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19.05.01 Blick in die Presse – was andere schreiben

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Mai 2001


Blick in die Presse – was andere schreiben

Deutsche Sprache

Die Diskussion der letzten Monate um eine deutsche "Leitkultur" und jüngst um den "Natio-nalstolz" berührt auch die Frage der kulturellen Homogenität und der Akzeptanz kultureller Heterogenität in Deutschland: (...) Wie notwendig ist es, sich einer gemeinsamen kulturellen, nationalen oder sonstigen Identität zu vergewissern (...)? Wie notwendig ist es, insbesondere die Neubürger unter den Zuwanderern quasi kulturell zu "domnestizieren?"

Starke Argumente sprechen gegen diese Notwendigkeit. Erstens wird häufig vergessen, daß die kulturelle Differenzierung der deutschen Gesellschaft, die zweifellos die Geschichte der Bundesrepublik kennzeichnet, keineswegs nur auf die Zuwanderung zurückzuführen ist. Auch die "deutsche" Kultur hat sich als äußerst dynamisch erwiesen und unterliegt noch immer einem stetigen Veränderungsprozeß. Zweitens gibt es genau genommen keinen Hinweis darauf, daß die Lebenseinstellungen gerade von Zuwanderern einem gedeihlichen Zusammenleben in Deutschland (...) zuwiderlaufen würden. Auch die "fremdeste" Gruppe der in Deutschland lebenden Arbeitsmigranten, die der Türken, die sich insbesondere durch den muslimischen Glauben von der übrigen Bevölkerung abhebt, hat (...) eine beträchtliche Aufbauleistung erbracht. Bei allen verbleibenden Problemen, die hier nicht in Abrede gestellt werden sollen, bleibt doch festzuhalten, daß problematische Einstellungsmuster wie religiöser Fundamentalismus und damit verbunden die Ablehnung des säkularen Staates die Ausnahme (...) sind.

Allerdings gibt es Grenzen bei der Akzeptanz von Multikulturalität. Die erste ist die vorbehaltlose Anerkennung des Grundgesetzes. Hier liegt aber (...) kein besonderes Problem: Es wäre eben eine unbegründete Anmaßung, davon auszugehen, daß Zuwanderer eine "undemokratische" Kultur in Deutschland etablieren beziehungsweise diese Kultur undemokratischer wäre als die deutsche, die ja selbst keine lange freiheitliche und pluralistische Geschichte aufweisen kann. Gänzlich anders stellt sich die Situation aber beim Thema Sprache dar. Die gemeinsame Sprache ist in einer Gesellschaft, in der ethnische und kulturelle Zuschreibungen für die Bildung einer gemeinsamen Identität nicht mehr taugen, das entscheidende Kriterium für eine notwendige gemeinsame Identität. Obwohl die Sprachkenntnisse von Zuwanderern insgesamt nicht so schlecht sind wie oft angenommen (...), müssen sich Zuwanderer wie Aufnahmegesellschaft hier um eine Verbesserung bemühen. Als Quintessenz läßt sich mithin formulieren: Deutschland verträgt kulturelle Differenz – solange wir miteinander reden können. Prof. Faruk Sen, Zentrum für Türkeistudien in Essen, in der "Welt".