29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.11.01 Hans-Joachim v. Leesen über bundesdeutsche »Geschichtspolitik« und ihre ganz alltäglichen Lügen (Teil I)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. November 2001


Bilder der Vergangenheit: 
Seltsam einheitlich
Hans-Joachim v. Leesen über bundesdeutsche »Geschichtspolitik« und ihre ganz alltäglichen Lügen (Teil I)

Kurz vor seinem Tod äußerte, wie damals die Medien berichteten, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, seine Sorge darüber, daß sich die Richtung der deutschen Geschichtspolitik ändern könne. Anlaß für seine Besorgnis war die anhaltende Diskussion über wichtige Ereignisse der Zeitgeschichte, die bisher als unumstritten galten, die nun aber von unterschiedlichen Seiten betrachtet und nicht zuletzt aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse kontrovers gedeutet werden.

Dazu gehört etwa der Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges, von dem jahrzehntelang einhellig behauptet worden war, es habe sich um einen „deutschen Überfall“ gehandelt, eine Sicht der Ereignisse, die nicht zuletzt durch die teilweise Öffnung sowjetischer Archive, durch Forschungen junger russischer wie namhafter deutscher Historiker sich heute ganz anders darstellen.

Besonders erregte Bubis aber die seinerzeitige, inzwischen berühmt gewordene Rede Martin Walsers anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998, der kritische Anmerkungen zur permanenten, alles überwältigenden Vergangenheitsbewältigung gemacht hatte und dabei auf weite Zustimmung in Deutschland stieß. (Bubis’ Nachfolger Spiegel meinte zur Rede jüngst, Walser habe mit ihr „gegen geltenden Konsens der deutschen Nachkriegsgesellschaft verstoßen“.)

Viele hörten seinerzeit den Begriff „Geschichtspolitik“ zum ersten Mal, und manche fragten sich, ob sich aus dem Vorhandensein solcher „Geschichtspolitik“ die seltsame Einheitlichkeit erklärt, die die Beurteilung der jüngsten deutschen Geschichte in den Medien und in den Reden der führenden Politiker erfährt.

Nun dürfte es unumstritten sein, daß jede Zeit ihre Geschichte nicht nur neu schreibt, sondern auch neu deutet. Das Geschichtsbewußtsein wird stets von bestimmten ausgewählten und herausgehobenen Ereignissen der Geschichte geprägt. Eine lückenlose Gesamtschau alles Vorausgegangenen ist unmöglich. Es ist auch verständlich, wenn nach einem Systemwechsel die neue herrschende Schicht die Vergangenheit möglichst finster darstellt, damit sich vor dem dunk-len Hintergrund um so heller ihre neue Politik abzeichnet. So haben die zunächst die Weimarer Republik tragenden linken Kräfte die vorangegangene Zeit, in der mehr oder weniger feudale Fürsten die Ereignisse mindestens mitbestimmten, negativ dargestellt; so hatte der Nationalsozialismus nach 1933 an der Weimarer Republik mit ihren vielen Parteien kein gutes Haar gelassen, und so hatten vor allem die Sieger nach 1945 die zwölf Jahre von 1933 bis 1945 auch deshalb als die Hölle dargestellt, um ihre Herrschaft als Paradies erscheinen zu lassen.

Daß im Krieg und in der ersten Nachkriegszeit Geschichte als Teil der psychologischen Kriegsführung verwendet wurde, das wundert niemanden. Es verblüfft aber, wenn in der Öffentlichkeit - sie ist zu trennen von der wissenschaftlichen Arbeit der allermeisten Historiker, die in Deutschland bemüht sind, sich kritisch mit den Quellen auseinanderzusetzen, um die historischen Fakten und Abläufe in ihren Bedingungszusammenhängen und Wirkungen zu verstehen - die Ereignisse der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer noch so dargestellt werden, wie es die Sieger während des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach verbreiteten. Da geht es vor allen Dingen um die Art und Weise, wie Medien, und das heißt die dort verantwortlichen Redakteure, aber auch die Politiker jüngste deutsche Geschichte verbreiten.

