28.03.2024

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06.10.01 Ostpreußisch für Anfänger - Kleine Sprachlehre für die Enkelgeneration

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. Oktober 2001


Muttersprache - Mutterlaut
Ostpreußisch für Anfänger - Kleine Sprachlehre für die Enkelgeneration

Die meisten Nachahmer der ostpreußischen Sprache scheitern schon an den verschiedenen g-Lauten: „Aber geh, geh!“ oder „Ach Gott, ach Gott“ und erst recht „gar nuscht“ werden zur unüberwindlichen Hürde für Nicht-Muttersprachler. Ein einfaches g, ganz normal wie im Hochdeutschen ausgesprochen, gibt es im Ostpreußischen nämlich nicht. Wann das g wie ein j, wann als ch und wann als gutturales, fast gurgelndes g ausgesprochen wird, kann man kaum lernen. Es wird in die Wiege gelegt wie auch dieses susche patrusche, dieses pusche pusche ei ei - aber bitte immer mit ganz weichem sch. Und so einige ostpreußische Lebensweisheiten werden dabei auch gleich mitgegeben, die man so nur in dieser Sprache vermitteln kann, dieses: „Ward all ware, nuscht is nu all“, oder „Halt dich am Zaun, de Himmel is ze hoch“, und „Hast Brot, suchst Pierag“.

Der durchschnittliche Ostpreuße ist gastfreundlich. Über die seltenen Ausnahmeexemplare der rachullrigen Art, bei denen Geiz und Raffgier die Gastfreundschaft besiegt, urteilt man: „Haben haben se, aber geben geben se nuscht und wenn se geben, machen se schiefe Mäuler.“

Schnell erkennt man die verschiedenen Einflüsse auf diese Sprache. Pierag zum Beispiel kommt aus dem altpreußisch-litauischen Sprachraum und heißt Kuchen, der Bärenfang wurde dort Meschkinnes genannt, nu aber pascholl stammt aus dem Russischen und panjebratsch aus dem Polnischen. Je nach Region heißt es dann Zich, Pungel, Pacheidel, Krepsch und Torba, was alles etwa soviel wie Einkaufsbeutel bedeutet, aber eben doch nur ungefähr.

Wie gemütlich ist doch diese Sprache, wie geschaffen für Omas. Da kommt einer angesockt, narscht dabei foorts, huckt sich hubbernd hin und simeleert. Und dann die vielen „ei“ und „i“! „I“ dient meist der energischen Verstärkung: „Aber i wo werd ich“ oder: „Aber i wo nei nich“, was beides als Antwort auf eine Ermahnung schon so beruhigend klingt.

„Ei“ ist auch so eine Allzwecksilbe und kann fast überall eingestreut werden. Zum Beispiel, wenn etwas freundlich angeboten oder erfragt werden soll: „Ei vielleicht noch e Schlubberche Kaffee oder e Tulpche Bier?“

Da haben wir dann noch so eine Eigenheit des Ostpreußischen, nämlich die vielen Diminutive, die Verkleinerungen, mit denen alles versehen wird, wenn auch nie in der grammatikalisch richtigen Form. Im Ostpreußischen endet alles auf -che, ausnahmslos. Die Endungen -lein und -chen sind ungebräuchlich und kommen schlicht nicht vor. Es gibt auch keine vorhergehende Lautumwandlung zum Umlaut hin. Es heißt also nicht etwa Männlein - sondern? Richtig, Mannche heißt es, Frauche, Katzche, Hundche, Marjellche, Schnaps­che, Bierche …

Im Gegensatz zum Hochdeutschen kennt man auch nur eine Mehrzahlbildung, die egal weg immer auf -chens auslautet: Hühnerchens, Marjellchens, Jung-chens. So wird eigentlich fast alles verniedlicht, sowohl Gegenstände als auch Personen, es gibt das Kantche, e Ministerche, e Generalche, auch e Papstche. Nur der Kaiser, der blieb meist der Kaiser.

Vor allem aber gibt es das charakteristische ostpreußische Wort, ein Wort nur, und schon ist’s klar, daß ein Ostpreuße spricht: „Erbarmung!“ Ein Vielzweckausruf ist Erbarmung, deckt vom Erstaunen, Erschrecken, vom Aufseufzen bis hin zur Freude je nach Betonung eigentlich alles ab. Dieses Erbarmung ist der einzig nennenswerte allgemeingebräuchliche Temperamentsausbruch der Ostpreußen, deren hervorstechendste Charaktereigenschaft eine manchmal an Sturheit grenzende Gelassenheit ist. Selbst bei Schicksalsschlägen folgt ein Schulterzucken mit dem unvermeidlichen, gottergebenen und dann leicht resignierenden Lächeln: „Was is ze machen.“ Mit oder ohne Erbarmung. Barbara Zander