrhundert vor allem kleinere Herrenhäuser vorherrschten, so daß die Ausstellung sich besonders auch diesen Häusern zuwendet. In diesen kleinen Gutshäusern spiegeln sich die preußische Geschichte und preußischer Geist am greifbarsten wider. Jedes dieser Häuser erlebte den glanzvollen Aufstieg und den verheerenden Untergang Preußens, dessen unverheilte Wunden sich vor allem im nördlichen, heute russischen Teil Ostpreußens, bis zum heutigen Tag gerade an diesen Häusern zeigen! Wir lernen Häuser von hohen Generälen und hohen Staatsbeamten kennen, Häuser, in denen der Königsberger Philosoph Kant Hauslehrer war und in denen der Kaiser zur Jagd weilte. Das Gutshaus in Tharau zeigt, wie sich ein Gutsherr durch seine eigenen Entwürfe eines der bezauberndsten und bekanntesten Dörfer Ostpreußens schuf. In Schettnienen spukten gleich zwei Geister. In Abbarten schuf sich ein von Friedrich dem Großen abgesetzter General ein Haus, in dem er seine militärischen Erfolge dargestellt wissen wollte. In Ripkeim ließ der bedeutende Oberpräsident Ost- und Westpreußens Leopold Frhr. von Schrötter ein großes Herrenhaus durch den Baumeister David Gilly erbauen. In Groß Kuglack zeigt sich die Mühe des Landlebens, das Ringen um jede neue Ernte und die Arbeit der Kultivierung des Landes in einem Haus, das der Familie des Staatsmannes Theodor Gottlieb von Hippel gehörte, der den bekannten "Aufruf an mein Volk" für Friedrich Wilhelm III. schrieb und der das preußische Wort "Mehr sein als scheinen!" prägte. Dieser Wahlspruch zeigt seine Verwirklichung gerade in den schlichten kleinen Gutshäusern Ostpreußens und dem Alltagsleben seiner Bewohner. Die Ausstellung gibt Einblicke in die Wohnkultur, das einfache Leben in jenen Häusern und insbesondere in Episoden der Geschichte jedes einzelnen Hauses und seiner Familien. Einzelne Personen werden mit ihrem Leben und Wirken vorgestellt.

In allen drei Gebäudegruppen, in den Schlössern des Königs, den Landschlössern des hohen Adels und den kleinen Gutshäusern der Junker auf dem Land, drückt sich die Haltung Preußens zur Welt aus – all diese Häuser brachten Menschen hervor, die am Aufstieg Preußens nach der Krönung 1701 mitwirkten, sie alle waren Stationen einer Krönungsreise, indem sie teilhatten am preußischen Staat, in Verwaltung, Heer und Kultur und in ihrer direkten Verbindung und teilweise auch Freundschaft zum Haus der Hohenzollern.

Die Ausstellung basiert auf der Forschungsarbeit von Wulf D. Wagner, aus der hier nur ein sehr kleiner, aber vielseitiger Ausschnitt zum 18. Jahrhundert gezeigt werden kann. Bilder aus der Zeit vor 1945, Grundrißrekonstruktionen mit Möblierung, die ein geistiges Durchwandern der Häuser ermöglichen sollen, sowie schriftliche Zeugnisse geben Auskunft von der im 18. Jahrhundert trotz Pest und zahlreicher Kriege – die über Ostpreußen stärker als über die anderen preußischen Provinzen hinwegzogen – geschaffenen reichen Bau- und Wohnkultur.

Die hier gezeigten Häuser sind 1945 und danach fast alle zerstört worden. Daß die Ausstellung in dem noch nicht fertig restaurierten Renaissanceschloß Demerthin gezeigt wird, weist darauf hin, daß wir auch in Brandenburg eine hohe Anzahl noch erhaltener, aber vom Verfall bedrohter Gutshäuser haben, die jedes für sich ein bedeutender Teil der Kultur und Geschichte ihrer Region, aber auch der ganzen preußischen Geschichte sind, da aus ihnen die Träger des Staates hervorkamen und wirkten. So mag der Blick auf die verlorene Kultur Ostpreußens den Blick dafür schärfen, daß wir die Reste preußischer Kultur und Geschichte in Brandenburg mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften bewahren sollten.