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04.08.01 Mehr Demokratie wagen …

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. August 2001


Hans-Jürgen Mahlitz
Mehr Demokratie wagen …

Er wolle "mehr Demokratie wagen", mit diesem hochtrabenden Anspruch war Willy Brandt 1969 als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler angetreten – als ob es in den zwei Jahrzehnten zuvor noch keine (oder zumindest nicht genug) Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland gegeben hätte. Waren Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Kurt-Georg Kiesinger etwa nur "Demokraten zweiter Klasse", weil sie das – aus Brandts Sicht – falsche Parteibuch hatten?

Das "Wagnis Demokratie" währte dreizehn Jahre und endete 1982 mit einer nicht gerade ruhmreichen Abschlußbilanz: "Musterdemokrat" Brandt hatte von den Vorgängern Vollbeschäftigung und gesunde Staatsfinanzen übernommen, "Weltökonom" Helmut Schmidt hinterließ seinen Nachfolgern Milliarden Schulden und Massenarbeitslosigkeit. Es folgten sechzehn Jahre Helmut Kohl, Jahre mit Licht und Schatten, mit der teilweisen Wiedervereinigung unseres Vaterlandes und der Überwindung der kommunistischen Diktatur, aber auch mit noch höheren Schuldenbergen und noch massiverer Arbeitslosigkeit. Statt "mehr Demokratie" wurde den Deutschen die "geistig-moralische Wende" angekündigt. Beides kam über den Status leerer Versprechungen nie hinaus.

Seit nahezu drei Jahren werden wir nun rot-grün regiert. Schröder, Fischer und Genossen übertrugen Brandts alten Anspruch in flippiges Neudeutsch und ließen das Volk – pardon, die Bevölkerung – wissen: Jetzt geht’s mit der Demokratie erst so richtig los! Ein Versprechen, das man durchaus auch als Drohung empfinden konnte.

Wer allerdings geglaubt hatte, auch diese Ankündigung werde wie gehabt in Sonntagsreden und unverbindlichen Diskussionspapieren für Strategie- und Grundsatzkommissionen endgelagert, sieht sich nun eines Besseren (oder Schlechteren) belehrt: Die in Berlin Regierenden machen ernst mit "mehr Demokratie". Beziehungsweise mit dem, was Rot-grün darunter versteht, nach dem altbekannten Motto: "Was Demokratie ist, bestimme ich."

Wie das in der "demokratischen" Praxis aussieht, enthüllten jetzt die Unions-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bos- bach und Steffen Kampeter: Um sich ihr mühsam blankpoliertes Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit nicht durch lästige Fragen (oder, schlimmer noch, durch wahrheitsgemäße Antworten) verdüstern zu lassen, greift die Bundesregierung immer intensiver zum altbewährten Maulkorb. Spitzenbeamten in den Ministerien und den obersten Bundesbehörden werden "dienstliche Erklärungen" über Kontakte zu Bundestagsabgeordneten abgenötigt, eine Methode, die CDU-Mann Kampeter "eher an Stasi-Machenschaften als an Demo- kratie" erinnert.

Sein Parteifreund Bosbach berichtet in der "Welt am Sonntag" gar von einem noch drastischeren Fall: Ein Behördenleiter mußte ein fest vereinbartes Informationsgespräch mit dem Abgeordneten kurzfristig absagen – der zuständige Staatssekretär hatte das Treffen verboten. Übrigens wurden diese merkwürdigen Methoden von der Bundesregierung erst zugegeben, nachdem Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) Druck gemacht hatte.

Daß Regierungen den Beamten ein gewisses Maß an Loyalität abverlangen, ist legal und legitim. Diese Loyalität haben sie aber gegenüber dem Staat, dem sie dienen, zu erbringen, nicht gegenüber Personen und Parteien, die gerade an der Macht sind. Natürlich hat es hier immer wieder Grenzüberschreitungen gegeben; auch Beamte sind Menschen, die ihren eigenen politischen Standpunkt nicht an der Garderobe abgeben. Und Politiker glauben nun einmal gern: "Was gut ist für mich und meine Partei, muß auch gut sein für den Staat."

Wenn aber Staatsdiener systematisch gezwungen werden, bestimmte Parteien zu bevorzugen und andere zu benachteiligen, wenn zudem – wie aus dem Berliner Kanzleramt verlautet – als unionsnah geltende Beamte regelrecht schikaniert und gemobbt werden, dann sind die Grenzen des Tolerierbaren weit überschritten. Die rot-grüne Mahlkorb-Methode schafft nicht "mehr Demokratie", sondern ist Ausfluß vordemokratischer, ewiggestriger Denkstrukturen. "Dienstliche Erklärungen" über Kontakte mit mißliebigen Bundestagsabgeordneten sind blanke Gesinnungsschnüffelei – und von da ist es nicht mehgr weit bis zur Gesinnungsdiktatur.