19.04.2024

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05.05.01 8. Mai – ein Blick zurück

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Mai 2001


Hans-Jürgen Mahlitz:
8. Mai – ein Blick zurück

In diesen Tagen wird bei unseren westlichen Nachbarn gefeiert, wie jedes Jahr: 8. Mai, Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, das ist in Frankreich auch nach 56 Jahren noch ein gesetzlicher Feiertag. Nun gut, immerhin gehörten die Franzosen 1945 zu den Siermächten, also sollen sie feiern – wir müssen ja nicht mitfeiern.

Statt dessen könnten wir die alte Diskussion weiterführen: War dieser 8. Mai aus deutscher Sicht eher Tag der Niederlage oder Tag der Befreiung? Oder beides? Ohne Zweifel ist das deutsche Volk – gemeinsam mit den anderen Völkern – an diesem Tag von einem verbrecherischen Regime befreit worden. Für die Zivilbevölkerung endete mit der Kapitulation der Bombenterror, mit dem die Alliierten das Ende des Krieges erzwingen wollten. Die Soldaten der Wehrmacht brauchten nicht mehr in aussichtslosem Kampf gegen übermächtige Gegner rund um die Uhr um ihr Leben zu fürchten, hatten sogar die Aussicht, vielleicht bald wieder nach Hause zurückkehren zu können.

All dies kann man durchaus als "Befreiung" verstehen. Zum Feiern aber hatten die Menschen in Deutschland an diesem Tag keinen Anlaß: Das ganze Land war total zerstört, die Wirtschaft ruiniert, die Felder verwüstet, Städte und Dörfer lagen in Trümmern, überall herrschte bittere Not. Hinzu kam die "geistige Not" – der Schock über all das Schreckliche, was da im Namen unseres Volkes geschehen war, die deprimierende Erkenntnis, an einem moralischen Tiefpunkt unserer Geschichte angelangt zu sein.

Schlimmer noch: Rund 15 Millionen Menschen im Osten wurden aus ihrer Heimat verjagt, verloren Haus und Hof, Hab und Gut, wurden auf unmenschliche Weise gedemütigt, konnten allenfalls das nackte Leben retten – und drei Millionen von ihnen nicht einmal das: erschlagen, erschossen, aufgehängt, ertränkt, zu Tode vergewaltigt, millionenfacher Mord, großenteils an Unschuldigen, an Frauen und Kindern, war die "Antwort" der Sieger auf den millionenfachen Mord der nationalsozialistischen Verbrecher. Befreiung?

Weiteren 18 Millionen Menschen wurde infolge der Aufstückelung Deutschlands auf die Siegermächte sofort nach dem Untergang des NS-Regimes die nächste Diktatur aufgezwungen, diesmal von den Kommunisten, die der große Sozialdemokrat Kurt Schumacher zu Recht als "rotlackierte Nazis" titulierte. Befreiung?

Und die Soldaten, die den Kampf überlebt hatten: Wer das "Glück" hatte, bald entlassen zu werden, kehrte heim in ein zerstörtes, notleidendes Land, oft in eine Familie, der er längst entfremdet war. Viele Tausende kamen in den ersten "Friedens"-Monaten der Kriegsgefangenschaft um (auch bei den Westmächten!), und Millionen verschwanden in Stalins Lagern; die wenigen, die überlebten, kamen nach Jahren mit schweren gesundheitlichen Schäden zurück. Befreiung?

Ein letztes: Die Mahnung von Franz Josef Strauß, das deutsche Volk müsse endlich wieder den "aufrechten Gang" erlernen, ist immer noch unerfüllt. Teils gefallen wir uns selber im Büßergewand, teils werden wir von interessierter Seite gezielt im Status des ewigen Sünders gehalten – davon, eine "ganz normale Nation" zu sein, sind wir jedenfalls immer noch weit entfernt. Befreiung?

Nein, all das waren neue Lasten, die unserem Volk an diesem 8. Mai 1945 auferlegt wurden. Kein Grund, darüber für alle Ewigkeit nach Schuldigen zu suchen oder in Selbstmitleid zu verharren. Aber erst recht auch kein Grund, "Befreiung" zu feiern.