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20.10.01 »Kinder sind sichtbar gewordene Liebe«

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Oktober 2001


Frankfurter Buchmesse:
»Kinder sind sichtbar gewordene Liebe«
Die Bevölkerungspolitik ignoriert weithin den Buchmarkt zum Thema Familie
von Jürgen Liminski

Kinder sind sichtbar gewordene Liebe“ - Wenn dieser Satz des deutschen Romantikers Novalis (Friedrich von Hardenberg) stimmt, dann muß die Liebe in Deutschland schon ziemlich verborgen sein. Aber daß sie nicht mehr existiere, davon kann auch keine Rede sein. Kinder, Familie und Erziehung sind ein großes, aber heimliches Thema in Deutschland. Den jüngsten Beweis lieferte die Frankfurter Buchmesse.

Sie mag ihre Länderschwerpunkte haben, der Markt hat sein eigenes. Und das heißt eben Familie und Erziehung. Seit einiger Zeit ist der Markt voll davon, jetzt rückt das Thema auch auf die Bestseller-Listen vor. Zum Beispiel „Der Erziehungsnotstand“ von der ZDF-Moderatorin Petra Gerster und ihrem Mann, Christian Nürnberger. Oder das Buch der Jounalistin Ulrike Horn, „Neue Mütter hat das Land“. Eine weitere Journalistin, Susanne Gaschke, titelt sogar „Die Erziehungskatastrophe“. Wieder ein anderes redet vom Weltwissen der Kinder, ein weiteres von der „Familie als Beruf - Arbeitsfeld der Zukunft“ - alles Bücher, die in diesem Jahr erschienen sind und nur einen Bruchteil der langen literarischen Liste über diese Thematik ausmachen.

Bricht hier ein vernachlässigtes Thema durch die Eisschicht der sozialen Kälte an die Oberfläche? Es ist nicht leicht in Deutschland, Familie zu leben und Kinder zu erziehen. Die Bestandsaufnahme ist überall gleich und wiederholt die bekannten und von der Politik mißachteten Klagen. Der Familie geht es schlecht in diesem Land. Nicht nur materiell. Sie wird nachweislich ausgebeutet, und nur das Bundesverfassungsgericht weist von Zeit zu Zeit auf dieses Unrecht hin. Und das Unrecht hat auch Folgen. Es gibt zu wenig Kinder (bei der Demographie und ihren Konsequenzen wird die Literaturliste ebenfalls länger) und es gibt zu wenig gute Beziehungen. Der Primat der Wirtschaft wird von der Politik gnadenlos umgesetzt. Statt die Familie materiell und zeitlich zu entlasten und die ihr vorenthaltene Leistungsgerechtigkeit zu schaffen, wird sie emotional noch stärker belastet, indem man Erziehung mit Betreuung gleichsetzt und Gelder in öffentliche Einrichtungen pumpt.

Die Politik traut sich nicht mehr, auch in Bayern nicht, die traditionelle Familie zu fördern und ihre Leistung auch öffentlich anzuerkennen. Junge Frauen wollen arbeiten, lautete der simple, auch demoskopisch untermauerbare Befund. Kein Wunder, wenn die Haus- und Familienarbeit seit Jahrzehnten öffentlich verachtet und verfemt und immer nur von den materiellen Arbeiten statt auch von der Erziehungsarbeit gesprochen wird! In Skandinavien und in Frankreich ist das anders. Dort wird die Familie finanziell stärker gefördert, und zwar direkt, nicht nur über öffentliche Einrichtungen, und das Ergebnis ist deutlich: Die Geburtenquote liegt signifikant höher als in Deutschland. Es ist eben zu einfach, nur monokausal zu denken und zu behaupten, wenn man Familie und Beruf unter einen Hut bringt, dann gibt es auch mehr Kinder.

Familienarbeit und Erwerbsarbeit miteinander zu versöhnen bedeutet immer, den Familien mehr Geld zukommen zu lassen, entweder durch die Arbeitgeber oder durch den Staat. Eine Versöhnung, die das nicht leistet, wird auch nicht zu mehr Kindern führen, von einem Mehr an Erziehung ganz zu schweigen. Dennoch bleibt der Wunsch nach Familie, bleibt die Sehnsucht nach geglückter Beziehung. Wirtschaft und Politik mögen diese Sehnsucht lächerlich machen und die persönliche Erfüllung nur in der Arbeit außer Haus orten. Die Menschen machen diese Dummheit nicht mit und lehnen sich auf. Prominente Frauen aus Showbusineß, Sport und Medien gelten immer öfter als Vorzeigemütter. „Die neue Emanzipation der Frau heißt Mutterschaft“, liest man auch in der Schweiz, und die Norwegerin Janne Haaland Matlary sieht den Feminismus im Wandel und macht sogar eine neue „Blütezeit“ aus.

Natürlich finden sich unter den neuen Büchern auch manche Sumpfblüten. Susanne Gaschkes Verurteilung der Eltern, Lehrer Erzieher, Politiker, ja eigentlich aller, die mit Bildung und Erziehung zu tun haben, ist einfach zu pauschal, um wirklich ernst genommen zu werden. Auch ihre Lösung ist zu einfach: Sie setzt auf charismatische Persönlichkeiten in diesem Bereich. Als ob die meisten Eltern nicht per se für ihre Kinder charismatisch sind, jedenfalls, wenn die Kinder frei nach Novalis die Liebe der Eltern - untereinander und zu den Kindern - sichtbar machen.

Wirklich wichtig sind die persönlichen, engen Beziehungen, wirklich wichtig ist die Liebe. Es ist Zeit, über Erziehung und Werte zu reden, sagen deshalb Gerster und Nürnberger und in einem bemerkenswert dichten, kleinen Handbuch über Ehe und Familienleben fordert der Arzt und Priester Johannes Vilar die jungen und alten Menschen in diesem Land auf, „Mut zur Familie“ (Stella Maris Verlag) zu schöpfen trotz allem. Mut zur Familie - daß dies heute so formuliert werden muß und keine Selbstverständlichkeit mehr ist, diese gesellschaftliche Suppe haben uns kurzsichtige Politiker und profitgierige Manager eingebrockt. Sicher sind nicht alle so. Aber die Vernünftigen halten sich noch zurück, obwohl die Zeit für eine Wende abläuft.

So schickt der Mut seine Boten in Buchform voraus. Es ist kein Zufall, daß die meisten Bücher von Journalisten geschrieben sind. Sie sind in der Regel nah am Volk und spüren die Not. Der Markt gibt ihnen zunehmend recht. Manchmal ist es, zumindest in Deutschland, nur der Mut der Verzweiflung, der sich hier artikuliert. In Frankreich erschienen solche Bücher schon vor zehn Jahren. Das gibt Hoffnung. Vielleicht kommen auch die Macher in Frankfurt mal auf den Gedanken und setzen als Schwerpunkt der Buchmesse 2002 Familie und Erziehung. Es würde sich nämlich lohnen.