Wenn man immer wieder deutschfeindliche Gedankengänge und Vorurteile darin zu erkennen glaubt, dann müssen sie nicht auf böser Absicht beruhen. Man muß davon ausgehen, daß vor allem die jüngeren Redakteure wie Politiker eine herzlich mangelhafte historische Vorbildung haben. Die solide Vermittlung von Kenntnissen der europäischen Geschichte, wie sie traditionell war, zumindest im deutschen höheren Schulwesen, gilt schon lange nicht mehr. So ist es zu erklären, daß Abiturientinnen und Abiturienten zwar eine festgelegte Meinung, kaum aber historisches Sachwissen haben, wodurch sie dann auch als jüngere Redakteure nicht in der Lage sind, ihnen vorliegende Agenturmeldungen auf Plausibilität hin zu überprüfen.

Die Verzerrungen der deutschen Geschichte, die ein typischer Zug der jetzt herrschenden „Geschichtspolitik“ sind, reichen von geradezu läppischen und zum Lachen herausfordernden Dingen bis zu echten Verfälschungen.

Um bei der Aufzählung einiger Beispiele bei einem aktuellen zu beginnen, sei auf die Behauptungen der letzten Wochen zurück-gegriffen, der Krieg mit biologischen Waffen, also in unserem Falle besonders der Einsatz von Milzbrandbakterien, sei von „den Deutschen“ erfunden worden. Petra Gerster, die ebenso intelligente wie ansehnliche Nachrichtenredakteurin und -sprecherin des ZDF, behauptete, und das natürlich ohne eine Quelle dafür zu nennen, die Deutschen hätten bereits im Ersten Weltkrieg den Einsatz von Milzbrandbakterien geplant. In der Wochenzeitung „Zeitfragen“ aus Zürich las man, im Ersten Weltkrieg hätten deutsche Soldaten „Pferde und Maultiere mit Rotzbakterien sowie Rinder mit Milzbranderregern“ im Rahmen von Sabotageakten infiziert. Damit, so behauptete die Zeitung, sei der Erste Weltkrieg auch der erste Bio-Krieg gewesen. Sie beruft sich auf das „Green- Peace-Magazin“, Folge 4/2000. Greift man darauf zurück, liest man allerdings etwas anderes.

Das Magazin zitiert einen Genetiker namens Geißler, der in einer Ausstellung dokumentiert haben soll, „daß erstmals der deutsche Generalstab während des Ersten Weltkrieges gezielt Bakterien als Waffe einsetzte. In Rumänien und Spanien wollten die Deutschen Pferde und Rinder mit Rotzbazillen infizieren.“ Sie wollten also nur. Vom Einsatz ist keine Rede. Und man muß sich darüber hinaus fragen, warum sie denn in Spanien diese Art der Sabotage betreiben wollten, obgleich Spanien überhaupt nicht am Ersten Weltkrieg beteiligt war. Und in Darstellungen des Feldzuges in Rumänien von 1916 bis 1918 findet man nirgendwo einen Hinweis auf den Einsatz von Krankheitserregern oder vom Auftreten von Seuchen bei Tieren.

Im Zusammenhang mit dem Hinweis auf bakteriologische Waffen steht auch fest, daß die Deutschen im Zweiten Weltkrieg in keiner Weise den Einsatz solcher Mittel geplant hatten. Wohl aber ordnete der britische Premierminister Churchill während des Zweiten Weltkrieges an, die Armee solle sich auf den Einsatz von Milzbrand-Bomben gegen Deutschland vorbereiten. Er hegte den Plan, Milzbranderreger gegen Berlin, Hamburg, Frankfurt und Stuttgart einzusetzen.

Nach Aussagen des ehemaligen Leiters des Bereichs „bakteriologische und chemische Kriegsführung“ in der britischen Armee, Dr. Rex Watson, hätte der Einsatz bewirkt, daß Berlin „bis heute“ unbewohnbar wäre. Die britische militärische Führung rechnete mit drei Millionen Toten in Deutschland. Darüber berichtete Anfang Mai 1981 ausführlich die BBC. Versuche mit Milzbrand wurden auf der schottischen Insel Gruiard angestellt; sie darf angeblich bis heute nicht betreten werden. Daß Großbritannien auf den Einsatz von Milzbrand-Bomben verzichtete, ist auf die Warnung der Militärs zurückzuführen, daß Deutschland im Gegenschlag chemische Waffen einsetzen könnte.

