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14.07.01 Staatsreform enttäuscht Deutschbelgier

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Juli 2001


Staatsreform enttäuscht Deutschbelgier
Hoffnungen auf ein viertes belgisches Bundesland vorerst gedämpft

Der Ausbau des belgischen Bundesstaats schreitet voran. Nach der Ende Juni erfolgten Zustimmung der links-liberal-grünen Koalition zur nächsten Stufe der Staatsreform werden Belgiens Regionen Flandern, Brüssel-Hauptstadt und Wallonien zukünftig auch für Verkehrs-, Landwirtschafts- und (ab 2004) Entwicklungspolitik zuständig sein. Zudem erhalten sie ein Änderungsrecht bei der Einkommenssteuer. Der belgische Gesamtstaat wird somit auf reine Kernfunktion gestutzt.

Nach übereinstimmender Meinung der Fraktionen im "Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft", dem Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft (Kantone Eupen und Sankt Vith) ist diese Etappe der Staatsreform für Deutschbelgien enttäuschend. Außer einer Erhöhung der bundesstaatlichen Finanzzuweisungen (Dotationen) erhält die Deutschsprachige Gemeinschaft lediglich die Kompetenz, die Anzahl ihrer Minister erhöhen zu können. Die ursprünglich angestrebte Gemeindeaufsicht und die Verfügung über die Rundfunk- und Fernsehsteuern wurden nicht durchgesetzt.

Insbesondere der Gemeindeaufsicht kommt in Belgien große Bedeutung zu, da sie teils die Sprachenaufsicht in Gemeinden mit offiziell anerkannten (flämischen, wallonischen oder deutschen) Sprachminderheiten einschließt. Allerdings hat die Wallonische Region, zu der die Deutschsprachige Gemeinschaft in Bezug auf regionale Kompetenzen (noch) gehört, zugesagt, die Verwaltungsaufsicht – also die konkrete Tätigkeit – zu übertragen.

Verschiedene Beobachter deuteten die Staatsreform auch als Dämpfer für das mittelfristige Ziel der Deutschsprachigen Gemeinschaft, eine sogenannte Gemeinschafts-Region und damit das vierte belgische Bundesland zu werden. Dies erfordert die Abspaltung vom französischsprachigen Wallonien. Bislang sind die Deutschbelgier in doppelter Hinsicht benachteiligt, da nur ein Teil ihres angestammten Wohngebiets als Teil der Deutschsprachigen Gemeinschaft autonom ist (in anderen Gebieten ist der Minderheitenschutz mangelhaft oder inexistent) und sie zudem – im Unterschied zu Flamen und Wallonen – neben der Gemeinschaft nicht über eine Region verfügen. Daß eines der drei belgischen Staatsvölker eine Unterabteilung Walloniens bleibt, wird man trotz wallonischer Widerstände nicht ernsthaft aufrecht erhalten können.

Als Zwischenschritt zur Schaffung einer vierten Region wird die Aufwertung der Deutschsprachigen Gemeinschaft zur elften belgischen Provinz angestrebt, für die sich jüngst die (inzwischen gespaltene) flämisch-nationale Volksunie eingesetzt hatte. Die Verselbständigung des östlichen Teils der frankophonen Provinz Lüttich ist vor allem mit Blick auf verwaltungstechnische Fragen (Übersetzungen) sinnvoll und auch von zwingender Logik, bedenkt man, daß hier eine mit Dekretbefugnis ausgestattete Verwaltungseinheit einer untergeordneten Einheit (Provinz) angehört.