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28.07.01 Willenlos folgt die Jugend dem dröhnenden Stakkato

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. Juli 2001


Love-Parade:
Die modernen Rattenfänger
Willenlos folgt die Jugend dem dröhnenden Stakkato

Ein neues Phänomen greift Platz. Plötzlich versammeln sich Tausende von Jugendlichen zu sogenannten Free-Parties, spontanen Techno-Festen, bei denen nicht nur dröhnende Stakkato-Musik die Gefühle in Trance versetzt. Auch Drogen gehen von Hand zu Hand, zwei Jugendliche starben Mitte Juli auf solchen Parties in Frankreich, der Staatspräsident spricht darüber in seiner Rede zum Natinalfeiertag, die Zeitungen sind seit Wochen dem Phänomen auf der Spur. Es gibt Widerstand in der Be-völkerung, die tanzenden Leibermassen zertrampeln die Fauna, die Kommunen bleiben auf den Schäden sitzen. Im Herbst wird sich die Nationalversammlung erneut damit befassen.

Es ist ein europäisches Phä-nomen. Auch in Deutschland regt sich Widerstand. Berlin erlebte (und erlitt) am vergangenen Wochenende die Love-Parade. Eine Schutzgemeinschaft Tiergarten hatte vergeblich versucht, durch rechtzeitige Anmeldung einer eigenen Demonstration die Parade zu verhindern. Ein Gericht hatte den Techno-Freaks den Status einer politischen Demonstration abgesprochen, mit der Folge, daß die Veranstalter Kosten wie die für die Müllbeseitigung selber tragen müssen. Doch trotz Millionendefizit ließen sie ihre Parade stattfinden. Und der Steuerzahler, gleich welcher musikalischen Richtung er sich hingezogen fühlt, war natürlich auch mit dabei: Allein die Kosten für den Polizeieinsatz gingen in den siebenstelligen Bereich.

Für die einen ist die Love-Parade eine Friedensdemo, für die anderen eine Parade in die Irre, ein Beweis für die massenhafte Orientierungslosigkeit der Jugend heute. Eine Million junger Menschen waren es im letzten Jahr, der Tiergarten glich danach einem Schlachtfeld. In diesem Jahr waren es ein paar Tausend weniger; die Müllberge waren aber eher noch höher.

Wie kommt es, daß so viele junge Menschen sich um Lautsprecher versammeln oder einem gespenstischen Musikzug anschließen, der an den Rattenfänger von Hameln erinnert? Aus riesigen Lautsprechern von "Love-Trucks" oder Verstärkersäulen dröhnt das Gehämmer. Aber ist Techno überhaupt Mu-sik? Ernstzunehmende Wissenschaftler haben Zweifel. Viele Eltern auch. Man kann auch ganz ohne Wissenschaft diese Zweifel haben. Es genügt, das Stakkato nur ein paar Minuten lang zu vernehmen und die willenlosen Leiber in einer Disco zu beobachten, um in dieser Ansicht bestätigt zu werden.

Unmoderne Meinung? Es war im untergehenden Rom unmo-dern, nicht an wenigstens fünf Götter zu glauben. Dabei sagt der gesunde Menschenverstand schon, daß es doch nur einen Gott geben kann. Kein Sinn für die Jugend? Auch hier darf man getrost auf seinen Verstand und auch auf sein Herz zurückgreifen: Wer junge Menschen willenlos macht und das Laissez-aller zum obersten Prinzip erhebt oder gar mit Freiheit verwechselt, der hat keinen Sinn für die Sehnsucht junger Menschen nach Orientierung. Man kann nur hoffen, daß möglichst viele Eltern ihrem gesunden Menschenverstand folgen und nicht dem eigennützigen Geschwätz von Politikern, die glauben, damit jugendliche Wähler gewinnen zu können und solche unkontrollierbaren Mega-Parties für gut oder harmlos halten. Dabei weiß man längst, daß der weit überwiegende Teil der Partygänger sich für Parteien und Politik nicht interessiert und deshalb überhaupt nicht wählt. Eltern haben recht, wenn sie ihren Kindern – viele sind jünger als sechzehn Jahre – die Teilnahme an diesen Happenings verbieten oder wenigstens dringlich davon abra-ten.

Manche Vorgänge während dieser modernen Woodstock-Treffen, etwa des "Liebeszuges" durch Berlin, sind alles andere als harmlos. Die Polizei kann den Handel mit Drogen, insbesondere Ecstasy-Pillen, nur grob schätzen, aber alle Beteiligten wissen, daß er nicht gering zu veranschlagen ist. Er ist bei dieser Masse auch nicht kontrollierbar. Die weltoffene Unschuld vieler Jugendlicher ist immer wieder ein Markt für ein großes Geschäft, ja ein gigantisches, wenn Zehn- oder Hunderttausende junger Menschen in so kurzer Zeit auf so kleinem Raum zusammenkommen und die Behörden, die die Jugendlichen schützen sollten, naturgemäß versagen müssen. Wie soll man diese "wilden Versammlungen" unter Kontrolle halten? Und: Wie kann man den anderen Aufgaben der inneren Sicherheit nachgehen, wenn fast alle Kräfte von solchen Massentreffen absorbiert werden?

Solch eine Diskussion ist überfällig. Es wäre jedenfalls Selbstbetrug, anzunehmen, diese neue Woodstock-Bewegung sei ein spontanes Ereignis der Liebe und Freude. Sie ist auch eine Massenflucht vor den Problemen unserer Zeit, und das größte Problem ist, daß so viele Menschen – nicht nur in Berlin – den Sinn für die wahre Liebe, das heißt auch für den Dienst am Nächsten, verloren haben. Es ist eine Flucht in das Gefühl des Ver-gessens, eine Selbstaufgabe in einer willenlo-sen, im wahr-sten Sinn des Wortes "instrumentalisierten" Masse. Dies zu sagen trauen sich viele Politiker, auch in der Union, nicht mehr. Lieber kleiden sie sich mit dem Mantel der Moderne und frönen dem Gott des Konsums.

Der große Seelsorger und Jugendpädagoge Don Bosco pflegte das so zu formulieren: "Die Macht der Bösen lebt von der Feigheit der Guten." Gott sei Dank gibt es moderne Alternativen. Die Weltjugendtreffen des Papstes versammeln auch Millionen – ein Zeichen dafür, daß die Suche nach Sinn, Wahrheit und Liebe in der Jugend nicht überall in die Irre geht. Jürgen Liminski