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08.12.01 Bioethik: Fundamentaler Meinungsstreit in Politik und Gesellschaft

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Dezember 2001


Der Mensch - ersetzt durch sein eigenes Abziehbild?
Bioethik: Fundamentaler Meinungsstreit in Politik und Gesellschaft

Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht eine neue genetische Identität. Deshalb entwickelt sich ab diesem Zeitpunkt der Mensch als Mensch, nicht zum Menschen. An dieser Logik scheiden sich die Geister. Die einen wittern das große Geschäft auf dem Gesundheitsmarkt, die anderen warnen vor der Gefährdung des Humanum und vor dem Schritt der Wissenschaft in die menschenzüchtende Barbarei.

Es geht hier letztlich um zwei ganz unterschiedliche Menschenbilder, auch wenn beide Seiten edle Motive vor sich hertragen, und man kann dem Kölner Kardinal Meisner durchaus zustimmen, wenn er sagt, daß wir nach dem Zusammenbruch des Kommunismus von der Ära der Weltanschauungen in die der Menschenanschauungen hin- eingeschliddert sind. Der Mensch steht im Mittelpunkt der Genom-Debatte. Im ersten Fall gilt er als Person, deren Schicksal weiter reicht als der Tod, im zweiten als Lebewesen, dessen Anfang und Ende in der Hand von Weißkitteln liegt.

Der Nationale Ethikrat, der besser Schröders Ethikrat hieße, weil der Kanzler ihn zusammengerufen hat und ihm jede demokratische Legitimation abgeht, hat ein Votum für den Import embryonaler Stammzellen erlassen, das aufhorchen läßt. Zwar war diese Aussage erwartet worden, aber die Abstimmung erbrachte doch einige Gegenstimmen mehr, als sich der Kanzler ausgerechnet hatte. Offenbar haben die Ereignisse der letzten Wochen und Monate - der erste geklonte Mensch, die engagierte Rede des Bundespräsidenten, die wachsenden Bedenken in der demokratisch legitimierten Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Bundestages und auch der fundierte, parteiübergreifende Fiori-Bericht des Humangenetikausschusses im Europa-Parlament, um nur einige markante Ereignisse zu nennen - einige Kanzlerberater doch ziemlich nachdenklich gestimmt. Forschungsfreiheit kann nicht heißen, daß der Mensch alles darf, was er kann. Seine Versuche, in der Petrischale den „achten Tag“ zu schaffen, werden kaum ins Paradies führen. Es spricht mehr dafür, daß sie in Unmenschlichkeit enden. Es gibt Grenzen, und sie - zum Beispiel die Menschenwürde - anzuerkennen zeichnet den Menschen mehr aus als der ungezügelte Drang, jeden Tag das Paradies umpflügen und neu erfinden zu wollen.

Wenn der Bundestag Ende Januar über den Import und überhaupt das Hantieren mit embryonalen Stammzellen debattiert, wird sich zeigen, wer auf welcher Seite der Menschenanschauung steht. Die Front verläuft quer durch die Parteien, zum Teil mit abstrusen Vorstellungen. Willkür ist Trumpf. Da kommen auch schon mal Christdemokraten auf die Idee, das Menschsein erst mit der Einnistung anzusetzen oder mit dem Kriterium zu versehen, „nur wer eine Mutter hatte, ist Mensch“. Andere, zum Beispiel der ebenso zähe wie tapfere Abgeordnete Hüppe, stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission, oder der Arzt und Europa-Parlamentarier Liese und auch sein Kollege von der CSU, Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen, retten mit Sachargumenten die politische Ehre der Union. Aber die Verwirrung ist groß, die Einflüsse der Lobbyisten und die Skrupellosigkeit mancher Politiker gewaltig. Schon daran kann man sehen, daß die Zeit der gesellschaftlichen Entwürfe vorbei ist. Es geht um den Menschen, aber nicht nur um seine leibliche Hülle, sondern um die Einzigartigkeit dieses Geschöpfs.

Mark Twain hat einmal die Genesis so interpretiert: Am letzten Tag erschuf Gott den Menschen. Und daß er müde war, erklärt manches. Über die embryonale Stammzellenforschung kann es sein, daß der Mensch sich selber abschafft. Oder durch ein Abziehbild ersetzt. Denn mit dem selbstgemachten „achten Tag“ rückt das Ende der Menschlichkeit in bedrohliche Nähe. Jürgen Liminski



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