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19.05.01 Adeliges Stadtpalais in Itzehoe dient der Kreisgemeinschaft als Kultursitz

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Mai 2001


Juwel der Preußisch Holländer
Adeliges Stadtpalais in Itzehoe dient der Kreisgemeinschaft als Kultursitz

Schon seit langem zieht es Bernd Hinz, Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Preußisch Holland, mehrmals im Jahr von Hürth bei Köln in das holsteinische Itzehoe, wo die Geschäftsstelle der Kreisgemeinschaft ihren Sitz hat. Wenn sich diese Reisetätigkeit in letzter Zeit gemehrt hat, hat dies einen ganz besonderen Grund. Nein, der Rummel in den Containern von "Big Brother" an seinem Wohnort ist ihm nicht zu viel geworden. Vielmehr hat sich Bernd Hinz gemeinsam mit seiner Frau Monika einen ganz besonderen Traum erfüllt. Er ist stolzer Besitzer eines adeligen Stadtpalais unweit des Itzehoer Stadtzentrums.

Doch falsch gedacht, wer jetzt glaubt, Bernd Hinz fühle sich "zu Höherem" berufen. Im Gegenteil! Vielmehr hat er das unter Denkmalschutz stehende Gebäude, das zu den raren architektonischen Perlen der Stadt zählt, als Eigentümer der Kreisgemeinschaft Preußisch Holland zur Nutzung zur Verfügung gestellt.

Viele Besitzer hat das Haus in seiner wechselvollen Geschichte gesehen. Im 18. Jahrhundert errichtet, war es 1791 im Besitz einer Gräfin Christine Sophie Dorothea von Ahlefeldt, geb. von Qualen. Ihre Nachfolger waren der Klosterhofmeister Mohrhagen und später zwei Klosterdamen derer von Blome. Der adeligen Vorgeschichte folgte für ein knappes Jahrhundert eine eher kommerzielle Bestimmung. Weinhändler C. P. C. Struve, der als Hauptmann der Juliengarde eine stadtbekannte Persönlichkeit war, erwarb das Anwesen 1880. Die – man darf annehmen – oftmals heitere Stimmung im Spirituosengeschäft wich anschließend einer Atmosphäre, die wohl oftmals von Angst und purer Panik geprägt war. Ein Zahnarzt nutzte fortan die Räumlichkeiten. Als dieser seine Praxis 1970 aufgab, verkaufte er das Haus an die Stadt Itzehoe. Damit kam eine Zeit der "großen Stille": Die Stadtbücherei zog in das Haus. Doch auch diese Phase sollte nicht von allzulanger Dauer sein: Das noble Haus und der neue Verwendungszweck paßten wohl doch nicht so richtig zusammen, obwohl es im Verwaltungsbericht der Stadt Itzehoe 1970 noch hieß: Damit sei "eine Lösung gefunden worden, zu der man Magistrat und Stadtbücherei nur gratulieren kann." "Auch vom Äußeren her" handele es sich "um ein sehr ansprechendes, der kulturellen Aufgabe der Bücherei adäquates Domizil."

Eine neue Ära des Gebäudes begann, nachdem es in den Jahren 1985/86 umfangreich saniert worden war. Die Stadt stellte es den Heimatvertriebenen als Haus der Heimat zur Verfügung. So konnte 1986 u. a. auch die Kreisgemeinschaft Preußisch Holland einen Raum beziehen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich dieser zu einer repräsentativen Heimatstube. Besonders während des alljährlich stattfindenden Hauptkreistreffens ist sie seitdem besonderer Anziehungspunkt der Preußisch Holländer; ein Ort, an dem sich die aus dem Oberland vertriebenen Landsleute ihrer Heimat ganz besonders nahe fühlen können. Die Heimatstube präsentiert auf 52 Quadratmetern die Vielfalt, Lebendigkeit und den Reichtum des Kreises Preußisch Holland in historischer, kultureller, wirtschaftlicher, sozialer und verwaltungsmäßiger Hinsicht. Sie gliedert sich in die Abteilungen Kreis Preußisch Holland als Verwaltungseinheit, Stadt Preußisch Holland, Stadt Mühlhausen, Kirchspiele des Kreises Preußisch Holland mit den Schlössern und Gutshäusern sowie Kreisgemeinschaft Preußisch Holland und Patenschaften. Stellvertretend für viele besondere Exponate seien erwähnt: die Gründungsurkunde der Stadt Preußisch Holland vom 29. September 1297 als Faksimile (das Original befindet sich in Berlin beim Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz), die Bürgermeisterkette der Stadt Preußisch Holland von 1831, eine original Gedenktafel vom Waldfriedhof in Rossitten, Kreis Preußisch Holland, zu Ehren der Gefallenen von 1866 in der Schlacht gegen Österreich, Tafeln der Kriegerdenkmäler von 1871 und 1914/1918 aus Königsblumenau, die 1986 aus der Heimat mitgebracht wurden, sowie das Modell einer Geneigten Ebene des Oberländischen Kanals, gefertigt von Kurt Quaß. Dazu kommen noch etliche Dinge, die an das tägliche Leben im

Heimatkreis erinnern: Familienfotos, Konfirmationsbilder, Firmenschilder, Gaststättengeschirr, landwirtschaftliche Geräte, Web- und Stickarbeiten usw.

