26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.07.01 Von der Schlichtheit ostpreußischer Gutshäuser (Teil II)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Juli 2001


Der Vorzug des Zeitlosen
Von der Schlichtheit ostpreußischer Gutshäuser (Teil II)
von Wulf Wagner

Kein anderes Haus jener Zeit entsprach so sehr dem ostpreußisch-bodenständigen Barock wie Tharau. Erbaut nach den Entwürfen des Staatsministers von Braxein erinnerte es mit seinem weit vorgezogenen und breiten Mittelrisalit an die Vorlaubenhäuser und war durch seine ungewöhnliche Länge mehr dem Boden als einem barocken Streben zum Himmel verhaftet. Auf diesen Haustyp treffen wir oft – so in Trenk, Schreitlacken, beide Kreis Samland und Sausgarten – und er paßt gerade in seiner Bodenhaftung besonders zur Weite ostpreußischer Landschaft. Im 18. Jahrhundert wurde der kleine Typ manchmal auch als Dreiflügelanlage gestaltet, so in Pellen, Eichen, Mitteldorf (alle drei zerstört).

Der zweite Typ, ein zweigeschossiger Block mit Walm- oder Krüppelwalmdach, reicht mit Ponarien bis in das 16. Jahrhundert zurück und wird besonders durch die aus dem 17. Jahrhundert stammenden Bauten wie Truntlack (Mitte 17. Jahrhundert), Eichmedien (1653), Wicken (1676), Fuchshöfen (1685) und Groß Steinort (1690) verkörpert. Über diese Form schrieb Carl von Lorck, hinsichtlich auf Fuchshöfen: "Man kann die ruhige, sachliche preußische Schlichtheit kaum klassischer verwirklichen, als der Bauherr und sein unbekannter Baumeister es in dem monumentalen Bau am Pregelufer erreicht haben." Noch stärker verkörperte das Gutshaus in Wicken den Idealtyp des ostpreußischen Hauses, weil es sich besonders in die Breite dehnte.

Dieser zweigeschossige Typ wurde auch im 18. Jahrhundert weiter verwandt, jedoch öfters mit Mansarddach, so Trutenau (1726), Groß Labehnen und Jerusalem bei Königsberg. Zumeist sind diese Bauten nicht so sehr lang und erinnern an zweigeschossige Barockpalais, wie sie vor allem in der Stadt Königsberg errichtet wurden.

Die beiden Schlösser des Kurfürsten Friedrich III., Groß Holstein und Grünhoff, sind Ausnahmen, die nicht auf den Traditionen des Landes beruhen, Groß Holstein blieb ohne Nachahmung, Grünhoff mit seinem ovalen Saal fand in Lindenau nochmals im 18. Jahrhundert eine ähnliche Ausführung.

In Folge der Krönung entstehen dem Beispiel des Königs folgend die großen Barockschlösser der dem Königshaus nahestehenden Familien: Schlobitten, Finckenstein, Friedrichstein – das trotz der Pestjahre als eines der größten Schlösser des Landes 1709 begonnen wurde –, Dönhoffstädt und Schlodien. Es war eine kurze Zeit glanzvoller Baukunst, die durch den barocken Umbau des Königsberger Schlosses sicherlich ihren Höhepunkt erreicht hätte. Der Nachfolger auf dem Thron, Friedrich Wilhelm I., ließ jenen Bau jedoch nicht weiter ausdehnen, er gab andere Bauaufträge: Kirchen, Schulen, Kadetten- und Waisenhäuser, und "wie er Einfachheit in seiner persönlichen Erscheinung vorwegnahm", so setzte man nun eher wieder bei jener "stille- ren, schlicht-residenzlichen, anspruchslos-palladesken Formung Nerings" ein. In Ostpreußen, dessen Retablissement sich Friedrich Wilhelm I. mit besonderem Engagement zuwandte, war erst recht nach den verheerenden Pestjahren kaum die Voraussetzung für aufwendige Bauten gegeben, so daß sich hier die Schlichtheit des Landes mit dem Willen des Königs verband.

So blieben die Bauten, wie sie waren: auffällig in ihrer Schmuck-losigkeit. Da fehlen fast gänzlich Fensterüberdachungen, Wappensteine, reich dekorierte Frontons, korinthische Säulen.

Aus der Masse dieser einfachen Häuser trat dann als letztes großes Schloß in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Sanditten (1736) hervor, dessen Bauherr hohe Stellungen im Staat einnahm. Zum einen kann dieser Bau mit seinem stark aus dem Baukörper hervortretenden Saal und vor allem mit seiner bewegten Dachlandschaft als das Werk eines auswärtigen Baumeisters angesehen werden, zum anderen weist es auf Grund seiner weit ausladenden Geste und der niedrigen Flügel bodenständige Formen des Landes auf. Die Bautätigkeit größerer Schlösser erreicht dann in den folgenden Jahrzehnten nicht die Bedeutung wie beispielsweise in Brandenburg. Nachdem im Jahre 1740 Friedrich II. den preußischen Thron bestiegen hatte und Architektur und Kunst wieder stärker gefördert wurden, der König sich auch wieder dem Schloßbau zuwandte, wandelten sich die barocken Formen zum Rokoko.

(Fortsetzung folgt)