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11.08.01 Der Tag, an dem die Mauer fiel … / Im Deutschen Bundestag wurde »Einigkeit und Recht und Freiheit« angestimmt

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. August 2001


Gedanken zur Zeit:
Der Tag, an dem die Mauer fiel …
Im Deutschen Bundestag wurde »Einigkeit und Recht und Freiheit« angestimmt
von Wilfried Böhm

Die Mauer wurde von der kom- munistischen SED errichtet, weil bis zum August 1961 über 2,7 Millionen Deutsche aus dem Machtbereich des Sozialismus geflüchtet waren. Die Mauer fiel 28 Jahre später, nachdem Zehntausende eingemauerte Deutsche über Warschau, Prag und Budapest flüchteten, die Grenze überwanden, ihre Massenausreise erzwangen und gleichzeitig die Große Deutsche Freiheitsrevolution mit Demonstrationen unter dem Motto "Reisefreiheit statt Massenflucht" begonnen hatte. Die "Abstimmung mit den Füßen", die von Anfang an die sozialistische Herrschaft begleitete und bloßstellte, führte folgerichtig vom "Wir sind das Volk" zum "Wir sind ein Volk" der Revolution des Jahres 1989, die von Kommunisten, Verharmlosern oder Gedankenlosen heute als "Wende" kleingeredet wird.

So wurden Bau und Fall der Mauer weltweit zum Symbol für das totale Scheitern des marxistischen Sozialismus. Die Mauer war nicht nur Ausdruck einer "staatssozialistischen Episode", wie die als "PDS" getarnte SED jetzt behauptet, um sich selbst als "vom Stalinismus unwiderruflich befreit" anzupreisen. "Unwiderruflich" bleiben hingegen die Toten an Mauer und Stacheldraht und das Leid vieler Menschen durch Verlust ihrer individuellen Freiheit und ihres Eigentums, durch Trennung von Familien und Freunden sowie durch die "verlorenen Jahre" ganzer Generationen. Nur offenen Hohn hatte die SED-Propaganda dafür seinerzeit übrig:

"Im Sommer 61, am 13. August, da schufen wir die Grenze, und keiner hat’s gewußt. Klappe zu, Affe tot, endlich lacht das Morgenrot."

Sichtbar begann der Fall der Mauer im Herbst 1989 am 10. September mit der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze, nach der allein innerhalb der ersten zehn Tage 18 000 DDR-Bürger in die Bundesrepublik Deutschland weiterreisten. Die Feiern am 6. und 7. Oktober aus Anlaß des 40. Jahrestages der Gründung der DDR brachten zwar noch einen Fackelzug der FDJ und eine trotzige Rede Erich Honeckers, aber auch die mahnenden Worte Gorbatschows. Gleichzeitig fanden die größten Protestdemonstrationen seit dem 17. Juni 1953 statt, dem Tag, an dem sich als erste in Europa die Deutschen gegen das kommunistische System erhoben hatten, doch von sowjetischen Panzern niedergeschlagen wurden. Diesmal, im Herbst 1989, kamen die Sowjets ihren bedrängten Genossen nicht mehr zur Hilfe.

Nach der Ablösung Honeckers durch Egon Krenz am 18. Oktober scheiterten alle Versuche, die SED-Herrschaft zu retten. Die Proteste der Bevölkerung gingen weiter, allein in Leipzig demonstrierten am 30. Oktober 300 000 Menschen für Reformen, freie Wahlen und Reisefreiheit, in Berlin am 4. November auf dem Alexanderplatz waren es rund eine Million, auch in vielen anderen Städten fanden Großdemonstrationen statt.

Am 9. November um 18.57 Uhr war es dann soweit. Mit einer eher beiläufigen Bemerkung des Politbüromitglieds Günter Schabowski am Ende einer vom DDR-Fernsehen übertragenen Pressekonferenz öffnete die DDR ihre Grenzen und gab damit dem Druck der Bevölkerung nach. Waren die Grenzübergangsstellen in diesem Augenblick menschenleer wie üblich, setzte unmittelbar danach ein Ansturm der Ostberliner ein, wenige Stunden später wurden die Schlagbäume geöffnet, die Massen machten schließlich jede Kontrolle hinfällig. Vor Glück weinende Menschen umarmten einander, nicht nur in Berlin, sondern entlang der gesamten Zonengrenze, die fortan Deutschland nicht mehr trennte.

Der Deutsche Bundestag diskutierte an diesem Abend das Vereinsförderungsgesetz. Er brach die Debatte im Bonner Wasserwerk sofort ab, als ihn die Nachricht aus Berlin erreichte. Kanzleramtsminister Rudolf Seiters eröffnete mit einer Erklärung eine kurze Debatte, verlangte die Solidarität aller Deutschen und forderte die SED auf, ihr Machtmonopol aufzugeben, unabhängige Parteien und freie Wahlen zuzulassen. Am Schluß der Debatte, in der die Redner aller Fraktionen die Grenzöffnung begrüßten, erhoben sich spontan einige Abgeordnete der CDU/CSU in den hinteren Reihen und stimmten die Nationalhymne "Einigkeit und Recht und Freiheit" an. Die ersten Reihen der CDU/CSU und der FDP folgten, darauf die SPD von den vorderen zu den hinteren Reihen. Die Grünen erhoben sich und verließen den Plenarsaal.

Nicht alle Deutschen fühlten sich glücklich an diesem Tag. Der Schriftsteller Patrick Süskind beschrieb das Lebensgefühl der "68er" so, daß die Einheit der Nation, das Nationale überhaupt, ihre Sache nicht gewesen sei: "Was hatten wir mit Leipzig, Dresden oder Halle im Sinn? Nichts. Aber alles mit Florenz, Paris, London." Doch 1989 habe sie "das Erdbeben kalt erwischt", bekannte er. Und der heutige Bundesinnenminister Otto Schily beleidigte "Deutschland einig Vaterland", indem er eine Banane in die Fernsehkameras hielt. Als es um die Einheit in Freiheit ging, zeigte jeder sein wahres Gesicht.