20.04.2024

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26.01.02 Genforschung: Auf dem Prüfstand

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Januar 2002


Genforschung:
Auf dem Prüfstand
Deutschlands Politik und Gesellschaft vor einer Grundsatzentscheidung
von Jürgen Liminski

Wenn die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nächste Woche in Berlin über den Import embryonaler Stammzellen entscheiden, steht nicht nur eine wirtschaftliche oder gesundheitliche Frage an. Auf dem Prüfstand im Hohen Haus steht dann die Politik an sich. Denn hier geht es nicht nur um Macht, Geld, Arbeitsplätze oder Sicherheit, es geht um das Humanum selbst.

Die Kirchen haben an die Parteien und Abgeordneten appelliert und sich eindeutig gegen den Import ausgesprochen. Alfa und andere lebensbejahende Gruppen haben Unterschriftenaktionen gegen den Import gestartet. Hinter dieser Meinung steht nach Umfragen eine klare Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Ähnlich sieht es aus in der Bundestags-Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“. Auch Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin kann dem Import nicht zustimmen und widerspricht damit ihrem Kanzler und dem von ihm zusammengestellten Ethikrat. Außerdem gibt es Alternativen, zum Beispiel die Forschung an adulten (von erwachsenen Menschen entnommenen) Stammzellen.

Dennoch schwanken die Parteien in ihrem Meinungsbild. Die FDP ist klar dafür, sie hatte in Sachen Lebensschutz schon immer ein besonders brutales Händchen. Auch in der CDU und selbst in der CSU gibt es einige, die glauben, die Tötung von Embryonen verantworten zu können.

Das Ergebnis der Abstimmung am 30. Januar ist offen. Offen ist damit auch der ethische Standort der Bundesrepublik Deutschland. Das hat Geschichte. Aber auch die Ethik hat Geschichte, es ist die Geschichte der Zivilisierung der Menschheit. Aristoteles ging bei seinen Überlegungen über Ethik vom Streben nach Glückserfüllung aller Menschen aus. Das war für ihn auch immer zugleich die Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens. Auch Augustinus ging solchen Fragen nach und kam zu dem Ergebnis, daß der Mensch dadurch glücklich wird, wodurch er gut wird. Der Mensch könne nicht gegen seine Natur als Mensch zur Lebenserfüllung gelangen.

Aber was passiert, wenn die Natur nicht mehr anerkannt wird? Schon Romano Guardini wies auf die Gefahr des „nicht-humanen Menschen“ hin und sah die „Unmenschlichkeit des Menschen“ in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vergessen Gottes und der Anwendung einer nahezu gebieterischen Technologie, heute würden wir sagen: einer profitgeleiteten Pressure-group, die das Machbare auch machen will. Guardini schrieb mit einem Hauch von Prophetie: „Es ist für mich, als ob unser ganzes kulturelles Erbe von den Zahnrädern einer Monstermaschine erfasst würde, die alles zermalmt. Wir werden arm, wir werden bitterarm“. Und weiter: „Der Geist wird krank, wenn er in seinem Wurzelwerk den Bezug zur Wahrheit verliert. Das wiederum geschieht, wenn er keinen Willen mehr hat, die Wahrheit zu suchen, und die Verantwortung nicht mehr wahrnimmt, die ihm bei dieser Suche zukommt; wenn ihm nicht mehr daran liegt, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden“. In der Tat, wenn die Unterscheidungskraft in so grundsätzlichen Bereichen wie dem Embryonenschutz verloren geht, dann ist das der Rückfall in die Barbarei.