19.04.2024

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24.11.01 Kinderbriefe 1939 bis 1945 auf einer Ausstellung in Hamburg gezeigt

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. November 2001


Kleine Helden des Alltags
Kinderbriefe 1939 bis 1945 auf einer Ausstellung in Hamburg gezeigt

Jetzt bin ich aber satt zum Platzen. Denn eben gab es zum Abendbrot Rotkohl und Kartoffeln, das Kotelett habe ich dazu gemalt.“ Dies ist ein Ausschnitt des Briefes der kleinen Marion an ihren Vater im Jahre 1943. Marions Brief ist nur einer von vielen, die Kinder an ihre Väter an die Front schickten, zu sehen - und zu lesen - in einer Ausstellung mit dem Titel „Abends wenn wir essen fehlt uns immer einer“. Die umfangreiche Sammlung von Kinderbriefen ist noch bis zum 17. Februar im Hamburger Museum für Kommunikation, Gorch-Fock-Wall 1, zu besichtigen (dienstags bis sonntags 9 bis 17 Uhr). Sie wurde von Herta Lange im Laufe von 20 Jahren zusammengesucht und zeigt einen Ausschnitt des Lebensalltages von 1939 bis 1945.

Auf den ersten Blick scheinen es ganz normale Briefe von Kindern an ihre abwesenden Väter zu sein, denn es wird viel von normalen Alltagsgeschehnissen, Geburtstagswünschen und von der Schule geschrieben, doch der Krieg läßt sich nicht ganz verdrängen. So beschwert sich die 12jährige Hildegard bei ihrem Vater, daß ihre Mutter ihren Puppenwagen für ein Pfund Butter und Eier verkauft hat. Ein anderes Kind ist traurig, weil sein Vater schon seit zwei Jahren nicht mehr daheim war. Andere schreiben lange, sehnsüchtige Briefe aus den Orten ihrer Kinderlandverschickung. Einige schreiben munter, und andere wieder wollen nach langer Trennung von zu Hause endlich abgeholt werden.

An den vielen Briefen läßt sich erkennen, daß Väter wie Kinder versuchten, eine normale Beziehung aufrechtzuerhalten - allen widrigen Umständen zum Trotz. So schickt ein Vater seiner Tochter ihren Brief korrigiert zurück und verweist darauf, daß sie den Duden öfter zur Hand nehmen solle. Aus den Schützengräben heraus bemühen sie sich, ihre Kinder zu erziehen, und berichten nur selten von der Grausamkeit des Krieges. Während die Männer häufig über unverfängliche Dinge schreiben, sprechen die Kinder unbefangen von Hunger, Bombenalarm, von Zerstörungen und Toten in Straßengräben.

Ein rührender Brief ist der von Hansi an seine Mutti, als der Vater als vermißt galt. Da schreibt der Junge an seine Mutter, als ob er der Vater wäre: „Liebe Hilde, es geht mir gut. Dein Mann.“

In einem nachgebauten Luftschutzkeller läuft ein Tonband. Man hört Stimmen, die aus den Briefen der Kinder vorlesen. Neben den Korrespondenzen, die zum Teil im Original, aber auch in Reproduktionen zu sehen sind, finden sich auch andere Exponate wie Kleidung, Spielzeug, Schul- und Liederbücher, Zeichnungen, Zeugnisse, Fotos, Plakate, Erkennungsmarken der Väter oder gar Todesanzeigen. Eine aktuelle Porträtfotografie und ein kurzer Text über die eigene Kindheit vervollständigen das Bild der kleinen Helden des damaligen Alltags. Im Zentrum des Raumes ist ein nachgestelltes Wohnzimmer, der Raum, in dem sich das Familienleben größtenteils abgespielt haben dürfte. Daneben ist ein kleines Kino, in dem originale Filmausschnitte gezeigt werden, auf die sich die Kinder in ihren Briefen beziehen.

Die Ausstellung kombiniert traditionelle Darstellungsweisen mit modernen Medien, so daß sie gar nicht langweilig werden kann. Nicht zuletzt macht sie auch eine Welt wieder lebendig, die schon vergessen schien. Zeitgeschichte zum Greifen. Rebecca Bellano