28.03.2024

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03.11.01 Gerhard Löwenthal über die Haltung der CDU zu PDS und Schill

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. November 2001


Parteien:
Dem Zeitgeist verfallen
Gerhard Löwenthal über die Haltung der CDU zu PDS und Schill

Nun hat der Virus der Zeitgeisthörigkeit, vielfach als „political correctness“ verschleiert, auch die Unionsparteien vergiftet. Ob politische Naivität, Angst vor klaren Worten oder Panik vor Gysis angeblichem Erfolg - als Erklärung für die Äußerungen von Michael Glos, immerhin Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, „es reiche nicht mehr aus, die Keule der Vergangenheit auszupacken“, oder von Angela Merkel, die „weg will von der Verteufelung der PDS“ - beides nachzulesen in der „Frankfurter Sonntagszeitung“ - ist das alles letztlich unerheblich. Wer dafür plädiert, die Fortsetzungspartei der Mauermörder nicht mehr an ihrer Vergangenheit zu messen, an den 45 Jahren brutaler Diktatur mit Zigtausenden von Opfern, wer ignoriert, daß der wegen seines konsequenten Kampfes gegen Nazis und Kommunisten verehrungswürdige erste Vorsitzende der SPD, Kurt Schumacher, die Kommunisten als rot-lackierte Nazis bezeichnete, der dokumentiert den Niedergang der politischen Klasse nun auch im bürgerlichen Lager.

Schumachers klarsichtige Formulierung wird im Schlußbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages zur Aufarbeitung der SED-Diktatur überzeugend dokumentiert, wenn dort festgestellt wird, daß „ein Vergleich beider Diktaturen zulässig ist“ (Bundestagsdrucksache 12/7620, Seite 282). Können Sie sich vorstellen, was passiert wäre, wenn nur zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur ein Politiker es gewagt hätte, die NSDAP für demokratiefähig zu erklären, statt die Fortsetzungspartei SRP durch das Bundesverfassungsgericht verbieten zu lassen?

Ist ein Teil des relativ hohen Wahlergebnisses der PDS/SED im Osten Berlins nicht auch dadurch zu erklären, daß die CDU diese Partei eben nicht frontal attackierte, den Biedermann Gysi eben nicht fragte, was er zu Ausbildung, Bewaffnung und Finanzierung von Terroristen durch die Stasi, zum Verstecken der Mitglieder der terroristischen Baader-Meinhof-Bande durch die SED-Führung, zur millionenfachen Verfolgung politisch Andersdenker und deren brutalster Mißhandlung in den Zuchthäusern der DDR zu sagen hat?

Verantwortlich für das Debakel ist aus meiner Sicht die verhäng-nisvolle Konsenssucht, der so viele Politiker zu verfallen scheinen. In der Politik, zumal im Wahlkampf, geht es nicht ohne Konfrontation, ohne deutliche Sprache, denn nur dann werden Alternativen deutlich. Wer sich davor scheut, gehört von Anfang an zu den Verlierern. Der machtbesessene Gysi, angebetet von den ewig Gestrigen und kräftig unterstützt von den dialektisch bestens Geschulten und einer ihm ergebenen publizistischen Linksmafia, hat beim Kampf um Machtbeteiligung nicht die geringsten Skrupel. Die hat die CDU im Übermaß, wenn sie sich scheut, den Verrat der SPD durch das Zusammenwirken mit den Kommunisten auch als Verrat zu bezeichnen, den totalitären Cha-rakter der PDS/SED immer wieder anzuprangern. So jedenfalls kann man keine grundlegende Umkehr der politischen Zustände erreichen.

Ihre Unbedarftheit beweist die CDU-Führung auch im Umgang mit dem Phänomen der „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ von Ronald Schill. Der sensationell wirkende Wahlerfolg von 19,4 Prozent ist in Wahrheit gar nicht sensationell, weil er zu erwarten war. Er dokumentiert die Unzufriedenheit selbst langjähriger CDU-Wähler mit der Unfähigkeit dieser Partei, bürgerlich-konservative Positionen energisch und überzeugend zu vertreten und sich dem Zeitgeist konsequent zu verweigern.

Doch statt den Silberstreif am Horizont zu erkennen, der wenigstens andeutungsweise die Chance bietet, endlich zu einem bürgerlich-konservativen Koalitions- partner zu kommen, der einen Machtwechsel ermöglicht, holt man bereits wieder die Abwehrkeule hervor, um einen möglichen Partner zu erschlagen. Die erfolgreiche Maxime Scharnhorsts „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ geht nicht in die Köpfe der CDU-Verantwortlichen hinein. Dabei ist die Lage doch eindeutig: Schröder hat zum Machterhalt drei Optionen: Rot-Grün, Rot-Grün-Gelb, Rot-Rot. Die CDU hat keine. Die FDP - von Herbert Wehner einst zutreffend als „Pendlerpartei“ charakterisiert - kommt seit vielen Jahren nicht mehr als zuverlässiger Partner in Frage.

Andererseits weiß man, daß es ein Potential von 30 bis 36 Prozent Wahlberechtigten gibt, die sich selbst als „eher rechts“ einstufen. Wenn von diesem Potential nur die Hälfte auch so wählt, dann reicht es (endlich!) wieder zu einem politischen Machtwechsel. Ohne die Partei Rechtsstaatlicher Offensive gäbe es eben keinen CDU-Bürgermeister in Hamburg. Die CDU muß endlich begreifen, daß das Zeitalter der sogenannten Volksparteien vorbei ist. Mehr als 50 Jahre nach dem Entstehen der Parteienlandschaft ist eine Reform überfällig. Auf der Linken hat es sie ja auch schon gegeben. Ich berichte jetzt hier zum erstenmal über ein Gespräch, das ich mit Konrad Adenauer wenige Tage vor seinem Tode Ende März 1967 anläßlich einer Aufzeichnung für eine Fernsehsendung hatte. Auf meine Frage, was seiner Meinung nach sein größter innenpolitischer Fehler gewesen sei, antwortete er ohne Zögern: „Daß ich die Deutsche Partei in die CDU überführt habe.“ Die DP war damals eine ausgesprochen konservative Gruppierung - und ein zuverlässiger Partner der CDU.

Der weitsichtige Adenauer hatte damals schon erkannt, daß die CDU einen Partner braucht, auf den sie sich verlassen kann, wenn es um die Realisierung bürgerlich-konservativer Politik geht. Seine Enkel und Urenkel sollten erstens zu einer wirklich konservativ zu nennenden Politik zurückkehren, zu der die Durchsetzung einer echten Werteordnung ebenso gehört wie die Schaffung eines demokratisch legitimierten patriotischen Nationalbewußtseins mit europäischer Gesinnung, und zweitens das Ent- stehen eines echten Koalitionspartners wenn schon nicht unterstützen, so doch wenigstens nicht behindern - denn anders kann ein Machtwechsel, der ein Richtungswechsel sein muß, nicht erreicht werden. Viele meiner mehr als tausend öffentlichen Versammlungen habe ich bei drängenden Fragen aus dem Publikum mit dem Satz beendet: „Augen zu - CDU.“ Aber nun wird es Zeit, wieder mit offenen Augen zu wählen. Die Chance dafür rückt näher.