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31.03.01 Rechts, links, Mitte – paßt das Schema noch?

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. März 2001


Parteien:
Rechts, links, Mitte – paßt das Schema noch?
Versuch einer Deutung / Von Friedrich Carl Albrecht

In dem ersten französischen Convent nach der Revolution von 1789 saßen die Revolutionäre aus der Sicht des Redners links, die Aristokraten und "Reaktionäre" rechts. Die damals rechts Sitzenden wurden dann – soweit sie nicht in das Heilige Römische Reich Deutscher Nation oder in die Schweiz entkommen konnten – umgebracht.

Alle Parlamente der westlichen Welt haben hinfort diese Sitzordnung übernommen, mit Ausnahme der USA. Hier sitzen die Demokraten als die länger bestehende Partei rechts.

Über kaum irgend etwas gibt es solch irreführende Vorstellungen wie über das Links und Rechts in der Politik. Nach diesen Vorstellungen stehen Unternehmer rechts, Gewerkschaftler links, "Reaktionäre" rechts, "Fortschrittliche" links, Romantiker rechts, Intellektuelle links, religiöse  "Fundamentalisten" rechts, Freigeister links, Hitler, die NSDAP und deren Anhänger rechts, deren aktive Antipoden links. Wer nach diesem Schema nicht einzuordnen ist oder von jeder Seite etwas hat, steht in der "Mitte", hier könnte man sagen: wer öfter das "einerseits und andererseits" anführt.

Schon in der Placierung der NSDAP zeigt sich die Brüchigkeit dieses Schemas. Diese Partei begann links, war dann aber später eher eine "Partei der Mitte". Sie entstand aus verschiedenen, vorher sehr divergierenden Strömungen – aus Sozialisten, aus Völkischen und aus einem Teil der Jugendbewegung.

In den zwanziger Jahren lag ihr Schwerpunkt auf der linken Seite, während der Jahre der Wirtschaftskrise infolge der Verarmung des Mittelstands eher auf der rechten Hälfte, danach durch die Masseneintritte ehemaliger Sozialdemokraten und Kommunisten ziemlich gleichmäßig über das sogenannte Spektrum verteilt.

Göring könnte man rechts placieren, Bormann, Goebbels, Ley und die meisten Gauleiter auf jeden Fall links. Zu dem Klientel dieser Partei zählten Patrioten, Bauern, denen Anfang der dreißiger Jahre das Wasser am Halse gestanden hat, ehemalige Nationalliberale, große Teile des infolge von Inflation und anschließender Depression ausgelaugten Mittelstandes sowie viele Menschen mit sozialistischen Vorstellungen.

Die Liberalen standen erst auf der linken Seite, schwenkten dann später mehrmals hin und her und teilten sich Ende der 1860er Jahre in Nationalliberale und Freisinnige Demokraten; letzteren entspricht die heutige FDP. Ihr Standort, besser gesagt, ihre politische Linie, richtete sich nach der Sicherheitslage. War die Zeit relativ sicher und stabil, so kritisierten sie die Institutionen des Staates und strebten eine Entstaatlichung bis an den Rand der Anarchie an. Waren aber die Zeiten unsicher wie 1919/1920 oder 1933 oder 1945–48, so flüchteten sie unter den Schutz der konservativen Ordnungsmächte. Auf die mentale Befindlichkeit der Mitglieder und Anhänger liberaler Parteien paßt der Spruch:

Der Eiertanz wird da geübt,  wo man das Ja und Nein nicht liebt, und wo man kennt den hohen Reiz des einerseits und andererseits.

Schwierig wird es bei dem Wort konservativ, gerade heute. Was soll man konservieren? Die Medienherrschaft? Die Parteienherrschaft? Die Canossa-Haltung der deutschen Außenpolitik? Leider hat hier bisher niemand eine für unsere Zeit passende Vokabel gefunden.

