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05.01.02 Neujahr 2002 - zum Geleit: Ostpreußen verpflichtet

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Januar 2002


Neujahr 2002 - zum Geleit:
Ostpreußen verpflichtet
Von Wilhelm v. Gottberg, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen

Das Leitwort für das Deutschlandtreffen 2002 der Ostpreußen in Leipzig, „Ostpreußen verpflichtet“, soll im eigentlichen Wortsinn auch Leitlinie für die Arbeit der Landsmannschaft Ostpreußen im vor uns liegenden zweiten Jahr des 21. Jahrhunderts sein. Wir, die Ostpreußen, auch die nachgeborenen Bekenntnis-Ostpreußen, sind dieser einzigartigen Region zwischen Neidenburg und Mermel, zwischen Pillau und Lyck verpflichtet. Königsberg, Frauenburg, Mohrungen, Memel, Tilsit, aber auch Trakehnen und Schlobitten sind für die deutsche Kultur- und Geistesgeschichte bedeutsame Orte. Zwischen 20 und 25 Generationen unserer Vorfahren ruhen in der Erde Ostpreußens. Es waren unsere Ahnen, die mit der Devise der Benediktinermönche „Bete und arbeite!“ Ostpreußen zur kulturellen und zivilisatorischen Blüte gebracht haben.

Ostpreußen haben großen Anteil an der Gesamtheit der deutschen Kulturgeschichte. Simon Dach und Georg Weissel, Immanuel Kant und Johann Gottfried Herder, Johann Christoph Gottsched und Johann Georg Hamann, Käthe Kollwitz, Lovis Corinth und Agnes Miegel sind Beispiele dafür. Ostpreußische Persönlichkeiten verkörpern die besten Traditionen des deutschen Soldatentums. Die hervorragenden Ergebnisse der ostpreußischen Tierzüchter (Pferde und Rinder) waren im ganzen Reich bekannt und richtungweisend.

Von Ostpreußen aus strahlten geistesgeschichtliche und ökonomische Impulse und Ideen weit nach Norden und Osten. Dies hatte Wirkungen, die noch heute feststellbar sind. Die emotionale Bindung der Balten an Deutschland, aber auch das ständige Bemühen der Russen um wirtschaftliche Kooperation mit Deutschland erklären sich aus den segensreichen Dienstleistungen und der Entwicklungshilfe, die (Ost)-Preußen und Deutsche vom 17. bis 19. Jahrhundert für Russen und Rußland geleistet haben.

Die Provinz Ostpreußen des deutschen Reiches hat sich aus dem frühen Ordensstaat über das Stadium Herzogtum Preußen und die Ostprovinz des Staates Preußen politisch entwickelt. Dieses Land hat Deutschland und Europa kultur- und geistesgeschichtlich viel gegeben.

Die deutsche Geschichte hat süddeutsche und rheinisch-westdeutsche, aber auch vom Protestantismus geprägte mittel- und ostdeutsche Wurzeln. Zu letzteren gehört auch unsere Heimat Ostpreußen. Leider ist dies in Vergessenheit geraten. Weil die Ostpreußen geschichtsbewußte und verantwortungsbewußte Mitglieder des deutschen Volkes sind und bleiben wollen, sind wir Ostpreußen verpflichtet. Ostpreußen ist Erbe und bleibt Aufgabe.

Nach der Katastrophe von 1945 ff. haben die Überlebenden das Erbe angenommen und sich der Aufgabe Ostpreußen gestellt. Unterstützung bekommen sie durch eine nicht ganz geringe Zahl von Nachgeborenen. Die nach 1945 geborenen Funktionsträger der LO belegen dies. Aber - dies ist die bittere Wahrheit - die Ostpreußen stehen mit der Bewahrung des Erbes Ostpreußen und mit der zeitgemäßen Bewältigung der Aufgabe Ostpreußen fast allein. Ausschließlich der Freistaat Bayern steht uns noch hilfreich und engagiert zur Seite. Das Kulturzentrum Ellingen und das Kopernikushaus in Allenstein sind Beispiele für die Verläßlichkeit Bayerns. Damit wahrt der Freistaat Kontinuität zur Geschichte, denn die Geschichte Preußens und Ostpreußens ist auch durch Bayern beeinflußt worden. Es waren die fränkischen Herzöge Albrecht (1526 bis 1588) und Georg Friedrich (1578 bis 1603), die das Herzogtum Preußen durch die Wirren des 16. Jahrhunderts führten und in ihm das Deutschtum bewahrten und den weiteren deutschen Einfluß gewährleisteten.

