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05.05.01 Landsmannschaft Ostpreußen weist Vorwürfe des Aussiedlerbeauftragten zurück

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Mai 2001


»Unnötige Irritationen«
Landsmannschaft Ostpreußen weist Vorwürfe des Aussiedlerbeauftragten zurück
Bernhard Knapstein Pressereferat der LO

Erhebliche Kritik mußte jetzt der Bundestagsabgeordnete und Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung Jochen Welt hinnehmen, der mit einer unbedachten Presseerklärung für Irritationen im Verhältnis zu den organisierten Heimatvertriebenen sorgte.

Welt erklärte im Anschluß an eine Reise nach Ostpreußen und Danzig, es sei besorgniserregend, "daß in Teilen der deutschen Minderheit aus den Reihen der Landsmannschaften versucht wird, mit revanchistischem Gedankengut Fuß zu fassen". Solche Initiativen, so Welt, sind "ein Verstoß gegen die 4 plus 2-Verträge, den Freundschaftsvertrag mit Polen und die gutnachbarschaftlichen Beziehungen". Eine Rückfrage der christdemokratischen Abgeordneten Erika Reinhardt an die Bundesregierung offenbarte darüber hinaus, daß deren Antwort die "Mißbilligung sprachlicher Aggressivität und Militanz bei Gebiets(rück)forderungen", die Inhalt eines Arbeitspapiers und eines Grundsatzpapiers "aus den Reihen der Landsmannschaft Ostpreußen" seien, zum Ausdruck brachte.

Bemerkenswert ist dabei, daß Welt die Verknüpfung zwischen Landsmannschaften und rechtsextremistischen Parteien nicht scheut. Bezugnehmend auf "diese Bestrebungen" führte Welt weiter aus, daß bei nachweislichen Kontakten zu rechtsextremistischen Organisationen keine Förderung möglich sei.

Den Versuch von Welt, den Brückenschlag zwischen Vertriebenen und extremistischen Parteien zu ziehen, wies die Abgeordnete Reinhardt zu Recht zurück. Bedenklich erscheine insbesondere, so Reinhardt, daß der Aussiedlerbeauftragte kritikfähige Aussagen aus den Reihen einer Landsmannschaft zum Anlaß nehme, "in einer Art verbalem Rundumschlag allen Landsmannschaften der Vertriebenen revanchistisches Gedankengut zu unterstellen." Für besonders bedenklich erachtete Reinhardt, daß die Bundesregierung den pauschalen Vorwurf zum Anlaß nahm, auf die Bestrebungen der rechtsextremistischen Parteien NPD und DVU hinzuweisen. "Hier wird in bester linker kulturhegemonialer Tradition die Absicht verfolgt, berechtigte Interessen der Vertriebenenverbände durch die Verknüpfung mit extremistischen Randerscheinungen, die mit Landsmannschaften der Vertriebenen nichts zu tun haben, zu tabuisieren", so die Christdemokratin Reinhardt. Die pauschalen Unterstellungen nannte Reinhardt in ihrer Erscheinungsform "hysterisch", sie seien "bei näherer Betrachtung völlig aus der Luft gegriffen!"

Über diesen Punkt hinaus wird Welt aus den Kreisen der organisierten Heimatvertriebenen auch erhebliche Kritik wegen der Verletzung von formaljuristischen Grundsätzen entgegengebracht. So erfolgte die Presseerklärung, welche die Irritationen hervorgerufen hatte, gänzlich ungeprüft. Tatsächlich existiert zwar ein verbandsinternes Grundsatzpapier zum Selbstverständnis und Leitfaden zur Arbeit der Heimatkreisgemeinschaften in der Landsmannschaft Ostpreußen. Dieses Papier ist jedoch nicht durch das höchste und insoweit auch maßgebliche Entscheidungsorgan, die Ostpreußische Landesvertretung, autorisiert. Es ist vielmehr Grundlage eines Meinungsbildungsprozesses, der bei der Landsmannschaft Ostpreußen noch nicht abgeschlossen ist. Dieser Entwurf eines Grundsatzpapiers weist gleich mehrfach auf den "ideellen" Status der Kreisgemeinschaften als "ideelle Gebietskörperschaften" hin, da diese landsmannschaftlichen Gruppen als Ergebnis historischer Entwicklungen die vereinsmäßigen Zusammenschlüsse der Bewohner der 40 ostpreußischen Kreise sind. Ohne diese Zusammenschlüsse wäre es den Vertriebenen heute unmöglich, das früher in den ostpreußischen Städten und Landkreisen gepflegte Kulturgut zu erhalten und die sozialen Aufgaben wahrzunehmen. Eine Tätigkeit, zu der alle Parteien im Deutschen Bundestag die Vertriebenenverbände aufgerufen haben. Dies steht auch im Einklang mit der Verpflichtung des Bundes nach § 96 BVFG.

