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12.01.2002 Neues Buch über die Schriftstellerin Alice Berend und die Malerin Charlotte Berend-Corinth erschienen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Januar 2002


Zwei Leben voller Höhen und Tiefen
Neues Buch über die Schriftstellerin Alice Berend und die Malerin Charlotte Berend-Corinth erschienen

Bisweilen träume ich von hohen Sälen in erhabenen Museen, dort hängen schöne Bilder; ich gehe, ich sehe, ich bewundere. Wird irgendwann ein Bild von mir von diesen Wänden glänzen?“ schrieb eine Frau, eine Künstlerin in ihr Tagebuch, die stets im Schatten ihres großen, berühmten Mannes stand. Dabei war Charlotte Berend-Corinth eine ernstzunehmende Künstlerin, die zauberhafte Landschaften oder eindrucksvolle Porträts von Schauspielern schuf, die ihr Anerkennung und Wertschätzung verschafften. Selbst ihr Mann Lovis schien manches Mal die Konkurrenz durch seine Frau zu fürchten, so verbot er ihr, in Urfeld am Walchensee die Landschaft zu malen. „Anderes ja: Tiere, Blumen, Porträts, was immer sie wollte“, erinnerte sich Tochter Wilhelmine. „Nicht aber die Landschaft! Das war seine Domäne. Und niemand sonst sollte in sie einbrechen dürfen ...“ Erst 1967 veranstaltete die Berliner Nationalgalerie eine Ausstellung mit ihren Werken - sie hat es nicht mehr erleben dürfen, daß ihre Bilder auch einmal „von diesen Wänden glänzten“, dort wo Lovis Corinth seine großen Triumphe feierte. Charlotte Berend-Corinth starb vor 35 Jahren, am 10. Januar 1967, in New York, wohin sie vor Beginn des Zweiten Weltkriegs geflohen war.

Schon früh hatte sich bei Charlotte Berend, die am 25. Mai 1880 in eine Berliner jüdische Familie geboren wurde, das Talent und die Liebe zum Zeichnen gezeigt. Nur gut, daß der Vater keinerlei Einwände erhob und die Tochter um die Jahrhundertwende das Studium der Malerei aufnehmen konnte - keine Selbstverständlichkeit in jener Zeit. So besuchte sie zunächst die Kunstschule Klosterstraße bei Professor Max Schäfer und ließ sich dann an der Kunstgewerbeschule in der Prinz-Albrecht-Straße ausbilden. 1901 dann trat sie in die neu gegründete „Malschule für Weiber“ in der Berliner Klopstockstraße 48 ein. „Der Herr Lehrer“ war kein Geringerer als Lovis Corinth.

Zwei Jahre später heirateten die beiden. Charlotte sah diese Begegnung später als eine schicksalhafte. „Ich hatte kein leichtes Leben, komplizierter, als es jemand glauben würde, aber es war schön ...“ 1904 wurde Sohn Thomas geboren; er starb 1988 in New York. 1909 erblickte Tochter Wilhelmine das Licht der Welt; sie starb im vergangenen Jahr. Mit ihr ging die letzte, die den Namen Corinth trug und die noch so viel über das Leben und Wirken der Eltern zu berichten wußte.

Das Leben der Charlotte Berend ist auch Thema eines neuen Buchs, das jetzt in der Europäischen Verlagsanstalt Rotbuch Verlag, Hamburg, erschienen ist. Ursula El-Akramy hat in Die Schwestern Berend - Geschichte einer Berliner Familie (368 Seiten, zahlr. sw Abb., geb. mit farbigem Schutzumschlag, ca. 23 E) das Leben von Alice (Berlin * 30. Juni 1875 - Florenz † 2. April 1938) und Charlotte anschaulich geschildert. Dafür hat sie in Archiven gestöbert und Zeitzeugen befragt. Nicht nur die Schwestern Berend und ihr Schicksal werden beleuchtet, auch über die Menschen ihrer Umgebung - Maler, Schauspieler, Schriftsteller - berichtet die Autorin ausführlich. Entstanden ist ein überaus lebendiges Bild vom kulturellen Leben im Deutschland jener Jahre. Daß über Alice Berend, die seinerzeit eine erfolgreiche und gerngelesene Schriftstellerin war, weniger zu erfahren ist, liegt nicht zuletzt daran, daß ihr Nachlaß und amtliche Unterlagen bei der großen Überschwemmung in Florenz 1966 vermutlich verlorengegangen sind.

Überhaupt stand Alice, glaubt man den Zeitzeugen, im Schatten ihrer hübscheren Schwester Charlotte. Alice war herb und in sich gekehrt, nicht zuletzt auch verbittert über so manche schwesterliche „Missetat“. Ihre Romane aber, von denen heute noch (oder wieder) drei im Buchhandel erhältlich sind (Die Bräutigame der Babette Bomberling, Dore Brandt - Ein Berliner Theaterroman, Der Herr Direktor), sprühen meist vor Heiterkeit und Mutterwitz. Die „Berliner Zeitung am Mittag“ schrieb: „Der Boden, auf dem sie sich bewegt, ist eng und begrenzt, die Früchte aber, die sie diesem Boden entringt, sind voll und saftig. Was sie schafft, ist Leben, ein Leben, das sich zwar zumeist zwischen den vier Pfählen einer bürgerlichen guten Stube abspielt, das aber an Urwüchsigkeit und Echtheit seinesgleichen sucht.“

Der Lebensweg dieser beiden Frauen war bewegt und voller Höhen und Tiefen. Ursula El-Akramy ist mit „Die Schwestern Berend“ ein ehrliches Buch gelungen, das nicht nur die heile Welt dieser Familie darstellt. Leidenschaft und Talent hat diese beiden Frauen, die wohl unterschiedlicher nicht sein konnten, am Aufstieg Berlins zur europäischen Kulturmetropole teilhaben lassen. Was bleibt, sind ihre „Bilder, die man sehen - Bücher, die man lesen soll“, so die Autorin. Es bleibt aber auch die Erinnerung an zwei Frauen, die - jede auf ihre Weise - ihr Schicksal in die Hand nahmen. Silke Osman

Charlotte Berend-Corinth: Selbstporträt 1937 (Öl)

Alice Berend: Porträt von Lovis Corinth (1912) aus dem besprochenen Band