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14.07.01 »Völkermord an den Hereros?« / Ein Oberstleutnant deckt eine Legende auf

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Juli 2001


»Völkermord an den Hereros?«
Ein Oberstleutnant deckt eine Legende auf
von Gerd Schultze-Rhonhof

Die 3sat-Sendung »Völkermord an den Hereros?« die unlängst im Fernsehen lief, mahnt mich, ein Versprechen einzulösen. Am 31. März 2001 starb Oberstleutnant a.D. Klaus Lorenz, der im Herbst 2000 an der Universität Hamburg eine Magisterarbeit zu genau dem Thema vorgelegt hatte. Lorenz stürzte die Mär vom Völkermord vom Sockel, aber er kam nicht mehr dazu, seine Arbeit einem breiteren Publikum vorzustellen. Nun mein Versprechen: ich sagte seiner Witwe zu, eine Kurzversion zu schreiben und zu verbreiten.

Es geht dabei um die altbekannte "Geschichte" von einem Völkermord, den die deutsche Schutztruppe in der damals deutschen Kolonie Süd-West-Afrika, dem heutigen Namibia, an dem Volk der Hereros begangen haben soll.

Hintergrund der Geschichte ist ein Aufstand der Hereros im Jahre 1904. Die Hereros, ein Nomadenvolk, zogen damals, wie seit altersher, mit ihren Rinderherden durch das nördliche Süd-West-Afrika. Sie gerieten dabei – wie ebenfalls seit altersher – mit anderen schwarzen Völkern in kriegerische Auseinandersetzungen um Weideland und Wasserstellen. Seit der Ansiedlung deutscher, englischer und burischer Landwirte in der Kolonie kam hinzu, daß ihre Häuptlinge viel Land an weiße Farmer verkauften und es trotzdem weiterhin als eigenes Weideland nutzen ließen. So kamen zu den bis dahin üblichen schwarz-schwarzen Auseinandersetzungen in "deutscher Zeit" die schwarz-weißen.

In den Kriegen der angestammten afrikanischen Völker waren mal die Hereros Sieger, mal andere. So kam es, daß das Volk der Hottentotten 1884 die deutsche Kolonialverwaltung um einen Schutzvertrag gegen die Hereros bat. Unter dem Schutz dieses Vertrages gingen die Hottentotten dann gegen die Hereros vor. Die Folge war die Bitte der Hereros um einen gleichen Schutzvertrag. Doch auch damit kehrte kein dauerhafter Friede in der deutschen Kolonie ein. Das Ganze hat Parallelen zu den Streitigkeiten der Völker heutzutage auf dem Balkan, und die Rolle der Schutztruppe von damals ist jener der KFOR in manchem ähnlich.

1904 versuchten die Hereros, die Deutschen loszuwerden und ihr verkauftes Land dadurch wiederzubekommen. Im Januar des Jahres wurden 123 deutsche Siedler, Händler und Soldaten umgebracht und dabei auch viele Angehörige des ebenfalls dort lebenden Damara-Volkes.

Die Schutztruppe versuchte daraufhin ein halbes Jahr lang erfolglos, der Hereros in einem Buschkrieg Herr zu werden. 1904 war ein besonderes Trockenjahr. Die Hereros zogen sich deshalb im August mit ihren Familien und mit den Viehherden auf noch frisches Weideland zurück, das sie östlich des Waterbergs fanden, eines Bergmassiv im Landesinneren. Die Schutztruppe versuchte nun, die Hereros dort einzukesseln und zu schlagen. Doch das mißlang, und die Hereros zogen nach Osten in die Kalahari-Steppe ab, wo sich ihre Spur zunächst verlor. Das beschriebene Geschehen ist als die Schlacht am Waterberg in die Geschichte eingegangen. Der Kommandeur der Schutztruppe meldete nach der Schlacht, um seinen Mißerfolg abzuschwächen, nach Berlin, daß die Hereros in der Kalahari-Steppe verdurstet und umgekommen wären.

