19.04.2024

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11.08.01 Kreisgemeinschaft Lyck: Sonderfahrt mit »Flakhelfern«

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. August 2001


Kreisgemeinschaft Lyck:
Sonderfahrt mit »Flakhelfern«
Die Reise führte über Königsberg und Nidden auf der Kurischen Nehrung nach Masuren

Die Kreisgemeinschaft Lyck veranstaltet alljährlich zwei Fahrten nach Ostpreußen. Die erste Fahrt führt Landsleute in die engere Heimat, wo jedes Jahr in einem anderen Kirchspiel ein ökumenischer Gottesdienst, verbunden mit einer Begegnung mit den jetzigen polnischen Bewohnern, stattfindet. Mit der zweiten Fahrt sollen Bürger der Patenstadt Hagen in Westfalen "die Heimat ihrer Patenkinder kennenlernen".

Im Jahre 2001 wurde vom 23. Juni bis zum 6. Juli eine Sonderfahrt mit einigen "Flakhelfern", das sind ehemalige Lycker Oberschüler der Geburtsjahrgänge 1928/29, deren Bekannten und anderen Interessierten durchgeführt. Die Reise führte die Teilnehmer über Königsberg und Nidden auf der Kurischen Nehrung nach Lyck.

Nach Zwischenübernachtung in Posen und einem Mittags-Stop an der Marienburg ging es nach Grunau bei Heiligenbeil zum Grenzübergang. Vor uns eine lange Pkw-Schlange. Unser Omnibus fuhr dreist auf der Gegenfahrbahn an den Personenkraftwagen vorbei, sehr zum Unwillen des jungen polnischen Grenzbeamten. Dieser wies uns an, rückwärts bis an das Ende der Schlange zu fahren. Ein unmögliches Unterfangen. Gegen ein kleines Taschengeld ließ uns ein freundlicher russischer Pkw-Fahrer in die Schlange hinein. Immerhin dauerte so der Grenzaufenthalt zwei Stunden. Eine entnervte deutsche Pkw-Fahrerin, befragt, wie lange sie an der Grenze gestanden habe, antwortete: "Sechs Stunden."

Am nächsten Tag ging es in Königsberg zuerst zum Dom. Etwas Unangenehmes erlebten wir vor dem Gotteshaus. Der Bauleiter der russischen Baufirma erklärte uns unaufgefordert, daß zur Zeit kein Geld aus Deutschland käme, weil dieses Geld in Deutschland unterschlagen würde. Dieses wiesen wir empört als unwahr zurück. Auch in der kleinen evangelischen Seitenkapelle, in der wir das Kirchenlied "Lobe den Herren" sangen, steht auf der Finanzierungstafel, daß das meiste Geld für die Renovierung des Domes von der russischen Baufirma "Dom" käme. Eine glatte Unwahrheit. Der anschließende Besuch des "Otto-Lasch-Bunkers" war sehr interessant. Da der Kreisvertreter Gerd Bandilla, der diese Fahrt organisiert hat, in seinem rheinischen Wohnort in der Agnes-Miegel-Straße wohnt, war es selbstverständlich, auch dem Geburtshaus von Agnes Miegel eine Aufwartung zu machen. Am Nachmittag fuhren wir zuerst nach Rauschen an die Ostsee, vorbei an endlosen, schön anzuschauenden blauen Lupinenfeldern. Wogende Kornfelder waren nicht zu sehen. Nach Rauschen ging es zum Soldatenfriedhof nach Germau. Die Reisegruppe sang das Lied vom guten Kameraden. Manche Augen wurden feucht.

Auf Einladung von Kreisvertreter Gerd Bandilla erläuterte auf eindrucksvolle Weise am Abend der aus Reiffenrode im Kreis Lyck stammende katholische Pater Eduard Prawdzik seine diakonischen Aufgaben in der Sozialstation "Lumen Christi" in der Lesopilnaja-Straße 72, 236006 Kali- ningrad, Telefon 007/0112/437165. Eine spontan zugunsten der Sozialstation durchgeführte Geldsammlung ergab einen Betrag von 386 Mark und 20 Rubel.

Nach der Besichtigung der Vogelwarte Rossitten und einer Wanderung durch die Dünenlandschaft erreichte die Reisegruppe Nidden. Welch ein Unterschied zum russisch verwalteten Ostpreußen!

