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15.12.01 Generalmajor Gerd-H. Komossa über die Nahkampfausbildung der deutschen Soldaten

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. Dezember 2001


Bundeswehr:
Realismus - ohne alle Grenzen?
Generalmajor Gerd-H. Komossa über die Nahkampfausbildung der deutschen Soldaten

Während in Berlin der Hamburger Millionenerbe Jan Philipp Reemtsma die zweite, geschönte Auflage seiner verheerenden Wehrmachtsausstellung eröffnete, wurde auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz Journalisten vorgeführt, wie der Soldat der Bundeswehr heute auf seinen Einsatz im Ernstfall vorbereitet wird. Die Demonstration war so realistisch, daß es manchem Reporter eiskalt den Rücken herunterlief. „Der Frieden ist der Ernstfall“ für den deutschen Soldaten, hatte einst Bundespräsident Heinemann an der Schule der Bundeswehr für Innere Führung gesagt. Hier allein müsse sich der Soldat bewähren. Darauf sei alle Ausbildung auszurichten.

Nun, die Zeiten haben sich geändert. Wer die Ausbildung in Grafenwöhr beobachten konnte, mußte feststellen, daß sie realistischer als auf diesem Übungsplatz kaum vorstellbar ist. Zivilisten in Fantasieuniformen schießen auf Soldaten, Frauen werfen sich ihnen entgegen, Handgranaten und Minen werden geschleudert, das Bild gleicht jenen Bildern, die wir vom Krieg auf dem Balkan und nun in Afghanistan kennen. Es wird gebrüllt, geflucht und gedroht. Dieser Ernstfall, auf den der Bundeswehrsoldat heute vorbereitet wird, hat nichts mehr mit dem Bild des Soldaten gemeinsam, das Bundespräsident Gustav Heinemann einst vermitteln wollte.

Als ein Unteroffizier bei der Übung in Grafenwöhr den für die Ausbildung verantwortlichen Offizier auf einen offensichtlich durch eine Mine verletzten Soldaten hinwies und fragte, ob der nicht geborgen werden müsse, antwortete der Oberstleutnant: „Laßt ihn liegen, jeder Bergungsversuch ist glatter Selbstmord.“

Das korrespondiert mit der Bemerkung eines deutschen Vier-Sterne-Generals über den möglichen Einsatz der Bundeswehr im Inneren als Hilfe für die Polizei, der den Unterschied zwischen Polizei und Soldaten vor der Fernsehkamera wie folgt deutlich machte: „Der Polizist muß einen Täter festnehmen, die Aufgabe des Soldaten ist es, zu töten.“

Dem Schreiber dieser Zeilen ist dabei nicht wohl zumute. Er hat es erlebt, daß er selbst unter russischem Panzerbeschuß aus seinem Loch in der vordersten Linie durch einen Obergefreiten der Wehrmacht herausgezogen wurde. Natürlich begab sich dieser in Lebensgefahr. Die Kameradschaft diktierte hier trotzdem die Bergung.

Auch ist nicht zu verstehen, daß es Aufgabe des Soldaten sei, zu töten. Bisher wurde der Soldat so ausgebildet, daß er den angreifenden Gegner kampfunfähig zu machen hatte und nicht zu töten. Wird hier neuerdings doch ein Unterschied zwischen dem Soldaten der früheren Wehrmacht und der heutigen Bundeswehr sichtbar? Das allerdings wäre entsetzlich.

Man darf gespannt sein auf die nächste Ausgabe der Reemtsma-Ausstellung, nun vermutlich über den Soldaten der Bundeswehr. Reemtsma muß sich förmlich dazu angeregt fühlen. Zu hoffen ist allerdings, daß es sich bei den geschilderten Aussagen der Offiziere nur um verbale Entgleisungen gehandelt hat. Anderes wäre doch sehr betrüblich. Denn auch der Soldat der Bundeswehr hat in seinen Einsätzen in Kambodscha, Somalia, Bosnien und im Kosovo gezeigt, daß er im Vergleich mit seinen Vätern und Großvätern bestehen kann und seinen Auftrag beispielhaft erfüllt. Gerade in diesen Einsätzen hat er sich voll bewährt und Anerkennung gefunden.