28.03.2024

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01.09.01 Spiegels »Minderheiten«

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. September 2001


Gedanken zur Zeit:
Spiegels »Minderheiten«
Polemik, die eher das Gegenteil bewirkt
von Hans-Joachim v. Leesen

O bwohl kaum jemand wagt, in der Öffentlichkeit daran Kritik zu üben, zeigt die Alltagserfahrung, wie überrascht viele Bundesbürger waren, als der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Spiegel, kürzlich vor dem Bertelsmann-Forum erklärte, die derzeitige Situation für Minderheiten in der Bundesrepublik sei „so kritisch wie vielleicht noch nie in ihrer jungen Geschichte“. Er behauptete, daß nirgends in Deutschland Menschen anderer Hautfarbe, anderen Glaubens und anderer Nationalität sich mehr sicher fühlen können.

Man wischt sich die Augen und fragt, ob der Präsident des Zentralrates der Juden von einem anderen Land als Deutschland gesprochen habe. Die Situation von Minderheiten sei so kritisch wie noch nie?

Der Begriff „Minderheiten“ ist völkerrechtlich klar definiert, was Spiegel wissen müßte. Danach gibt es in Deutschland drei Minderheiten: die Dänen, die Sorben und - als sprachliche Minderheit - die Friesen. Es kann doch wohl Spiegel nicht im Ernst behaupten wollen, daß sich Dänen, Sorben und Friesen in Deutschland nicht mehr sicher fühlen!

Oder weitet er den Minderheiten-Begriff aus, so daß er auch die Menschen darunter zählt, die er vertritt, nämlich die Juden? Das wäre ein grundlegend anderes Selbstverständnis, als er es bisher vertrat, und hätte weitreichende Folgen, die er vermutlich nicht bedacht hat.

Zugegeben, die Linke wünscht schon seit langem die Ausweitung des Minderheiten-Begriffs, etwa indem sie den Minderheiten-Status für zugereiste Ausländer, aber auch für Schwule und Lesben, ja, für Frauen fordert. Will Spiegel darin nun auch die Juden einschließen?

Wir können nur warnen.

Spiegel hat sich schon mehrmals mit seinen überspitzten Formulierungen vergaloppiert, etwa als er nach dem Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge im Oktober 2000 empört äußerte: „Was muß noch passieren, daß wir uns die Frage stellen, ob es richtig war, hier in Deutschland gegen die weltweite Kritik wieder jüdische Gemeinden aufzubauen?“ Es stellte sich dann heraus, daß hinter dem Anschlag keine deutschen Antisemiten standen. Und es erwies sich auch, daß offensichtlich die Juden ihren Präsidenten nicht ernst nahmen; wären sonst immer weitere Juden aus der ehemaligen UdSSR nach Deutschland eingewandert?

Oder meint Spiegel die Ausländer in Deutschland? Es gibt in unserem Land über acht Millionen Ausländer. Der Verfassungsschutzbericht 2000 nennt 641 „Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem fremdenfeindlichen Hintergrund“. Rechtfertigt dieses Zahlenverhältnis die Behauptung, Menschen anderer Hautfarbe, anderen Glaubens und anderer Nationalität könnten sich „nirgends in diesem Land mehr sicher fühlen“?

Selbst die stets zurückhaltend formulierende Frankfurter Allgemeine Zeitung nennt Spiegels Äußerungen „Übertreibungen, die in ihrem Mangel an Maß und Genauigkeit Aufmerksamkeit nicht schärfen, sondern zerstören.“ Präsident Spiegel tut einer gemeinsamen Zukunft von Deutschen und Juden in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich keinen guten Dienst mit solchen Polemiken, die mit nichts zu begründen sind.