Im Grunde sind die Begriffe links, mitte, rechts ein Ausdruck des Parteienstaates oder, besser gesagt, eines politischen Systems mit stehenden politischen Parteien. Hier werden die anstehenden Aufgaben und Fragen nicht pragmatisch und sachlich behandelt, sondern unter den Gesichtspunkten des Parteiinteresses. Schon infolge der Macht der Parteien bei der Kandidatenaufstellung, sei es im Wahlkreis oder auf der Liste, sind die Abgeordneten an die Fraktionsdisziplin, ja an den Fraktionszwang gebunden.

Daß im Artikel 38 des Grundgesetzes steht: "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen", ist dabei belanglos.

Der ehemalige Bundesminister der Finanzen Apel hat das sinngemäß und sehr zutreffend so ausgedrückt: "Wenn ich noch Abgeordneter wäre, dann müßte ich meinen Nachfolger an jedem Tage für unfähig erklären, obwohl ich weiß, daß das nicht stimmt." Vor unseren Augen entartet die Parteiendemokratie täglich mehr zu einer Oligarchie, an deren Ende möglicherweise die nächste Diktatur der Volkstribunen stehen wird, bei der Beibehaltung der Fassade einer Demokratie (= Volksherrschaft).

Es hat in früheren Jahrhunderten Landesvertretungen im deutschen Sprachraum und in Skandinavien gegeben, in denen es keine stehenden Parteien gab, wo sich aber kurzlebige Parteiungen aus einer Sachfrage ergaben. Bei einer anderen Sachfrage war dann die Konstellation meistens eine ganz andere. Die Wirklichkeit des Lebens wird uns eines Tages zwingen, zu solchen Formen zurückzukehren, sie wieder zu beleben.

Wenn man sich darüber im klaren ist, daß die überkommenen Begriffe aus dem 19. und 20. Jahrhundert der heutigen Situation nicht mehr entsprechen, so müßte man Rechts und Links wie folgt definieren:

Rechts bedeutet Bindung an die Zehn Gebote, an die von Gott gesetzten Ordnungen wie Ehe, Familie, Volk, Heimat und Sitte, Rechts bedeutet das Bekenntnis zum Vaterland, in das man vom Schicksal gestellt ist, Rechts bedeutet eine an dem Evangelium orientierte Haltung des Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen und umgekehrt ein williger Dienst des Untergebenen gegenüber seinem Vorgesetzten. Die rechts Stehenden sollten keine Hemmungen haben, sich als solche zu bezeichnen!

Links bedeutet: möglichst wenig Bindungen, Freiheit von den Fesseln der Religion, eine skeptische Haltung gegenüber gewachsenen Ordnungen, eine mehr kosmopolitische Einstellung, im konkreten Fall erst Weltbürger, dann vielleicht Angehöriger einer Nation.

Man könnte diese Aufzählungen auf beiden Seiten noch erweitern und ergänzen.

Und nun zur Mitte. In Matthäus 5, Vers 37 steht: "Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel." Irgendwann sollte sich jeder Mensch entscheiden, ob er rechts oder links steht. Diejenigen, die sich nicht entscheiden können, diejenigen, die sich nie zu einer Sache bekennen wollen, diejenigen, deren Grundhaltung der Opportunismus ist, bilden die "Mitte".

Aus dem Obigen ersieht der Leser, daß das bisherige Schema der politischen Placierung nicht mehr stimmt, er kann sich auch Gedanken darüber machen, wo alle unsere Parteien heute eigentlich stehen.

Wenn die europäischen Völker im 21. Jahrhundert ein menschenwürdiges Leben führen wollen, dann werden sie Staatsmänner regieren lassen müssen, die diese Bezeichnung verdienen. Diese werden sich an den Notwendigkeiten orientieren, nicht an Parteidogmen und Ideologien. Sie werden rechts stehen.

Revolutionäre Sitzordnung: Das heute übliche Rechts-links-Schema hat seinen Ursprung in der neuen parlamentarischen Platzverteilung im Zuge der französischen Revolution. Unsere Abbildung zeigt die Nationalversammlung am 4. August 1789, drei Wochen nach der Erstürmung der Bastille.

(Kupferstich von Helman nach einer Zeichnung von C. Monnet, Blatt 4 aus "La Révolution Francaise en quinze Tableaux", Paris, 1840)