Natürlich wurden das Thomas-Mann-Haus und der Friedhof von Nidden besichtigt. Eine innige Freundschaft zu Monika Mann verband den mitreisenden Pianisten und ostpreußischen Kulturpreisträger, Gottfried Herbst, einen gebürtigen Lycker. Über das Klavierstück, das er im Thomas-Mann-Haus für uns und ihr zu Ehren spielte, hätte sie sich sicher gefreut. Durch die Kirche in Nidden wurden wir auf herzer- quickende Weise in herrlichem ostpreußischen Tonfall von Frau Christel Tepperis, geb. Sakuth, die in Nidden wohnt, geführt. Zu den schönsten Erlebnissen der Reise gehört die zweistündige Fahrt in einem offenen Kahn bei schönstem Sonnenwetter von Nidden über das Kurische Haff an das Memeldelta. Auch die Altstadt von Memel wurde besichtigt und vor dem Ännchen-Denkmal auf dem Theaterplatz das Lied "Ännchen von Tharau" gesungen.

Um nicht noch einmal durch den russisch verwalteten Teil Ostpreußens fahren zu müssen, führte uns unsere Reise über Kaunas nach Lyck. In Kaunas machten wir eine kurze Stadtbesichtigung. Bei der evangelischen Gemeinde kam gerade eine Hilfslieferung aus Deutschland an, über die sich die Gemeindemitglieder sehr freuten. Wir hatten geglaubt, daß wir von Litauen in das südliche Ostpreußen leicht über die Grenze kämen. Aber weit gefehlt. Die litauischen Grenzbeamten ließen uns beim Grenzübergang Lazdijai – Ogrodniki ohne ersichtlichen Grund drei Stunden bei heißer Temperatur warten. Eine schriftliche Beschwerde mit Unterschriftsliste ging im nachhinein an die litauische Botschaft in Berlin.

In Lyck angekommen, wurde bereits am nächsten Tag, am Sonntag, dem 1. Juli 2001, an bevorzugter Stelle auf dem städtischen Friedhof in Lyck in Anwesenheit des polnischen Stadtpräsidenten, Zdislaw Fadrowski, von dem evangelischen Pfarrer, Marian Sontowski, ein Gedenkstein eingeweiht.

Auf dem Gedenkstein ist in polnischer und deutscher Sprache zu lesen: "Wir gedenken derer, die bis 1945 in Lyck lebten und hier starben."

Im Anschluß daran fand beim deutschen Verein am Wasserturm in Lyck ein Sommerfest mit ansprechendem Programm statt. Viele Gäste konnten begrüßt werden, auch Vertreter der polnischen Behörden.

Die Schiffsfahrt über den Beldahnsee mit anschließendem Bootsstaken auf dem Kruttinna-Fluß war obligatorisch. Ein Ausflug führte die Reiseteilnehmer über Lötzen und Heiligelinde nach Rößel. Auf der Rückreise wurde bei dem Massengrab-Denkmal in Hammerbruch, Kreis Sensburg, haltgemacht. Am Abend gab Gottfried Herbst in Lyck bereits zum fünften Mal ein Klavierkonzert. Er spielte diesmal Werke von Scarlatti, Mozart, Beethoven und Schubert.

Am 4. Juli 2001 haben die ehemaligen Schüler des Lycker Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums im Eingangsbereich ihres früheren Schulgebäudes in Lyck im Beisein des Vize-Landrates Jaroslaw Franczuk und des jetzigen Schulleiters Ryszard Skawinski eine Gedenktafel enthüllt, auf der ebenfalls in polnischer und deutscher Sprache zu lesen ist: "Zum Gedenken der in beiden Weltkriegen gefallenen Lehrkräfte und Schüler des Gymnasiums zu Lyck."

Abgerundet wurde die Reise durch Besuche der Soldatenfriedhöfe im Kreis Lyck. Beeindruckt waren die Reiseteilnehmer von dem Friedhof an den drei Kreuzen bei Bartossen, dem "Maurischen Golgatha". Hier entsteht durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ein großer Umbettungsfriedhof für die im ganzen südlichen Ostpreußen gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges. G. B.