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13.10.01 Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen (V)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Oktober 2001


Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen (V)
Langer Frieden mit Polen - Kämpfe mit Litauen
von Friedrich Borchert

Ludolf König (1342-1345), aus einem sächsischen Geschlecht stammend, hatte nur eine kurze Amtszeit als Hochmeister. Bevor er im Januar 1342 in dieses höchste Amt gewählt wurde, war er mehr als zehn Jahre in leitenden Stellungen als Oberster Treßler, als Statthalter für den verstorbenen Hochmeister Luther v. Braunschweig († 1335) tätig.

Es sind zwei herausragende Ereignisse, die seine kurze Regierungszeit prägen: der Abschluß des lang angestrebten dauerhaften Friedens mit Polen und der völlig gescheiterte Kriegszug gegen Litauen mit den persönlichen Folgen für den Hochmeister.

Bereits unter seinen Vorgängern hatte der friedliche Ausgleich mit Polen höchste politische Priorität. Nach Zurückweisung der polnischen Klagen gegen den Deutschen Orden riet Papst Johannes XXIII. zur Verständigung der Kontrahenten. Bald darauf ermahnte der nachfolgende Papst Clemens VI. die Bischöfe von Meißen, Krakau und Kulm, das Friedenswerk voranzutreiben.

Am 8. Juli 1343 wurde unter Beteiligung der Könige von Ungarn und von Böhmen der berühmte Friedensvertrag von Kalisch geschlossen. Darin verzichtete König Kasimir von Polen auf das Kulmer Land, auf Pommerellen und auf Nessau. Außerdem versicherte er, niemals wieder den Titel eines Herzogs von Pommern zu führen, und garantierte, 60 Jahre Frieden zu halten. Polnische Städte stellten dem Deutschen Orden Friedensbriefe aus. Der Orden mußte nun die eroberten Gebiete Dobrin (Dobrzyn) und Kujawien räumen.

Am 23. Juli 1343 trafen sich Hochmeister Ludolf König und König Kasimir von Polen beim Dorf Wirbitzino und tauschten Friedensurkunden und den Friedenskuß aus.

Der Friedensschluß mit Polen war eine herausragende Leistung der Ordensdiplomatie im zurückliegenden Jahrzehnt. Er ist aber nur zustandegekommen im Zusammenwirken der Könige und Fürsten benachbarter und befreundeter Länder sowie unter starkem Einsatz der päpstlichen Autorität unter Mithilfe der beteiligten Bischöfe.

Die eingetretene Befriedung hat die positive Entwicklung des Ordenslands Preußen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sehr gefördert, wenn nicht überhaupt erst ermöglicht. Andererseits blieb die nordöstliche Grenze gegen Litauen weiterhin eine schwärende Wunde.

Bei seinen vielen Reisen durch das Land und bei seinen Inspektionen gewann der Hochmeister Erkenntnisse, die er sogleich in Anordnungen zur Abwendung von Mißständen umsetzte. So verschärfte Ludolf König beispielsweise die Hygienevorschriften zur Minderung der ständigen Seuchengefahr.

Seine besondere Zuwendung fand die Stadt Danzig, der er 1343 die Handfeste nach kulmischem Recht erteilte. Der allein damit begabten inneren Stadt, der sogenannten Rechtstadt, gewährte er neben einer größeren räumlichen Ausdehnung besondere Rechte.

In dieser Zeit wurde die Stadtbefestigung ausgebaut und mit Mauertürmen versehen. Für die neu erstehende dreischiffige Basilika St. Marien legte man den Grundstein.

In Marienwerder schritt der Bau des Doms voran, der als drittgrößte Kirche des Ordenslandes gilt und zusammen mit der Kapitelsburg eine sehr eindrucksvolle Baugruppe bildete, die im Weichseltal weit sichtbar war. Unter dem polygonal geschlossenen Chor der Kathedrale lagen in der Unterkirche die Grüfte der pomesanischen Bischöfe und des Hochmeisters Werner v. Orseln († 1330). Schon bald fand hier Ludolf König seine letzte Ruhestätte.

Im Jahre 1343 führte der Ordensmarschall Heinrich Dusemer ein preußisches Ordensheer zur Unterstützung des livländischen Ordenszweiges im Kampf gegen die aufständischen Esten nach Estland. Dort besiegte er gemeinsam mit dem livländischen Landmeister Burchard v. Dreyleben die Aufständischen vor Reval. Die dänischen Vögte und Vasallen hatten das Land dem Deutschen Orden übergeben, weil sie von Dänemark keine Hilfe erhielten. Nach langen Verhandlungen traten die Dänen um 1346 das Land gegen Zahlung eines Kaufpreises an den Orden ab.