Dagegen haben sich andere große Bundesländer und die Bundesregierung durch die Versagung oder drastische Kürzung der finanziellen Förderung der ostdeutschen Kultur ihrer Verantwortung für die Heimatvertriebenen entzogen. Die dafür Verantwortlichen haben sich als geschichtslose Zeitgenossen erwiesen, denen auch die Gesetzes- treue - siehe § 96 BVFG - nicht sehr viel bedeutet. Diese Entwicklung nahm bereits unter der Kohl-Regierung ihren Anfang. Damit wurde ein schmerzlicher Entsolidarisierungsprozeß der Deutschen mit ihren heimatvertriebenen ostdeutschen Landsleuten in Gang gesetzt.

Nunmehr hat die öffentliche Hand auf der Bundesebene unter der Federführung der neugeschaffenen Dienststelle des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien eine neue Phase bei der Bewältigung des ostdeutschen Erbes eingeleitet. Man beginnt - mehr verdeckt als offen -, die von Heimatvertriebenen geschaffenen Kultureinrichtungen zu zerschlagen, sei es durch Schaffung einer neuen Trägerstruktur, um den Einfluß der Heimatvertriebenen „wegzurationalisieren“, sei es durch finanzielle Austrocknung. Die Ostpreußische Kulturstiftung will man auf diesem Wege vom Einfluß der Ostpreußen „befreien“. Ellingen als Teil der Ostpreußischen Kulturstiftung hat man die institutionelle Förderung entzogen. Schon vorher hatte man die Kulturstiftung der Vertriebenen - eine auch bei den osteuropäischen Nachbarn geschätzte Einrichtung - finanziell ausgetrocknet. Die Ostpreußen und wenige Bundesländer sowie zwei BdV-Landesverbände haben diese wichtige Einrichtung in der Grundstruktur bisher erhalten können. Die Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, die Stiftung Deutschlandhaus in Berlin, das Kulturwerk Schlesien, die Künstlergilde Esslingen und das Institut für deutsche Musikkultur im östlichen Europa wurden ebenfalls von der Bundesregierung aufgegeben.

Gleichzeitig beginnt man, mit viel Geld neue Kultureinrichtungen für das östliche Mitteleuropa einzurichten. Diese sollen angeblich die Vertriebenenkultur sichern und in Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarn die Verständigung fördern. Tatsächlich aber ist schon heute feststellbar, daß die neu geschaffenen Institutionen mit der Geschichte der Deutschen in den Vertreibungsgebieten verzerrend und manipulierend umgehen.

Im vorigen Jahr schuf man die Einrichtung „Deutsches Kulturforum östliches Europa“. Sitz dieser Institution ist Potsdam. Der Haushalt des Instituts ist großzügig ausgestattet und wird von der Bundesregierung getragen. Zur Vorstandsvorsitzenden der Einrichtung wurde Frau Hanna Nogossek bestellt. Sie lieferte bald nach Beginn ihrer Tätigkeit in Potsdam den Beweis ihrer Qualifikation für das neue Amt ab, indem sie vom „verrotteten Zustand“ der Landsmannschaften sprach. Ein Vertreter der LO wurde nicht eingeladen, als das Kulturforum im Oktober eine viertägige Veranstaltung mit Podiumsdiskussion über Ostpreußen durchführte.

Die Verantwortlichen der Landsmannschaft Pommern waren nicht mehr gewillt, die Bevormundung durch den Bund und das Land Schleswig-Holstein hinsichtlich der politischen Bildungsarbeit der von der Landsmannschaft getragenen Ostsee- Akademie in Travemünde hinzunehmen. Daraufhin wurde jedwede finanzielle Förderung durch den Bund und das Land eingestellt. Darüber hinaus gründete man kürzlich in Lübeck ein zur Ostsee-Akademie in Konkurrenz stehendes Institut, die Academia Baltica. Zu deren Leiter wurde der frühere Leiter der Ostsee-Akademie bestellt, der sich gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber, der Landsmannschaft Pommern, als äußerst illoyal erwiesen hatte.

Die Bundesregierung ist nicht mehr an einer wirklichen wissenschaftlichen Beschäftigung mit ostdeutscher Kultur und Geschichte interessiert. Aus politischen Gründen tritt man in eine kontrovers zu führende Auseinandersetzung mit Polen, Rußland, Litauen und anderen östlichen Nachbarstaaten über die Bewahrung der ostdeutschen Kultur nicht mehr ein. Zusätzlich zu dieser eigenen Beschränkung werden Verhandlungen über die sogenannte „Rückführung“ deutschen Kulturgutes nach Polen geführt. Der Bremer Senat hat mit der Abgabe von Danziger Archivmaterial an polnische Institutionen in Danzig eine Vorreiterrolle übernommen. In Bremen regiert eine große Koalition aus SPD und CDU.

