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19.05.01 Angola im Todeskampf

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Mai 2001


Bürgerkrieg und kein Ende
Angola im Todeskampf
von Peter Krayen

Die einstig maoistisch, später aber prowestlich orientierte Befreiungsorganisation Angolas Unitá hat jüngst auf grausame Weise der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, daß in dem westafrikanischen Land am Atlantik seit der Loslösung von Portugal mit kurzen Unterbrechungen ein nicht enden wollender Bürgerkrieg tobt.

Wieder einmal haben die Unitá-Rebellen aus ihren Hauptquartieren im Süden des Landes heraus zugeschlagen und die Stadt Caxito nordöstlich der Hauptstadt Luanda brutal und fast widerstandslos überfallen. Dabei sollen nach Regierungsangaben mehr als 100 Menschen umgebracht worden sein. Angaben von Sprechern mehrerer Hilfsorganisationen zufolge sind von den Rebellen sogar mehr als 150 Personen massakriert worden.

Die Brutalität, mit der die unter dem Oberkommando von Jonas Sawimbi stehenden Rebellen vorgehen, zeigt sich auch daran, daß seit dem Überfall 60 Kinder verschwunden sind, deren sofortige Rückgabe das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) inzwischen gefordert hat. Die Kinder stammten aus einem Kinderdorf einer privaten Hilfsorganisation. Während des Angriffes, bei dem tausende von Bewohnern Caxitos nach Luanda flüchteten, seien auch vier Mitarbeiter von Hilfsorganisationen umgebracht worden, heißt es.

Der Bürgerkrieg hat nach Bekundungen von Experten seit 1975 wahrscheinlich schon mehr als 600 000 Menschen das Leben gekostet. Drastisch ist auch die Zahl der Vertriebenen in dem einst blühenden, fruchtbaren und heute gräßlich verwüsteten Land angestiegen. Schätzungen in Lissabon und bei den UN gehen von rund drei Millionen aus.

Wer 1974, als in Lissabon die portugiesischen Revolutionssoldaten rote Nelken in ihre Gewehrläufe steckten, Gelegenheit hatte, das noch intakte Luanda zu sehen, dem muß angesichts der Not und des Elends im heutigen Angola ein kalter Schauer über den Rücken laufen.

Auf die Frage nach den Schuldigen nennt das heute noch lebende Gründungsmitglied der Befreiungsorganisation MPLA, André Franco de Sousa, auch Portugal: "Alles ging zu schnell, ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten und mit erheblichem sozialistisch-kommunistischen Drall."

Gemeint ist damit auch der nach der Revolution im Mutterland 1975 geschlossene Vertrag von Alvor. Danach sollte es als Übergangsform einen portugiesischen Ministerpräsidenten und Minister aus den Reihen der Befreiungsbewegungen MPLA, FNLA und Unitá geben. Die FNLA existiert heute nicht mehr.

Ohne offensichtlichen Grund zogen sich die Portugiesen bereits im November 1975 aus dem Abkommen wieder zurück: das Chaos war geboren. Die drei Befreiungsbewegungen waren nicht in der Lage, eine Gesamtregierung zu bilden. FNLA und Unitá wollten sich selbständig machen, was aber mißlang. So kam es schließlich, daß die ehedem teilweise moskauorientierte MPLA unter José Eduardo dos Santo alleinvertretend die Regierungsgeschäft in Luanda übernahm – und den seither andauernden Bürgerkrieg in Kauf nahm.

Das hat nun dazu geführt, daß aus dem rohstoffreichen Land mit blendendem Ackerbau und vorzüglicher Viehzucht ein echtes Hungerland geworden ist. Angola als überseeische Provinz galt – neben Südafrika – als eine soziale und wirtschaftliche Trumpfkarte des afrikanischen Kontinents und hätte sich, so sagen Kenner der Materie, in absehbarer Zeit ohnehin auf organische und vor allem friedliche Weise ähnlich dem Beispiel Brasiliens vom Mutterland gelöst.

Selbst einige Führer der Befreiungsorganisationen sehen das inzwischen so. So sagte beispiels-weise schon vor Jahren der frühere Chef der FLNA-Bewegung im Nordosten des Landes, Holden Roberto, er habe zwar keine allzugroßen Sympathien für Portugal, aber man könne den Portugiesen eines nicht absprechen: Sie hätten dem Land zu einer vorzüglichen Infrastruktur verholfen, von der nur noch wenig übriggeblieben sei.

Um so schwerer wiegt, daß Portugal so plötzlich verlassen hat, was es einst aufgebaut hatte. Allein mehr als 140 Krankenhäuser und Krankenstationen gab es noch im Frühjahr 1974. Heute sollen es kaum noch mehr als zwei Dutzend sein. Jedes Dorf hatte mindestens einen Schulraum, und wichtige Straßen hatten einen soliden Teerbelag – nur wer Afrika wirklich kennt, weiß, welch hohen Stellenwert eine geteerte Straße dort besitzt.

Der Bürgerkrieg in dem Land, das Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts Reichspräsident Friedrich Ebert um ein Haar für das Deutsche Reich von den Portugiesen gekauft hätte, hat auch noch einen anderen, nicht unwichtigen Grund: Wie in den meisten afrikanischen Ländern, spielt auch hier die Gegensätzlichkeit der Stämme eine oft entscheidende Rolle. In Angola stehen sich die Kimbundu und die Owimbundu gegenüber. Ein Kimbundu hat aber mit einem Owimbundu etwa so viel gemein wie ein Nordländer mit einem Sizilianer.

Das erklärt manches zusätzlich, wenn man bedenkt, daß Unitá-Chef Sawimbi Owimbundu, Präsident dos Santos jedoch Kimbundu ist. Allerdings, für Waffenhändler aller Schattierungen spielt dies keine Rolle. Ein Ende des schrecklichen Bürgerkrieges ist jedenfalls nicht abzusehen.