Aber selbst in dem Entwurf dieses Grundsatzpapiers sind aus der Sicht eines objektiven Dritten als maßgeblichem Beobachter revanchistische und gebietsrevisionistische Ansätze überhaupt nicht enthalten, weder dem Wortlaut noch dem Sinn nach. Geschweige denn sprachliche Aggressivität und Militanz bei Gebiets(rück)forderungen! – Im Gegenteil, das bisher nicht autorisierte Papier fordert die Kreisgemeinschaften sogar auf, sich als "ideelle Gebietskörperschaften" um ein gleichberechtigtes partnerschaftliches Verhältnis mit den entsprechenden polnischen, russischen und litauischen Kommunalverwaltungen zu bemühen und die eigenen Interessen mit der gebotenen Zurückhaltung zu wahren. Die genannten Verträge, die dem deutsch-polnischen Verhältnis eine Basis geben, sind für das gedeihliche Miteinander insbesondere zwischen Vertriebenen und den in den Vertreibungsgebieten heute lebenden Menschen eine Grundlage. Die Landsmannschaft Ostpreußen hat im vorangegangenen Jahr, unterstützt durch den Bund der Vertriebenen, die Bundesregierung mit konkreten Vorschlägen aufgefordert, den Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag zum Wohle des nachbarschaftlichen Verhältnisses zu ergänzen und zu aktualisieren. Eine konstruktive Arbeit, die vom Bundeskanzleramt auch positiv aufgenommen worden ist.

Ein vom BMI erwähntes weiteres Arbeitspapier ist weder irgendwie autorisiert noch Grundlage eines Meinungsbildungsprozesses. Eine Information, die leicht einzuholen war.

Der Abgeordnete Welt muß sich sagen lassen, daß er bei solch schwerwiegenden Vorwürfen in der Öffentlichkeit zuvor die Authentizität, Autorisierung, Aktualität und die Frage der Entscheidungsqualität im Hinblick auf eine verbindliche Rechtsgültigkeit eines Papiers sowie die unmißverständliche politische Aussage einer rechtsgültigen Beschlußfassung prüfen muß, bevor er an die Öffentlichkeit tritt. Besonders bedauerlich und unverständlich ist die Tatsache, daß er an einer Klärung des Sachverhaltes durch Rückfragen bei der Landsmannschaft Ostpreußen offensichtlich nicht interessiert war. Allerdings wird man Welt zugute halten müssen, daß er in seiner Presseerklärung Stichworte aufgegriffen hat, die ihm von der Ministerialbürokratie geliefert worden sind. Die LO ist erfolgreich und unabhängig. Dies gefällt nicht allen Ministerialbeamten.

Das im Grundgesetz verankerte und in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren als "Anspruch auf rechtliches Gehör" (Art. 103 GG) zwingend erforderliche Prüfungsverfahren gehört auch in der Politik nicht nur zum guten Ton. Dort ist es ebenfalls Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips, da Regierungserklärungen einschneidende Wirkungen auf die Rechtspositionen der von den Erklärungen betroffenen Personen haben können. So hat Welt, als Aussiedlerbeauftragter, mögliche Mittelstreichungen mit unbestätigten und im Ergebnis sogar mit unzutreffenden Tatsachenbehauptungen gerechtfertigt. Die hierdurch hervorgerufenen Irritationen waren vermeidbar. Gibt das Grundsatzpapier im Entwurf bereits überhaupt keine Grundlage für die von Jochen Welt gemachte Einschätzung, so wird die Vorgehensweise noch unverständlicher, wenn man be-rücksichtigt, daß die Landsmannschaft Ostpreußen in ihren rechtswirksamen Beschlüssen und führende Repräsentanten der Landsmannschaft in ihren Vorträgen zur grenzüberschreitenden Arbeit in vielen Publikationen ausführlich Position beziehen. Hier hätte man nur z. B. im Ostpreußenblatt, Deutscher Ostdienst, in der vom BMI herausgegebenen Broschüre "Info-Dienst Deutsche Aussiedler" vom August 2000 und in der Broschüre der Landsmannschaft Ostpreußen zum Kommunalpolitischen Kongreß 2000 nachlesen brauchen, um sich der rechtlichen und politischen Standortbestimmung der Landsmannschaft in der täglichen Arbeit zu vergewissern. Leider sind die aussagekräftigen Dokumente ebenso wie die bereits bestehenden Partnerschaftsverträge zwischen ostpreußischen Kreisgemeinschaften als Vertriebenenorganisationen und den russischen bzw. polnischen Gebietskörperschaften nicht herangezogen und nicht gewürdigt worden.

Die Sozialdemokraten führen seit einigen Jahren mit den organisierten Heimatvertriebenen einen offenen und konstruktiven Dialog. Dieser Dialog nimmt Schaden, wenn ein solcher politischer Stil Schule macht. Darüber hinaus sind die absolut unbegründeten Vorhaltungen von Jochen Welt geeignet, das gute Miteinander zwischen Bundesregierung und organisierten Heimatvertriebenen, um das sich Bundeskanzler Schröder und Bundesinnenminister Schily in substantiierten Grundsatzreden bemüht haben und weiterhin bemühen, deutlich zu unterlaufen.