Bemerkenswert ist nun, was Lorenz in den Akten der britischen Kolonialverwaltung dazu gefunden und nachgezeichnet hat:

Die Führer der Hereros hatten sich schon lange vor der Schlacht am Waterberg die Rückendek-kung der britischen Kolonialverwaltung in den benachbarten Gebieten eingeholt. Sie hatten dabei zugesagt, Landbesitz und Leben der englischen und burischen Farmer bei den Kämpfen zu verschonen. Im Gegenzug hatten sie sich für den Fall des Scheiterns ihres Aufstandes Asyl und Weideland in Britisch-Betschuanaland zusichern lassen.

So ist es auch gekommen. Nach der Kesselschlacht am Waterberg zogen die Hereros mit Herden und Familien auf ihnen bekannten Wegen, vorbei an den noch vorhandenen Wasserstellen, durch die Kalahari-Steppe nach Osten zu den Briten. Die Deutschen, die das damals für unmöglich hielten, glaubten offensichtlich selbst an das Verdursten aller abgezogenen Hereros in der dürren Kalahari.

Der Zug der Hereros durch die Steppe hat sehr viele Opfer an Menschenleben, an Hab und Vieh gekostet. Die trockenen Weiden und das knappe Wasser konnten so viele Menschen und so viel Vieh in so kurzer Zeit weder tränken noch ernähren. Die Zahl der Toten wird sich nie klären lassen. Doch tauchen Wochen und Monate nach der Schlacht große Zahlen von Hereros im deutschen Farmland wieder auf. Sie erscheinen auf den Lohnlisten deutscher Farmer, in den Berichten der Missionsstationen und der Polizei. Sie wandern in Gruppen bis zu Tausenden bei ihren schwarzen Nachbarvölkern ein. Und 1930 werden sechstausend Hereros bei einer Volkszählung im Betschuanaland registriert.

Nun ist die Flucht durch eine trockene Steppe noch kein Völkermord, auch wenn sie viele Menschenleben gekostet hat. Dieser Vorwurf stammt aus der Feder eines DDR-Historikers, der in den 60er Jahren die "verbrecherische Kriegsführung der imperialistischen deutschen Kolonialtruppen" zu belegen hatte. Sein Vorwurf lautet, daß die Schutztruppen die Hereros nach der Schlacht in die Kalahari getrieben und vorsätzlich dem Verdursten preisgegeben hätten. Er belegt das mit dem deutschen Operationsplan, der eine schwache Stelle im Einschließungsring vorgesehen hätte, durch den die Hereros in die Steppe entweichen und in ihr Verderben rennen sollten.

Lorenz hat in dem Operationsplan ganz anderes gefunden. Nach diesem Plan waren an der späteren Durchbruchsstelle besonders starke Kräfte vorgesehen, die jedoch verspätet kamen und den Kessel nicht mehr schließen konnten. Der Auftrag an die Truppe lautete außerdem: einschließen, niederkämpfen und entwaffnen.

Nachdem die Hereros dennoch durchgebrochen und entwichen waren, konnten die deutschen Truppen zunächst nicht folgen. Erschöpfung und Krankheiten von Pferden und Soldaten sowie der Wassermangel erlaubten erst nach fünf Tagen, den Hereros nachzusetzen. Damit hatte die deutsche Truppe ihren Auftrag nicht erfüllt. Sie hatte die Hereros nicht bezwungen und entwaffnet. Sie hat sie auch nicht in die Steppe getrieben.

Der Feldzug der Schutztruppe gegen die Hereros entsprang dem Bemühen, die Massaker und Überfälle auf Deutsche und Damaras zu beenden. Das Ende dieser Kämpfe war schicksalhaft für die Hereros. Viele überlebten, viele starben bei den Gefechten, viele auf der Flucht. Das war kein Völkermord, und es war auch nicht geplant.

Was verleiht dieser fast hundert Jahre alten Geschichte und der Magisterarbeit von Klaus Lorenz heute Aktualität? In den vergangenen zwei Jahren sind Vertreter der Hereros bei der Uno, beim Internationalen Gerichtshof und bei der deutschen Bundesregierung erschienen und haben Wiedergutmachung für den deutschen "Völkermord von 1904" verlangt. Die Magisterarbeit von Lorenz liegt dem Auswärtigen Amt in Berlin vor und dient dort zur Aufhellung der Sachverhalte. So kann man auch als pensionierter Offizier noch seinem Lande dienen.

Foto: Auf Posten: Unteroffiziere der Marineinfanterie bei Omaruru