20.04.2024

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07.07.01 Der drohenden Geschichtslosigkeit unkonventionell begegnen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 07. Juli 2001


Besinnung:
»Glied einer langen Kette ...«
Der drohenden Geschichtslosigkeit unkonventionell begegnen
von Peter Fischer

Goethes Sentenz: "Wer nicht von dreitausend Jahren sich weiß Rechenschaft zu geben, bleibt im Dunkel unerfahren, mag von Tag zu Tage leben", scheint angesichts eines von den Mächtigen nur noch auf den Augenblick angelegten deutschen Volkes wie ein wirklichkeitsfernes Wort aus längst vergangenen Zeiten zu wirken, selbst wenn man die inzwischen auf viereinhalb Millionen angewachsene Zahl deutscher Analphabeten beiseite läßt. Der Schriftunkundigkeit ging längst die Enthistorisierung voraus, das politische Analphabetentum ist dann nur noch die konsequente Fortsetzung einer Epoche, die im bloßen Wechsel der Tage treibt und allein das Bankkonto gelten lassen will. Daß sich dies im deutschen Volk tiefer als in anderen Völkern eingräbt und bemerkbar macht, liegt von der Ursache her völlig offen; verlorenen Krieg können solche Folgen haben.

Dies erkannt zu haben, bedeutet auch, von der Politik nicht allzuviel erwarten zu dürfen, wie es sich in besondes beispielgebender Weise in unserem Umgang mit den Toten des Krieges zeigt. De Gaulles Feststellung, daß man den Wert eines Volkes daran erkennt, wie es mit seinen gefallenen Soldaten nach einem verlorenen Krieg umgeht, bedarf keiner Kommentierung. Zuspruch, Anregung oder förderliche Beispiele insgesamt fehlen inzwischen vollständig, wenn man von dem kurzzeitig den Mitteldeutschen politisch verordnetem und fragwürdigen Satz absieht, von der Sowjetunion lernen, heiße siegen lernen. Doch die ist hinüber, wohl für lange Zeit verloren und auch die den Westdeutschen anempfohlene Ausrichtung nach Übersee findet nur noch begrenzte Anwendung.

Um so erfreulicher, wenn es nunmehr in Deutschland Anregungen gibt, die auf bewährte jahrtausendlange Erfahrung zurückgreifen, um der immer stärker drohenden Geschichts- und Gesichtslosigkeit mit einfachen Mitteln begegnen zu können. Unlängst veröffentlichte nämlich die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung eine bemerkenswerte Beilage, die die Anregung an junge Menschen aussprach, einen sogenannten Familienstammbaum anzulegen, um damit nicht nur die Eltern und Vorfahren zu ehren, sondern auch die Familie, die gerade im Bereich jüdischer Glaubensbekenntnisse weiterhin einen unangefochten hohen Stellenwert besitzt, zu würdigen. So ganz nebenbei werden aus diesen Übersichten auch die Konturen einer Geschichte lebendig, die in anschaulicher Weise die Wechselbeziehungen zwischen Ahnen und Licht- und Schattenseiten vergangener Epochen aufscheinen läßt.

"Hast du das gewußt?", werden die jungen Leser gefragt, "Du bist das neueste und besonders wertvolle Glied in der langen Kette deiner jüdischen Vorfahren. Durch dich wird die Verbindung weitergeführt, wenn du stolz darauf bist, jüdisch zu sein, und viele Taten erfüllst ..." Kann es eine bessere Aufnahme in die Gemeinschaft eines Volkes geben, als eine ausdrücklich auf individuelle Anerkennung angelegte Zuordnung? Zugleich werden die jugendlichen Leser aufgefordert, ihre Ahnen in einen bereits zur Anregung in der Zeitung vorgedruckten Stammbaum einzutragen, der seine Wurzeln dort naturgemäß bei Abraham, Isaak und Jakob findet.

Die vertriebenen Ostpreußen, deren Heimat zudem noch vielfach bis zur Unkenntlichkeit zerstört und geschändet ist, tragen häufig nur noch die Erinnerung an Eltern, Großeltern und Anverwandte in sich, die sie mit Hilfe der Anregung dieser Wochenzeitung wieder anschaulicher und übersichtlicher machen könnten. Die nachwachsenden Generationen dürften, wenn nicht alle Zeichen trügen, eines Tages auch die Ahnungen und Erinnerungen aus früherer Zeit nicht mehr zurück-drängen. Wenn sie dann auf einen vorgefertigten Stammbaum zurückgreifen könnten, würden sie wohl auch gewiß dankbar der Umsichtigkeit jener Altvorderen gedenken.