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08.12.01 Fritz Schenk über die Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Dezember 2001


Terror:
Gerede um den »heißen Brei«
Fritz Schenk über die Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages

Der Ereigniskanal PHOENIX macht’s möglich: Parteitage, Kongresse, kulturelle Ereignisse - und eben auch „große“ Debatten im Deutschen Bundestag können wir live im Fernsehen mitverfolgen. So auch die Haushaltsdebatte der abgelaufenen Woche. Sie gilt gemeinhin als „Generaldebatte“, weil sie nicht nur die nackten Haushaltszahlen vorlegen, sondern die Grundlagen der Regierungspolitik für das nächste Jahr darstellen soll, die jeweilige Opposition dazu ihre Gegenposition deutlich macht, was in Demokratien eben auch die „General-Abrechnung“ mit der Regierung bedeutet (oder bedeuten sollte!).

Der Beobachter wagt die Prophezeiung (und ist sich sicher, daß er sich damit nicht blamiert), daß diese Haushaltsdebatte keiner - bei PHOENIX gern praktizierten - Wiederholung für Wert befunden wird. Das ist vor allem deshalb von gar nicht zu unterschätzender politischer Bedeutung, weil es sich um die „Generaldebatte“ vor der nächsten Bundestagswahl gehandelt hat. Seit Bestehen der Bundesrepublik waren gerade diese Parlamentstage die Sternstunden des Deutschen Bundestages, denn sie läuteten gewissermaßen den nächsten Wahlkampf ein und machten die Fronten deutlich, zwischen welchen sich die Wähler beim folgenden großen Urnengang zu entscheiden hatten. Das ist diesmal ausgeblieben. Regierungsfraktionen und Opposition deckten sich zwar stundenlang mit Wortlawinen zu - der politisch interessierte Wähler schien den Damen und Herren Abgeordneten aber völlig schnuppe zu sein. Sie interessierte anscheinend nur der Beifall aus der jeweils eigenen Fraktion.

Im günstigsten Fall könnte man dem gegenwärtigen Bundestag zugute halten, daß die „Generalabrechnung“ nur aufgeschoben wurde. Die Regierung war nicht an konturierten Vorlagen interessiert, weil sie nichts vorzulegen hat. Die Konjunktur lahmt; die Arbeitslosigkeit steigt; die Kosten für die Sozialsysteme sind nicht unter Kontrolle zu kriegen; der Aufbau Ost, den der Kanzler zur Chefsache machen wollte, läuft auf ein Desaster zu; das große Ziel der Konsolidierung der Staatsfinanzen entpuppt sich als Luftbuchung, weil die Steuereinnahmen sinken und sich die Erlöse aus dem Verkauf von Staatseigentum als „Peanuts“ entpuppen. Nichts, was Gerhard Schröder im Wahlkampf 1998 und in seinem Regierungsprogramm versprochen hatte, konnte erfüllt werden. Nicht einmal mit der Steuerreform und der Erhöhung des Kindergeldes kann die Regierungskoalition beim Wahlvolk Blumentöpfe gewinnen, weil über Ökosteuer, Tabaksteuer, Mehrbelastungen im Sozial- und Gesundheitswesen und steigende kommunale Gebühren das, was mit der vom sozialistischen Herzen kommenden linken Hand gegeben wurde, mit der die Macht und gutbezahlte Posten sichernden rechten wieder genommen wird. Gerhard Schröder, bisher der glänzende Rhetor dieses Bundestages (und gerade deshalb ja bisher auch seinen Gegnern überlegen), hielt eine blasse Rede, wie man sie so kaum von ihm in Erinnerung hat.

Selbstverständlich hat das die Opposition der Regierung um die Ohren gehauen. Und - auch das muß gesagt werden - Angela Merkel war dem Kanzler rhetorisch wie inhaltlich nicht nur gewachsen, sondern überzeugender. Aber grundsätzlich fuhr sich die Debatte fest in Wortwechseln über Zahlen, Ausgangspositionen gegenüber 1998 und statistischen Bewertungskriterien. So etwas können weder die Nichtfachleute der Fraktionen (weshalb denn im Plenarsaal auch meist gähnende Leere herrschte) und erst recht nicht die Zuschauer an den Bildschirmen nachvollziehen. Daher sind solche Debatten kontraproduktiv für die Außenwirkung der parlamentarischen Demokratie. Denn soviel merkt der politisch interessierte Bürger allemal, daß nämlich alle Beteiligten prinzipiell um den heißen Brei herumreden: die Regierungsfraktionen um die Sache (weil sie mit ihrer Politik in der Tinte sitzen) und die Unions-Opposition um das Gegenmodell (weil es weder ausgegoren noch personell geklärt ist). Denn was, wie, mit welchen Konsequenzen für den einzelnen wie für Wirtschaft und Verwaltungen die Opposition denn in welche Richtung reformieren, deregulieren, sparen, weniger umverteilen, den Staat „zurückfahren“ und den Laden wieder flott machen will, hat sie für sich behalten.

Wie nicht anders zu erwarten, konterten Schröder und seine Fußtruppen, wenn es für sie eng wurde, mit Fingerzeigen auf die Vergangenheit (Kohls „schlimme Hinterlassenschaft“!) und auf den CDU-Parteispendenskandal, aber geradezu penetrant kam immer wieder die „K“-Frage: Wer eigentlich verkörpere denn die Union, mit wem wolle sie in den Wahlkampf ziehen und mit wem solle sich welches Gegenprogramm verbinden? In der Tat: Das war und ist der wunde Punkt der Opposition, auch sie agierte hauptsächlich mit Zahlensalat und Gegenrechnungen, ohne Rot-Grün mit einem geschlossenen eigenen Konzept wirklich in die Enge zu treiben.

Geht man von dem aus, was die Debatte im rechtlichen Sinne war, nämlich die Beschlußfassung über den Bundeshaushalt 2002, dann dürfte darüber das letzte Wort nicht gesprochen sein. Dieser Haushalt wird so nicht bleiben, dafür enthält er zu viele Luftbuchungen. Aber die Debatte über einen Nachtragshaushalt wird wahrscheinlich direkt in den Wahlkampf fallen. Man kann nur hoffen, daß die Union bis dahin ihre Reihen personell und programmatisch geordnet hat. Denn Rot-Grün steht heute auf viel wackligeren Füßen als beim Antritt 1998. Wo aber ist die Streitmacht der Gegenseite, die sich dem Wähler als ernsthafte Alternative für 2002 aufdrängt?