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16.06.01 Gespräch mit Kardinal Husar

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. Juni 2001


Gespräch mit Kardinal Husar:
Ökumene im Härtetest
Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche und der bevorstehende Papstbesuch

Vom 23.bis 27.Juni will Papst Johannes Paul II.die Ukraine besuchen.Die kirchenpolitische Brisanz dieser Reise zeigte sich in einer kritischen Stellungnahme des Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche,Alexij II.,und des griechischen Erzbischofs Christodoulos vom 11.Mai. Wie gespannt die Lage in der Ukraine ist,verdeutlichte Tage später auch der Anschlag einer nationalistischen Gruppe "Galizische Wölfe "auf das Russische Kulturzentrum in Lemberg.

In der Ukraine gibt es zwei katholische und drei orthodoxe Kirchen.Die Zahl der Katholiken beläuft sich auf etwa sechs Millionen,das sind mehr als zehn Prozent der Gesamtbevölkerung.In der Westukraine,zu der vor allem das bis 1918 österreichische Galizien gehört,stellen sie die Mehrheit.Etwa fünf Millionen Ukrainer bekennen sich zur Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK),die 1946 auf Befehl Stalins verboten wurde und bis zu ihrer Wiederzulassung im Jahr 1989 schwere Verfolgungen erlitt.Eine Million Menschen – meist polnischer Abstammung –sind Katholiken des römischen Ritus.

Beim letzten Konsistorium im Februar 2001 wurden die Oberhäupter beider Kirchen,Großerzbischof Lubomyr Husar bzw. Erzbischof Marian Jaworski, zu Kardinälen ernannt.

Herr Kardinal,was bedeutet der geplante Besuch von Papst Johannes Paul II.für die ukrainischen Katholiken?

Husar: Große Freude für viele Menschen.Wir haben doch so viel wegen unserer Loyalität zum Heiligen Stuhl gelitten.Unsere Gläubigen haben viel vom Papst gehört,sie haben an ihn geglaubt,und jetzt können sie ihn endlich sehen. Sehr wichtig ist für uns auch, daß der Papst ein Wort an die Leute richtet,die keiner Kirche angehören,aber doch Gott suchen.

Wie viele kirchenferne Menschen gibt es denn in der Ukraine?

Husar: Bei den Umfragen von vor ungefähr zwei Jahren hat sich fast die Hälfte der Bevölkerung zu keiner Kirche bekannt.Das heißt aber nicht,daß sie Atheisten sind.Wir versuchen,besonders mit Hilfe des Radios,die Leute auch in den östlichen Landesteilen anzusprechen.Aber natürlich werden die Anwesenheit des Papstes und die Aufmerksamkeit,die man ihm schenken wird,viel wichtiger sein, als das,was wir selbst tun können.

Die größte Glaubensgemeinschaft der Ukraine,die Russisch-Orthodoxe Kirche,protestiert immer wieder gegen den Papstbesuch.Wie beurteilen Sie diesen Konflikt?

Husar: Ich glaube,man soll das nicht überschätzen.Wir wissen nicht wirklich,wie die Gläubigen der Russisch-Orthodoxen Kirche darüber denken.Wir haben nur die Aussagen der Bischöfe. Die Umfragen,von denen man nicht weiß,wie viel sie wert sind,zeigen,daß die einfachen Gläubigen zumindest neugierig sind,den Papst zu sehen.

Steckt hinter dem Widerstand Angst vor der Wirkung des Papstes?

Husar: Ich glaube schon,ja.

In ihrem alten Kerngebiet Galizien ist die UGKK mittlerweile viel stärker als die Orthodoxie,die sich darüber bitter beklagt und im Erfolg der UGKK ein Hindernis für Fortschritte in der Ökumene mit Rom sieht.

Husar: Die Russisch-Orthodoxe Kirche ist beleidigt,daß sie zwischen 1989 und 1991 über tausend Gemeinden einbüßte.Sie sagt immer,daß ihr diese "gewaltsam " weggenommen worden seien. In einigen Gemeinden ist es tatsächlich zu Zusammenstößen gekommen.Man stritt um das Kirchengebäude,oder man hat den Priester verdrängt. Aber das geschah in einem sehr kleinen Teil der Fälle und ist schon vor zehn Jahren passiert.– Aber die Wunde ist bis heute geblieben.

Wie sieht es denn umgekehrt aus, wenn Ihre Griechisch-Katholische Kirche in der Zentral-oder der Ost-Ukraine Gemeinden bilden will?Können Sie da frei arbeiten,oder gibt es Behinderungen durch den Staat?

Husar:Im allgemeinen können wir uns frei bewegen.Es hat aber Einzelfälle gegeben und es gibt sie heute noch,bei denen die weltliche Verwaltung uns unfreundlich gesonnen war und die Formierung einer Gemeinde nicht zulasen wollte.

Nun gibt es ja in der Ukraine noch zwei weitere orthodoxe Kirchen,die von Moskau unabhängig sind.Prälat Iwan Dacko,der für die Außenbeziehungen Ihrer Kirche zuständig ist,hat gesagt,seine Vision sei ein Zusammenschluß dieser orthodoxen Kirchen mit den Katholiken in einer Art Kiewer Patriarchat.Ist denn eine Kirche vorstellbar,die zugleich von Rom und von Konstantinopel anerkannt wird?

Husar: Persönlich bin ich davon nicht überzeugt.Ich glaube,man kann von vielen anerkannt,aber nicht vielen gegenüber loyal sein. Vom Patriarchat von Konstantinopel ist unsere Tradition gekommen, aber wir sind natürlich katholisch. Eine Vereinigung würden wir sehr begrüßen,uns aber nicht aufdrängen,denn die Orthodoxen sind mehr als wir.Unsere einzige Bedingung ist,daß das vereinigte Patriarchat in der Ukraine mit dem Apostolischen Stuhl in Rom in Gemeinschaft,in Kommunion ist.

Und das ist in den nächsten Jahrzehnten ja kaum zu erwarten...

Husar:...das Ende der Sowjetunion war auch nicht zu erwarten.

Erhoffen Sie sich besondere Gesten des Papstes gegenüber der Orthodoxie?

Husar: So etwas wäre sehr schön, denn es würde den Weg ein bißchen ebnen.Weder der Papst noch wir haben ja den Wunsch,die Situation zu verschlimmern.Im Gegenteil.

 

Zur Person: Kardinal Lubomyr Husar wurde am 26.Februar 1933 in Lemberg geboren. Nach der Vertreibung seiner Familie aus der Ukraine emigrierte er zunächst nach Österreich, dann 1949 in die USA. Die Bischofsweihe erhielt Husar 1977, und 1994 kehrte er in die Heimat zurück. Am 25.Januar 2001 wählte ihn die Synode der Ukrainisch-Katholischen Kirche zum Groß-Erzbischof von Lemberg und damit zu ihrem Oberhaupt. Beide Interviews führte der Medienreferent von "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe ",Michael Ragg (Kirche in Not,PF 701027, 81310 München,Tel.:0 89 / 7 60 70 55).