Im Zusammenhang mit den Operationen in Estland plante der Hochmeister im Winter 1344/45 einen Kriegszug gegen die Litauer, um deren Eingreifen zu verhindern. In Königsberg sammelte sich ein großes Kreuzfahrerheer, an dem sich diesmal besonders viele Fürsten und Ritter aus den europäischen Nachbarstaaten beteiligten. Unter den adligen Teilnehmern waren König Johann v. Böhmen und der König von Ungarn, der Herzog von Bourbon, Markgraf Karl v. Mähren, Graf Wilhelm IV. von Holland, die Grafen von Schwarzburg und von Holstein und viele andere.

Erst nach langem Warten trat der Frost ein, der die schlechten Wege durch Sümpfe und über Flüsse überhaupt erst passierbar machte. Nachdem sich das Heer endlich am 10. Februar 1345 in Marsch gesetzt hatte, rief es der Hochmeister bereits nach vier Tagen wieder zurück, weil die Litauer angeblich zu einem Angriff auf die Heeresbasis im Samland antraten. Erst als das Ordensheer zurückeilte, stellte sich heraus, daß den Litauern eine Täuschung gelungen war. Sie fielen nun nach Livland ein und verheerten das Land. Ein neuer Vorstoß des Ordensheeres wurde durch die Wetterlage verhindert, denn einsetzendes Tauwetter hatte alle Wege unpassierbar gemacht.

Dieser Litauerzug war ein völliger Mißerfolg, der von allen Seiten Hochmeister Ludolf König vorgeworfen wurde. Sogar die enttäuschten hochrangigen Gäste ergingen sich in Vorwürfen und Beschimpfungen gegen den Hochmeister. Dieser konnte seine Schuld an dem verunglückten Kriegszug nicht verwinden und wurde schwermütig. Der vorher aufgeschlossene und freundliche Ordensmann ging nun geistesabwesend umher. Weil Suizidgefahr bestand, hatte sein Diener den Auftrag, ihn besonders zu beobachten. Das ärgerte und erregte den Kranken derart, daß er tätlich gegen den Diener vorging und ihn dabei verletzte. Nun wurde er gebeten, seinen Aufenthalt auf der Engelsburg zu nehmen.

Hochmeister Ludolf König trat noch im Jahr 1345 vom Amt zurück, und sein späterer Nachfolger, der Oberste Marschall Heinrich Dusemer, wurde Statthalter. Im Zusammenhang mit diesen Ereignissen wurde fast der gesamte Führungsstab des Ordens ausgewechselt.

Hochmeister Ludolf König verstarb 1348 auf der Engelsburg und wurde im Dom zu Marienwerder beigesetzt.

Heinrich Dusemer (1345-1351) wurde bereits am 13. Dezember 1345 zum Hochmeister erwählt, nachdem er seinen resignierten Vorgänger einige Monate als Statthalter vertreten hatte. Seine Herkunft ist nicht sicher überliefert, jedoch stammte er wahrscheinlich aus dem bayerisch-schwäbischen Raum. Bereits um 1311 wird er als Ordensritter erwähnt. Nachdem er zwei Jahre als Pfleger in Tapiau eingesetzt war, begann sein Aufstieg mit der Ernennung zum Komtur der wichtigen Burg Ragnit an der Memel. Um 1333 war er Ordensvogt vom Samland und erhielt anschließend die ausgedehnte Komturei Brandenburg.

Als Oberster Marschall führte er 1343/44 ein preußisches Hilfskorps nach Livland zur Unterstützung des livländischen Ordenszweiges gegen die auf- ständischen Esten. Erst 1346 gelang es in seiner Amtszeit als Hochmeister, Estland nach langen Verhandlungen von den Dänen gegen Zahlung von 19.000 Mark Silber zu erwerben. Das war ein großer Gewinn, denn nun hatte das Gebiet des livländischen Ordenszweiges eine natürliche Nordgrenze.

Offensichtlich war der Ordensritter Dusemer ein besonders tüchtiger Kämpfer und Fechter. Es wird berichtet, daß er als junger Ritter den litauischen Großfürsten Wyten im Zweikampf besiegt habe. Dieser ließ sich später bei einer Zusammenkunft den damaligen Sieger vorstellen und sprach ihm seine Bewunderung für seinen Kampfesmut und Ritterlichkeit aus. Damit traf er genau das verbreitete allgemeine Urteil über diesen ehrenwerten, mannhaften Ordensmann.