Doch vor einem Jahr schienen die Exponate der Heimatstube einer erneuten "Vertreibung" entgegenzusehen. Dem Haus der Heimat drohte das endgültige Aus. Wie überall landauf, landab in der Bundesrepublik leerten sich auch in Itzehoe die öffentlichen Kassen zusehends. Die Stadt fühlte sich nicht mehr in der Lage, die laufenden Kosten für das Haus der Heimat zu tragen, zumal dringende Renovierungsarbeiten keinen längeren Aufschub duldeten. Ergo, das Haus der Heimat mußte veräußert werden. Kaufinteressenten für das Juwel in lukrativer Lage (nur wenige Minuten von der Fußgängerzone entfernt) ließen denn auch nicht lange auf sich warten. Und auch Bernd Hinz machte sich so seine Gedanken. Allerdings, hatte er wirklich eine Chance gegen die kommerziellen Gebote? Seine Zweifel waren unbegründet. Wenn es noch eines Zeichens für die besondere Wertschätzung der Patenschaft zwischen der Stadt Itzehoe und der Kreisgemeinschaft bedurft hätte, dann darf wohl die Entscheidung, das Gebäude an Bernd Hinz zu veräußern, als dieses gewertet werden. Die Stadt verzichtete somit auf einen erklecklichen Betrag und verkaufte das Haus der Heimat für einen symbolischen Preis; allerdings hieß es nun für Bernd Hinz, die nicht unerheblichen Kosten der Renovierung zu tragen.

Ein gutes Jahr ist seitdem vergangen: Das Haus der Heimat strahlt von außen in neuem Glanze. Und auch innen hat sich allerhand getan: Nach wie vor befindet sich rechts der Eingangshalle die Heimatstube der Preußisch Holländer. Links der Eingangshalle wurde ein dringend benötigter Archiv- und Bibliotheksraum eingerichtet. Die Kreisgemeinschaft verfügt über umfangreiches Material aus deutschen und polnischen Archiven, die im Zuge der seit ungefähr 20 Jahren bestehenden historischen Forschungsarbeiten erworben bzw. gesammelt worden sind. So gehören u. a. zum Archivbestand kopierte Akten aus dem ehemaligen Königsberger Staatsarchiv, jetzt im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Kreisblätter des Kreises Preußisch Holland seit 1833, Verwaltungsberichte der Landräte seit 1879 usw. Blick- und Anziehungspunkt in der 1. Etage ist der neue Festsaal.

In der vormaligen Pommernstube schauen der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck sowie die Landräte des Kreises Preußisch Holland (1818 bis 1945) und die Kreisvertreter der Kreisgemeinschaft (1948 bis 1980) von ihren Ölgemälden auf die zu erwartenden Gäste der kommenden feierlichen Empfänge und Veranstaltungen. Der von Bernd Hinz schmunzelnd als "Empfangssaal des Kreisvertreters" bezeichnete Raum beeindruckt durch seine schlichte Eleganz: Ein Kronleuchter, Parkettfußboden und ein Orientteppich vom allerfeinsten; keine Frage: hier wurde mit Geschmack eingerichtet.

Dies gilt auch für sämtliche Flure. Überall kann man an den Wänden Originallithographien – in vielen Jahren vom Ehepaar Hinz gesammelt – mit heimatlichen Motiven bewundern.

Des weiteren sind in der 1. Etage noch ein Archivraum mit den Arbeitsakten der seit 1948 bestehenden Kreisgemeinschaft Preußisch Holland sowie ein sogenannter Partnerschaftsraum eingerichtet worden. Hier wird die grenzüberschreitende Arbeit der Kreisgemeinschaft seit 1991 dokumentiert. Der Partnerschaftsvertrag mit der Stadt Preußisch Holland von 1998 hat dort ebenso seinen Platz gefunden wie Bilder und Presseberichte, z. B. von der 700-Jahr-Feier der Stadt 1997 und von der Einweihung des restaurierten Steintores wie auch von der Lazarus-Station 1999. Außerdem befinden sich auf dieser Etage noch zwei größere Ausstellungsräume der örtlichen vertriebenen Ostpreußen und Pommern. Noch eine Treppe höher, im Dachgeschoß, stehen der Kreisgemeinschaft zudem ein großer Raum für Vorträge und Wechselausstellungen sowie zwei größere Abstellräume, in denen Exponate für Ausstellungen usw. untergebracht werden können, zur Verfügung.

Neugierig geworden? Wer das Haus der Heimat in Itzehoe – Kultursitz der Kreisgemeinschaft Preußisch Holland e. V. – selbst einmal persönlich in Augenschein nehmen möchte, kann bei der Geschäftsführerin der Kreisgemeinschaft, Frau Collmann, unter Telefon 0 48 21/60 33 64 einen Termin ausmachen. Leider ist das neue Haus der Heimat noch nicht ständig für die Öffentlichkeit zugängig. Doch wer weiß, was noch wird? Auf jeden Fall kann man der Kreisgemeinschaft zu ihrem neuen Kultursitz – und zu ihrem Kreisvertreter Bernd Hinz – nur gratulieren. Seine Initiative zum Erwerb des repräsentativen Hauses dürfte wohl einmalig sein. MM / MH