Kürzlich hat die deutsche Bischofskonferenz mit der Abgabe geretteter Kirchenbücher an Polen eine ungeheuerliche Desavouierung der Heimatvertriebenen begangen. Polen allerdings weigert sich beharrlich, das widerrechtlich in Besitz genommene Kulturgut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, welches während des Krieges nach Schlesien ausgelagert war, an den rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben.

Die Ostpreußen und alle Landsmannschaften müssen erkennen, daß sie von keiner Bundesregierung mehr etwas zu erwarten haben, von welchen Parteien diese auch immer gestellt werden mag. Die Mehrheit der Menschen in unserem Land hat kein Interesse am Land der dunklen Wälder, aber auch keine Kenntnis über den tatsächlichen deutschen Osten.

Gleichwohl, die Ostpreußen werden dies alles nicht kommentarlos und schon gar nicht tatenlos hinnehmen. Wir können aufgrund unserer eigenen Stärke unser Erbe bewahren und uns der Aufgabe Ostpreußens stellen. Wir haben dieses in der Vergangenheit getan und werden auch in Zukunft beharrlich weiter für Ostpreußen arbeiten. Aufgrund der Jahrhunderte andauernden Insellage Ostpreußens besitzen die Ostpreußen ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl. Die Geschichte hat sie gelehrt, sich in schwierigen Situationen alleine zu behaupten.

Der Bundesvorstand hat seit zehn Jahren große Anstrengungen unternommen, um den Verband finanziell unabhängig zu machen. Wir sind in diesem Bemühen ordentlich vorangekommen, aber noch nicht am Ziel. Finanzielle Unabhängigkeit bedeutet politische Unabhängigkeit. Die politischen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland erfordern unabdingbar eine unabhängige Landsmannschaft Ostpreußen.

Der Bundesvorstand der LO wird am Wochenende 22./23. Juni 2002 erneut ein Deutschlandtreffen durchführen. Dazu laden wir alle Ostpreußen und Freunde Ostpreußens herzlich ein. Wir erwarten rund 80.000 Gäste. Bitte kommen auch Sie mit Ihren Familienangehörigen! Helfen Sie, damit Leipzig ein sichtbares Zeichen für die Heimattreue zu Ostpreußen wird, an dem wir festhalten, auch noch 57 Jahre nach der gewaltsamen Massenaustreibung.

Von Leipzig soll darüber hinaus ein politisches Signal ausgehen. Wir wollen dem bayrischen Ministerpräsidenten, der die Hauptansprache halten wird, bekunden, daß die Ostpreußen in dem schwierigen Wahljahr 2002 an seiner Seite stehen. Edmund Stoiber war mit der größten Opfergruppe des Zweiten Weltkrieges immer solidarisch, Solidarität ist für uns keine Einbahnstraße. Gemäß unserer Satzung wirkt die Landsmannschaft Ostpreußen an den politischen, kulturellen und sozialen Fragen unserer Zeit mit. Wir wollen in Leipzig unüberhörbar einen Politikwechsel anmahnen mit dem Ziel, den deutschen Opfergruppen des zweiten Weltkrieges mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dazu gehören neben den Heimatvertriebenen in besonderer Weise auch die deutschen Zwangsarbeiter. Viele von ihnen hatten durch Deportation und Heimatverlust ein besonders hartes Schicksal. Schließlich gehört für uns Ostpreußen zu einem Politikwechsel der energische Einsatz der Bundesregierung für die umgehende Rücknahme aller noch rechtskräftigen Vertreibungs- und Enteignungsdekrete in Polen und Tschechien. Kein Staat der Welt, erst recht nicht ein Mitglied der Rechtsgemeinschaft EU, darf sich durch nationale Dekrete einen Freibrief für ethnische Säuberungen ausstellen.

Ein solcher Politikwechsel würde die Einheit der Deutschen fördern und das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der Welt stärken, denn „Gerechtigkeit erhöht ein Volk.“

Namens des Bundesvorstandes wünsche ich allen Landsleuten und allen Lesern unserer Wochenzeitung ein gesundes neues Jahr. Unsere besonderen Grüßen gelten unseren Landsleuten in der dreigeteilten Heimat, im europäischen Ausland, in Übersee, im südlichen Afrika und im fernen Australien. Unser Dank, aber auch unsere guten Wünsche für eine erfolgreiche Arbeit im Jahr 2002 gelten unseren Funktionsträgern innerhalb der Landsmannschaft. Durch ihre Arbeit, verehrte Landsleute, ist der fortdauernde Bestand unserer Organisation erst gewährleistet. Wir alle gemeinsam bleiben Ostpreußen verpflichtet.

Auf ein gutes Wiedersehen in Leipzig!

Erbe und Auftrag: Das Motto des Deutschlandtreffens 2002 der Ostpreußen in Leipzig schließt neben der Bewahrung historisch gewachsener Werte auch die Bewältigung der Gegenwart und der Zukunft ein.