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14.07.01 Begreifliche Irritationen über einen Bericht des Europarates

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Juli 2001


Gedanken zur Zeit:
»Es war ein reiner Zufall ...«
Begreifliche Irritationen über einen Bericht des Europarates
von Wilfried Böhm

Es war ein reiner Zufall", meinte die linke "Tageszeitung", daß der Deutschland betreffende Bericht der "Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz" des Europarates am 3. Juli 2001 in Straßburg zeitgleich mit den Berichten über Zypern, die Türkei und Kroatien veröffentlicht wurde. Immerhin konnte so der allgemeine Eindruck entstehen, Deutschland solle damit in eine Reihe mit Staaten gestellt werden, die aufgrund ihrer aktuellen Situation einen sehr problematischen Umgang mit den Menschenrechten aufweisen. Die Mitglieder der Kommission, die 1994 ins Leben gerufen wurde, sind "nicht weisungsgebundene", von den Regierungen der Mitgliedsstaaten des Europarates benannte "Fachleute (Juristen, Parlamentarier, Hochschullehrer, Wissenschaftler usw.)", wie es in einer Publikation des Europarates heißt. Tatsache ist, daß der Bericht, der Deutschland ein "allgemeines Klima von Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz" bescheinigt, bereits am 15. Dezember 2000 verabschiedet worden war. Vorhergegangen war ein "vertraulicher Dialog" mit den nationalen Behörden des betreffenden Landes" und ein Kontaktbesuch in Deutschland, bei dem die Bericht-erstatter mit Vertretern der verschiedenen Ministerien und öffentlichen Verwaltungen zusammentrafen. Die Berichterstatter hatten Grund, "allen nationalen Behörden in Deutschland für die gute Zusammenarbeit zu danken, von denen sie so viele "wertvolle Informationen über ihren Zuständigkeitsbereich" empfangen hätten. Auch bei den Vertretern der sogenannten Nichtregierungs-Organisationen bedankten sich die Berichterstatter für "die nützlichen Beiträge".

Fast ein halbes Jahr später gab ausgerechnet dieser Bericht, der sich, wie gesagt, auf Angaben der nationalen Behörden stützt, dem Bundesinnenminister Otto Schily Gelegenheit, diesen Bericht heftig zu kritisieren, lauthals deutsche Interessen zu wahren und im Anhang zum Bericht festzustellen, die Vorwürfe "seien zu pauschal und geben die Realität in Deutschland nicht wieder". Im ARD-Morgenmagazin setzte Schily nochmals nach, indem er feststellte, der Europarat zeichne ein "völlig verzerrtes Bild von Deutschland, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun habe". Woher, so muß man fragen, haben die Berichterstatter denn ihre Informationen? Was wurde ihnen und von wem erzählt? Schily jedenfalls spielte die ihm von seinem Bundeskanzler zugedachte Rolle, als Wahrer deutschen Ansehens die eher konservative Wählerschaft "einzubinden", was im Vorfeld der Bundestagswahlen in gut einem Jahr zumindest nicht schädlich sein kann. Beifall für den Bericht gab es in Deutschland hingegen bei der Ausländerbeauftragten Marieluise Beck (Grüne). Sie meinte, der Bericht sei zwar "unangenehm", aber der Europarat "habe Deutschland jetzt einen Spiegel vorgehalten". War sie es etwa selbst, die zum Deutschlandbild der Berichterstatter beigetragen hat? Das Bild vom Spiegel, auf dem "unschöne Stellen zu sehen seien", fiel auch Edo Reents ein, der sich im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) wohlwollend mit dem Bericht des Europarates auseinandersetzte und nicht diesen, sondern die Kritik an ihm als "unsachlich" abtat.

Tatsache ist, daß es in dem Bericht heißt, in Deutschland müßten Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhaß und Intoleranz "erst noch als solche erkannt und bekämpft werden". "Leitkultur", so heißt es ebenso, sei ein "beunruhigender Begriff. Der Europarat ruderte mittlerweile zurück. Wie die "Welt am Sonntag" wußte, habe ihr gegenüber der stellvertretende Generalsekretär des Europarates, der Deutsche Hans Christian Krüger, zugestanden, die Kritik der "Kommission gegen Rassismus und Intoleranz" habe "natürlich zu Verletzungen geführt". Doch nicht jedes Wort könne als Urteil gewertet werden und wörtlich: "Aber wie soll man die Debatte besser anregen als mit einem etwas überspitzten Bericht". Der hohe Beamte meinte überdies, er habe das Papier "ebenso wie die meisten der 43 Ländervertreter nur überflogen und nicht darüber abgestimmt".

Bleiben zwei Schlußfolgerungen aus dem Vorgang. Bei der ersten ist Ralf Georg Reuth in der "Welt am Sonntag" zuzustimmen, daß eine Reihe derjenigen, die sich jetzt in Politik und Medien gegen die "Verunglimpfung Deutschlands" wenden, dazu beigetragen haben, "daß sich eben dieses negative Bild bei unseren Nachbarn verfestigt" habe. So sehr auch "Aufbegehren gegen Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und rassistisch motivierte Gewalt zu begrüßen seien, so sehr sollten mit Blick auf die Außenwirkung dabei die Maßstäbe gewahrt bleiben".

Die zweite Schlußfolgerung ist, daß sich Politik und Medien in Deutschland mit viel mehr als bisher mit dem Europarat, seinen Aufgaben und seinen Möglichkeiten beschäftigen sollten, und das nicht nur, um Zufälle aller Art möglichst zu vermeiden. Der Europarat ist mehr oder weniger ein "unbekanntes Wesen", obwohl er die älteste der europäischen Institutionen ist, der pluralistischen Demokratie und den Menschenrechten verpflichtet und das getreue Abbild der nationalstaatlichen Geschichte und Struktur unseres Kontinents. Deutschland sollte nach dem Eklat nicht etwa seine finanziellen Beiträge kürzen, wie es übereifrig gefordert wird, sondern endlich durchsetzen, daß die deutsche Sprache neben Englisch und Französisch Amtssprache wird, seine Beamten alle Texte gründlich lesen, das Gestrüpp der Kommissionen gelichtet und die Mitwirkung sogenannter Nichtregierungs-Organisationen transparenter gestaltet wird. So könnte sich das Europa der demokratischen Nationalstaaten positiv von der zentralistischen Bürokratie in Brüssel abheben, getreu der Erkenntnis: Das Europäische an Europa sind seine demokratischen Nationalstaaten.