Das wird allerdings im Zusammenhang mit der bakteriologischen Kriegsführung nirgends in den deutschen Medien erwähnt, so daß der Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, die Falschbehauptung, Deutschland habe schon im Ersten Weltkrieg den Einsatz von Bakterien geplant, solle den konkret eingeleiteten britischen bakteriologischen Krieg überdecken und damit vertuschen.

An diesem Fall wird exemplarisch deutlich, welchen Sinn wohl diese Art von Geschichtspolitik haben sollte. Sie ist immer noch darauf angelegt, die Siegermächte zu entlasten und das unterlegene Deutschland zu belasten.

Guido Knopp, zuständig im ZDF für zeitgeschichtliche Dokumentarfilme, ist die personifizierte heutige „Geschichtspolitik“. In lebhafter Erinnerung dürften noch seine Filme über die Vertreibung der Ostdeutschen sein, die er „Hitlers letzte Opfer“ nennt, so bereits im Titel suggerierend, daß nicht etwa Polen, die Sowjetunion, Großbritannien und die USA verantwortlich waren für diese größte ethnische Säuberung der Weltgeschichte, sondern daß die Deutschen selbst es waren, die durch ihre Wahlentscheidungen für die Nationalsozialisten die Vertreibung und die damit verbundenen Todesopfer verursacht hatten.

Knopp stellt die Vertreibung als „Folge der deutschen Verbrechen“ dar, speziell der Verbrechen an den Juden. Tatsächlich gibt es in den Dokumenten etwa der alliierten Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam, auf denen die Annexion ostdeutscher Gebiete durch Polen und die Sowjetunion sowie die Vertreibung der dortigen Einwohner beschlossen wurde, in keinem einzigen Fall die deutschen Verbrechen als Begründung. Die Sowjetunion wollte die 1920 von Polen annektierten Gebiete der Westukraine und Westweißrußlands zurück haben, woraufhin Polen eine Entschädigung durch deutsche Gebiete verlangte. Die Tschechen wollten sich endlich das deutsch besiedelte Sudetengebiet auf Dauer sichern, was nur durch die Vertreibung der Sudetendeutschen möglich erschien. Die Siegermächte stimmten zu.

Das war ein reiner Akt des Imperialismus. Davon erfuhr man allerdings in Guido Knopps Filmen kein Wort. Er entlastete hingegen durch seine Geschichtsmanipulation die Sieger von dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schob es den Deutschen in die Schuhe. Das ist die seit 1945 in Deutschland herrschende „Geschichtspolitik“.

Jahrzehntelang wurde in den Medien behauptet, der strategische Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg, der in Deutschland 635.000 Tote forderte (in Großbritannien nur ein Zehntel dieser Zahl, nämlich 60.400 Tote), sei von Deutschland ausgelöst worden. Nicht nur die beharrliche und seriöse Forscherarbeit deutscher und britischer Historiker (und die nicht zuletzt von ihnen betriebenen Bemühungen, diese Forschungsergebnisse auch in die breite Öffentlichkeit zu tragen) haben es in den letzten Jahren zum Allgemeinwissen gemacht, daß die britische politische Führung und die Führung der Royal Air Force längst vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges den Luftkrieg mit dem Ziel konzipiert hatten, die Moral der Zivilbevölkerung zu brechen. So hatte man in Großbritannien bereits Mitte der 30er Jahre mit der Entwicklung viermotoriger schwerer Bomber begonnen, um in der Lage zu sein, mit ihrer Hilfe große Bombenlasten über weite Entfernungen zu transportieren. Sie warfen dann ab 1942 die Bombenteppiche über den Wohnvierteln deutscher Städte mit der Absicht ab, so viele Zivilisten wie möglich zu töten. Deutschland verfügte über solche Flugzeuge nicht. Zu diesem Thema ist tatsächlich die „Geschichtspolitik“, die die Sieger entlasten und die Deutschen belasten sollte, zugunsten der historischen Wahrheit umgekehrt worden.