Die Grenze zu Litauen blieb auch nach der Übernahme des Hochmeisteramts durch Heinrich Dusemer dauernd unruhig. Gleich im ersten Jahr fielen die Litauer ins Ordensland ein. Aber auch der Orden setzte seine sogenannten Litauerreisen fort, die in der Art von Kreuzzügen oder Heidenfahrten unter Beteiligung von Gästen aus der europäischen Ritterschaft und aus den Fürstenhäusern durchgeführt wurden. Offiziell dienten sie der Christianisierung - häufig waren aber Abenteuerlust und Ritterkampf die Antriebe der Gäste - und en-deten oft mit der Verheerung der gegnerischen Gebiete.

Im galindischen Grenzgebiet zu Sudauen ließ der neue Hochmeister die Johannisburg als Holz-Erde-Befestigung errichten. Ihr strategisch wichtiger Platz in Deckung durch Seen und Sümpfe lag am südlichen Haupt der masurischen Seenkette und der parallel zu ihr angelegten Burgenlinie von Angerburg über Lötzen bis nach Eckersberg.

Die Litauerfürsten Kynstut und Olgierd versuchten, die systematische Einschließung Samogitiens durch den Orden aufzubrechen. Bei einem großen Angriff im Memelgebiet bei Kauen erlitten sie am Fluß Strebe eine vernichtende Niederlage. Das Ordensheer unter Führung des Großkomturs Winrich v. Kniprode überrannte die aus Litauern und Russen bestehende Streitmacht und brachte ihr außergewöhnlich hohe Verluste bei. Der Sieg war so groß, daß Hochmeister Dusemer dem Kloster der Benediktinerinnen auf dem Löbenicht zu Königsberg aus Dankbarkeit für das Schlachtenglück das Zinsdorf Lichtenhagen schenkte. Das Kloster wurde später von Herzog Albrecht in ein großes Hospital umgewandelt.

Hochmeister Dusemer war aber nicht nur ein tapferer Krieger, sondern auch ein umsichtiger Landesherr. Er führte in Pommerellen Reformen durch, bei denen die Dienste der Bauern vermindert und die Zahl der Höfe und Güter vermehrt wurden. Seine Förderung galt auch dem Ackerbau und der Viehzucht. Besonderes Augenmerk galt auch dem Wachsen des Handels. Vor allem die Hansestädte Thorn, Danzig, Elbing und Königsberg konnten den Fernhandel mit Flandern, England und Skandinavien stark ausbauen. Steigende Überschüsse aus der Landwirtschaft gingen in den Export, und als Gegengeschäfte kamen Fertigfabrikate, Salz und Heringe ins Land.

Mit der Zunahme des Wohlstands in den Städten stieg dort auch der Hang zur Genußsucht und Schwelgerei. Daneben fiel besonders in den Städten Kulm, Thorn und Elbing eine markante Zunahme der Kriminalität auf. Neben Maßnahmen zur Bekämpfung von Straßenraub und von Kapitalverbrechen traf der Hochmeister auch Vorsorge, um die Ordensbrüder vor den Auswüchsen des städtischen Wohllebens zu bewahren. Er verbot ihnen bei Reisen den Aufenthalt in den Städten und warnte besonders vor Elbing, wo angeblich Gastmähler und Saufgelage an der Tagesordnung waren.

Neue Ansiedlungen und Landvergaben brachten dem Ordensland einen steten Aufstieg. Der Hochmeister erteilte einer Reihe von neuen Städten Handfesten nach kulmischem Recht, unter anderem um 1348 Tuchel, 1349 Soldau und 1351 Schippenbeil, das damals Schiffenburg hieß.

Um 1350 brach in Preußen die aus Asien eingeschleppte Pest aus, die auch andere europäische Länder wie beispielsweise England heimsuchte, wo es über 50.000 Tote gab. Die Seuche wütete im Ordensland besonders stark. Ganze Dörfer starben aus, und in den Städten fielen ihr viele Menschen zum Opfer. In Danzig zählte man 13.000 Tote, in Königsberg 8.000 und in Thorn 4.000. Auch 117 Ordensbrüder erlagen der Pest. Die Bevölkerung des Landes erlitt einen Aderlaß, der lange Zeit nicht auszugleichen war.

In dieser mißlichen Lage legte Heinrich Dusemer am 14. September 1351 vor dem Generalkapitel das Amt des Hochmeisters nieder. Wir kennen die Gründe seines Amtsverzichts nicht. Es ist nicht überliefert, ob er krank war oder ob er sich der schwierigen Lage des Landes nicht gewachsen sah. Er zog sich auf die kleine Ordensburg Brattian an der Derwenz zurück.

Bereits zwei Jahre nach seinem Rücktritt verstarb Heinrich Dusemer auf seinem dortigen Ruhesitz und wurde in der St. Annen-Gruft der Marienburg beigesetzt. Der Grabstein trug die linear eingehauene Figur des Hochmeisters und eine in Bruchstücken überlieferte Inschrift, die bis jetzt nur zum Teil entziffert werden konnte.