18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.05.01 Die schwierige Wappensuche im südlichen Ostpreußen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Mai 2001


Rückkehr des Preußenadlers?
Die schwierige Wappensuche im südlichen Ostpreußen
Von Brigitte Jäger-Dabek

Als eine der letzten nach der polnischen Verwaltungsreform will sich jetzt auch die neue Ermländisch-Masurische Wojewodschaft ein eigenes Wappen geben. Nachdem die 49 alten, unseren Regierungsbezirken vergleichbaren Wojewodschaften zu 16 Großwojewodschaften zusammengelegt wurden, entstanden Probleme in der Findung der neuen Identität.

Die neue, einem Bundesland ähnliche Ermländisch-Masurische Wojewodschaft mit Sitz Allenstein umfaßt nun zwar ziemlich genau Süd-Ostpreußen mit Elbing dazu, das hat allerdings für die dort ansässige polnische Bevölkerung für die Identifikation keine große Bedeutung. Die Gebietsreform hatte auch in Ostpreußen zu erbitterten Streitigkeiten geführt, vor allem in den Regionen der aufgelösten Wojewodschaften Elbing und Suwalki. Integration tat also Not, die Schaffung eines neuen Wir-Gefühls.

Ein Wappen, das auf allen Fahnen, Behörden, Dokumenten und Briefköpfen auftauchte, schien dazu gut geeignet, meinte das Wojewodschaftsparlament, als es vor zwei Jahren seiner neu berufenen Heraldik-Kommission den Auftrag zur Fertigung von Entwürfen gab. Ende April stellte nun der Kommissionsvorsitzende Slawomir Sadowski dem Parlament drei von dem Danziger Künstler W. Samp gezeichnete Entwürfe vor. Sadowski war auf eine heiße Diskussion vorbereitet, nachdem er die Entwürfe der von seiner Kommission beauftragten Wissenschaftler Professor Blazej Sliwinski von der Danziger Universität und Professor Stanislaw Achremczyk, dem Prorektor der Allensteiner Universität, gesehen hatte.

Gedacht hatte sich anscheinend niemand etwas dabei, solch einen Entwurf bei Heraldikern in Auftrag zu geben, Probleme in diesem Zusammenhang hatte erst recht keiner vorhergesehen. Offensichtlich hatte auch niemand solche Entwürfe erwartet, die einen mittleren Sturm der Entrüstung im Allensteiner Parlament entfachten.

Wie sahen die Entwürfe der Kommission aus, die solche Emotionsaufwallungen in Gang setzten? Allen drei Entwürfen sind zwei Elemente gemeinsam. Das stilisierte Lamm Gottes mit Heiligenschein und Fahne als Symbol des auferstandenen Christus, der aller Welt Frieden bringt, war in ähnlicher Form von Anfang an Wappen des Bistums Ermland und fand im Parlament breite Zustimmung. Bemerkenswert allerdings, daß die Entwürfe es mit der "heraldischen Courtoisie" nicht so genau nehmen: normalerweise müßten sich nämlich die Köpfe der heraldischen Figuren zugewandt sein.

Doch nicht dies war der Grund für die Meinungsverschiedenheiten. Der Streit entzündete sich am zweiten Element, dem Adler: "Zu wenig polnisch, der muß weiß sein", so lautete der Hauptvorwurf quer durch die Fraktionen. Der beanstandete Adler ist schwarz, so schwarz wie der des Deutschen Ordens und später der Preußens und genauso auf silbernen Grund. Der auffliegende Adler trägt eine Krone um den Hals und ein "S" als Zeichen der Lehnsherrschaft der polnischen Krone. Es handele sich also, so Sliwinski, um das Wappen, welches Polenkönig Sigismund am 10. April 1525 seinem Neffen, dem frischgebackenen Herzog Albrecht, in Krakau überreicht habe, nachdem dieser als letzter Hochmeister den Ordensstaat säkularisiert und in ein erbliches Herzogtum unter polnischer Lehnshoheit verwandelt habe, was bis 1641 so geblieben sei.

Sowohl das Wappen des Bistums Ermland, das gleichfalls lange unter polnischer Oberhoheit gestanden habe, als auch der Wappen-Adler des Herzogtums Preußen hätten also durchaus Verknüpfungen zu Polen.

Trotz dieser nationalpolnischen Interpretation des preußischen Adlers stieß der schwarze Adler im Allensteiner Abgeordnetenhaus auf breite Ablehnung. Darf ein schwarzer Adler in einem polnischen Wappen sein, war die Frage. Besonders die Abgeordneten der linken Kwasniewski-Partei SLD und der rechten Wahlaktion Solidarnosc AWS faßten sich in seltener Eintracht an den Kopf und beurteilten ihn als "zu wenig polnisch".

Er habe nicht die Absicht, sich mit einem deutschen Adler zu identifizieren, sagte der SLD-Abgeordnete Marian Peters der polnischen Presse. Die Kontroverse der Meinungen ging auch quer durch die Parteien. Wojewodschafts-Vizemarschall Irena Peters von der Bauernpartei PSL bestand darauf, im Wappen polnische Farben zu sehen und wollte als Symbol für Ermland und Masuren mehr Elemente mit "Gegenwartsbezug".

Ihr Parteikollege Andrzej Smietanko hingegen verteidigte die Farbe schwarz: "Sollen wir den Adler anmalen und so tun, als ob es Preußen hier niemals gab? Wenn jemand von den Abgeordneten die Geschichte nicht kennt, soll er sich informieren und dann erst diskutieren."

