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03.11.01 / 7. November 1949 - Uraufführung der Staatshymne der DDR in Berlin (Ost)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. November 2001


Das historische Kalenderblatt: 
7. November 1949 - Uraufführung der Staatshymne der DDR in Berlin (Ost)

Turnusmäßig traf sich am 13. September 1949 das Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands im Osten Berlins zu einer Sitzung unter der Leitung des Parteivorsitzenden und späteren Staatspräsidenten der DDR Wilhelm Pieck. Unter Punkt 4 und dem Stichwort „Deutsche Nationalhymne“ heißt es im entsprechenden Sitzungsprotokoll, daß das ebenfalls anwesende Politbüromitglied Anton Ackermann beauftragt worden sei, „mit dem Genossen [und Präsidenten des Deutschen Kulturbundes] Johannes R. Becher und dem Komponisten Hanns Eisler über die Schaffung einer Nationalhymne zu sprechen“. Als Fristende wurde der 1. des Folgemonats gesetzt.

Ackermann scheint seinen Auftrag erfüllt zu haben. Drei Tage nach der Gründung der DDR und einen Tag vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten schrieb Pieck seinem „lieben Freund Becher“: „Mir ist in dieser Nacht, wo ich vor neuralgischen Schmerzen nicht schlafen konnte, folgender Gedanke über eine Hymne der Republik gekommen: Die Hymne sollte drei Verse mit je einem Refrain enthalten. Der 1. Vers sollte die Demokratie in Verbindung mit der Kultur haben. Der 2. Vers die Arbeit in Verbindung mit dem Wohlstand des Volkes. Der 3. Vers die Freundschaft mit den Völkern in Verbindung mit dem Frieden. Der Refrain sollte die Einheit Deutschlands zum Inhalt haben. Überlege Dir einmal diesen Gedanken. Wenn Du einen besseren hast, um so besser.“

Entsprechend den Vorgaben seines Parteichefs suchte der Kulturbundpräsident erklärtermaßen nach einer „Friedenshymne“, die „von allen Schichten unseres Volkes (auch von der Gemüsefrau!) mit leidenschaftlicher Anteilnahme gesungen werden“ konnte. Unverkennbar ist auch hier der für die damalige SED-Politik typische Anspruch, auch Nicht-Genossen und Westdeutsche anzusprechen.

Nachdem Becher laut seinem Mitarbeiter Alexander Abusch noch am 11. Oktober „eine Schallplatte nach der anderen“ mit Nationalhymnen anderer Staaten abgespielt haben soll, „um hinter das Geheimnis der Wirksamkeit ihres Textes zu kommen“, konnte er bereits am darauffolgenden Tage dem als vergleichsweise unpolitisch geltenden Komponisten Ottmar Gerster schreiben: „Hier übersende ich Dir den Textvorschlag zu einer Nationalhymne. Vielleicht ist es Dir möglich, ihn musikalisch zu bearbeiten. Bitte schreibe mit möglichst umgehend Deine Meinung bzw. auch Änderungsvorschläge.“

Gerster reagierte schnell. Bereits elf Tage später fragte er Becher, wann er zum Vorspiel seines Vertonungsentwurfes von Weimar nach Berlin kommen könne, nachdem er sich vorher bereits lobend über Bechers Textentwurf geäußert hatte. Beide einigten sich auf den 4. November als Vorspieltermin.

Bevor es zum verabredeten Vorspiel kam, noch im Oktober, traf sich Becher mit Hanns Eisler anläßlich der Feierlichkeiten zum 200. Todestag von Johann Wolfgang von Goethe im Warschauer Hotel „Bristol“. Wie zuvor schon Gerster erhielt nun auch Eisler von Becher seinen Nationalhymnenentwurf mit der Bitte, ihn zu vertonen. Noch in Polen, im unweit der Hauptstadt gelegenen Geburtshaus Frédéric Chopins, stellte Eisler „auf dem alten Flügel“ seines großen polnisch-französischen Kollegen Becher einen Vertonungsentwurf vor.

Am 4. November trugen sowohl Gerster als auch Eisler jeweils ihre Version im großen Saal des Klubs der Kulturschaffenden Becher und anderen anwesenden Kulturbundsfunktionären vor, wobei ihnen außer einem Flügel auch ein eiligst aus Angestellten der Zentralleitung zusammengestellter provisorischer Chor zur Verfügung stand. Die Entscheidung fiel jedoch erst am darauffolgenden Vormittag in Piecks Wohnung, als die Prozedur, der Komponistenwettkampf, wiederholt wurde. Diesmal sangen jedoch professionelle Opernsänger von der Berliner Staatsoper, und das Auditorium war das SED-Politbüro. Die Politiker entschieden sich für die Kombination des konkurrenzlosen Becher-Textes mit der Eisler-Melodie. Noch am selben Nachmittag wurde der Politbüro- beschluß vom Ministerrat unter dessen Präsidenten Otto Grotewohl nachvollzogen.

Bei dem am 7. November 1949 in der Deutschen Oper stattfindenden Staatsakt der Regierung der DDR aus Anlaß des 32. Jahrestages der Oktoberrevolution wurde die „Deutsche Nationalhymne“ vom Chor des Berliner Rundfunks unter der Leitung von Professor Helmut Koch erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

 

Hanns Eisler und Johannes R. Becher: Der Komponist und der Dichter der DDR-Hymne im Monat ihrer ersten offiziellen Aufführung