Anderen Abgeordneten waren regionale Akzente zu wenig vertreten, besonders die Elbinger reagieren in diesen Dingen immer recht empfindlich, haben sie doch den Verlust des Wojewodschaftssitzes nie verwunden. Man möge doch gefälligst diese Stadt und ihre Geschichte nicht bagatellisieren, warf SLD-Abgeordneter Kazimierz Polak ein. Wenn Elbing, dann natürlich auch all die anderen. Wo bleibt Lyck, vielleicht könnte man ja aus dem Adler einen Doppeladler machen und überhaupt: warum nicht ein Segelboot auf einem See?

Wojewodschaftsmarschall Andrzej Rynski beendete die festgefahrene stürmische Debatte und verordnete eine Denkpause, nachdem sich die Abgeordneten lediglich darauf einigen konnten, daß ein Wappen mit vier Feldern zu favorisieren sei, um eventuell doch mehr regionale Bezüge unterzubringen.

Er wisse, daß sein Entwurf Kontroversen erwecke, reagierte Prof. Sliwinski in einem Interview mit der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" gelassen. Er habe sich bei seinem Vorschlag von der Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Heraldik leiten lassen. "Wir mußten uns die Frage stellen, ob dieses Land vor dem Jahre 2000 schon Wappen hatte und ob wir diese Elemente irgendwie adaptieren konnten, um die Tradition nicht abreißen zu lassen, und fanden das Lamm als Symbol des Ermlandes sowie den schwarzen preußisch-polnischen Adler", erläuterte Sliwinski. Was den Gegenwartsbezug betraf, habe man keine für Ermland – Masuren eindeutigen Symbole gefunden, fügte er an.

Es sei nun einmal so, daß alle in der Region vorkommenden Symbole und Wappen aus der Zeit vor dem 20. Jahrhundert preußische und Deutschordens-Elemente tragen, man müsse die Geschichte anerkennen. Wenn man den Moment der Geschichte, in dem das Herzogtum Preußen polnisches Lehen wurde, nun aus polnischer Sicht als besten ansieht, könne man das im Wappen unterstreichen, das so durchaus auch eine polnische Würde habe, verteidigt er seinen Entwurf. Eine Vermischung mit lokalen, gegenwärtigen oder Phantasiesymbolen komme für ihn aus Heraldiker-Sicht nicht in Frage.

Wobei man bei der grundsätzlichen Frage angelangt ist, wie ein Wappen aussehen soll und was man damit bewirken will. Soll es den Prinzipien der Heraldik gehorchen, muß es laut Handbuch der Heraldik ein "farbiges, bleibendes, grundsätzlich unveränderliches Bildkennzeichen eines Geschlechts oder einer Körperschaft von symbolischer Bedeutung sein".

Oder schwebte den Auftraggebern nicht doch viel eher ein Abzeichen oder Logo vor, frisch, fröhlich, peppig, das die Region positiv darstellt und vor allem verkauft. Das Allensteiner Regionalparlament hätte sich vielleicht zuerst über diesen fundamentalen Unterschied verständigen sollen. Die Abgeordneten hatten sich aber entschieden, Wissenschaftler mit dem Entwurf des Wappens zu betrauen und dementsprechend ist auch das Ergebnis der Arbeit: drei nach den Prinzipien der Heraldik vertretbare Entwürfe. Wenn man das aber nicht wollte, hätte man vielleicht lieber eine Werbeagentur beauftragen sollen.

Die Menschen in der Region verstehen die Aufregung ihrer gewählten Vertreter ohnehin nicht. Sowohl die "Gazeta Wyborcza" als auch die "Gazeta Olsztynska" starteten Leseraktionen zum Thema. Die Leser konnten per Internet über die Entwürfe abstimmen oder telefonisch ganz einfach ihre Meinung äußern. Bei den Internet-Abstimmungen ergaben sich bei beiden Redaktionen klare Mehrheiten für das Wappen mit den vier Feldern.

Wie die "Gazeta Wyborcza" berichtete, verstand die Mehrheit der Anrufer die Aufregung der Parlamentarier nicht und hatte nichts gegen den schwarzen Adler einzuwenden. Ein Allensteiner meinte, man habe ja auch keine Vorbehalte mit deutschen Autos zu fahren, auch die Abgeordneten täten dies, man fahre nach Deutschland, und immer noch sei alles in Ordnung. Aber der historische schwarze Adler erscheine dann allzu deutsch, er frage sich warum, so sei eben die Geschichte der Region, in der man lebe, basta. Viele Leser fragten sich vor allem, ob die Volksvertreter keine für die Menschen der Region wichtigeren Themen zur Diskussion haben.

Auch Wojewodschaftsmarschall Andrzej Rynski sah die Gefahr und unterstrich, die Diskussion um das Wappen dürfe nicht wichtigere Probleme wie die Arbeitslosigkeit an den Rand drängen. Ihm gefällt übrigens keiner der Entwürfe richtig, sie seien alle zu sehr an die Tradition geknüpft, berücksichtigten die Gegenwart nicht und seien in der Farbgebung zu traurig, das erwarte er nicht vom Wappen seiner Region, stellte er klar.

Die Abstimmung über die Annahme eines überarbeiteten Wappens sieht er erst im Herbst, damit genug Zeit für den gesellschaftlichen Dialog bleibt und die Abgeordneten den tatsächlichen Willen des Volkes angemessen umsetzen können.