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26.01.02 Wie der Deutsche zum Europäer wird

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Januar 2002


Gedanken zur Zeit:
Euro-Spott …
Wie der Deutsche zum Europäer wird
von Wilfried Böhm

Wer den Euro hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das sollte sich die Mehrheit der Deutschen hinter die Ohren schreiben, die bekanntlich bis zum bitteren Ende ihrer Deutschen Mark den Euro nicht gewollt hat. Dieser Spott wurde ihr jedenfalls von zwei Soziologen der Universität Duisburg zuteil. In der Tageszeitung „Die Welt“ verkündeten Professor Strasser und Assistent Nollmann am 19. Januar 2002 ihre Freude über das Ende der Deutschen Mark. Sie meinten, der Sinn der Einführung des Euros liege nicht in der Währungs- und Geldpolitik, sondern vielmehr in der durch den Euro herbeigeführten „Präsenz Europas im öffentlichen Bewußtsein“ und in der „Ausweitung der europäischen Staatsbürgerschaft“. Darum erweise sich der Euro vielleicht als das „Trojanische Pferd“, mit dem „das nationale Bewußtsein des Staatsbürgers überlistet wird“. Die beiden Euromanen triumphieren: „Der Bürger wird über Nacht vom Deutschen zum Europäer, ohne daß es ihm vorher mitgeteilt wurde.“ Voll glücklicher Begeisterung schließen die beiden Soziologen auf englisch mit einem kräftigen „Good morning, Euro!“

Folgt man diesen „Euro-tikkern“, dann ist die Euro-Einführung eine ideologisch bedingte, bewußtseinsbildende Maßnahme, mit der aus Deutschen, Franzosen, Italienern und anderen neue „Europäer“ gemacht werden sollen. Daß Ideologen sich einen „neuen Menschen“ schaffen wollen, wenn die vorhandenen nicht in ihre Ideologie passen, haben wir aus unserer jüngsten Vergangenheit in fataler Erinnerung. „Das Sein ändert das Bewußtsein“ - diese Masche kennen wir, seit die gelernten Marxisten den Bürgern das „sozialistische Bewußtsein“ beibringen wollten, mit dem sie glaubten, ihren Kommunismus aufbauen zu können.

Die mit dem Euro tanzen, sind allerdings mit dem realen Kapital besser vertraut, es ist gewissermaßen ihr Lebenselixier. Um das Bewußtsein der Menschen ihren Zielen gefügig zu machen, setzen sie darum lieber auf die prägende Kraft des Geldes als auf die drögen ideologischen Rezepte des „Kapitals“ von Marx. Darum wissen denn die beiden Duisburger Soziologen auch ganz genau, daß der Einführung des Euro „grundlegende gesellschaftliche und letztlich auch politische Veränderungen folgen werden“. Im übrigen werde der Euro „die öffentliche Aufmerksamkeit schrittweise nach Brüssel, der Hauptstadt Europas, umlenken“. Das alles wurde, wie sich beide Euromane diebisch freuen, in Szene gesetzt, „ohne daß es den Deutschen vorher mitgeteilt wurde“.

Dem vielbeschworenen „mündigen Bürger“ - Inbegriff der demokratischen Bürgergesellschaft - bleibt angesichts der Dreistigkeit, mit der er nach dem Verlust seiner D-Mark verspottet wird, nur zu resignieren, wie einst der letzte Sachsenkönig: „Ihr seid mir scheene Demokraten.“ Aber mit Demokratie haben die Entscheidungen der Brüsseler EU-Bürokratie ohnehin nichts und das zahnlose EU-Parlament nur sehr wenig zu tun. „Die europäischen Defizite sind ihrem Wesen nach demokratischer Natur“, stellte unlängst der italienische Verteidigungsminister Antonio Martino fest.

So hat der deutsche Bürger ja auch erst jetzt aus dem Munde des Ex-Bundeskanzlers Helmut Kohl erfahren, daß dieser von 1996 bis 1998 nur deshalb Kanzler geblieben ist, weil sonst wegen der fehlenden Mehrheit vom Volk „der Euro nie gekommen wäre“. 1989, so geht aus den Akten des Bundeskanzleramtes hervor, hat Kohl die Währungsunion in Zusammenhang mit der Wiedervereinigung gestellt, gewissermaßen als deren Preis. Wenn Frankreich tatsächlich diesen Preis für die deutsche Einheit verlangt hat, hat es, wie Joachim Barnewitz in der „FAZ“ am 17. Januar 2002 schrieb, nicht nur als Gründungsmitglied der Vereinten Nationen deren Satzung verletzt, die den Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker vorsieht, sondern auch seine Pflichten Deutschland gegenüber, weil es als Besatzungsmacht 1949 das Grundgesetz genehmigt hat, in dem die Wiedervereinigung programmiert und in ihren möglichen Formen konkret geregelt war, ganz zu schweigen von den Pflichten, die sich Mitglieder der Europäischen Union untereinander schulden. Aber: Was eigentlich hätte Mitterrand angesichts der sowjetisch-amerikanischen Übereinstimmung bei der Frage der Wiedervereinigung eigentlich dagegen unternehmen sollen - und können?

Fest steht: Die Aufgabe der D-Mark als wirkungsvolles wirtschaftliches und identitätstiftendes Symbol Deutschlands erfolgte trotz Aufrechterhaltung der grundlegenden nationalstaatlichen Strukturen in Europa. Für Frankreich und Großbritannien stützen sich diese Strukturen auf deren ständige Mitgliedschaft im Weltsicherheitsrat und ihren Status als nationale Atommächte sowie die Vormacht der englischen - und mit Abstand der französischen - Sprache in den europäischen Institutionen. Sprache aber ist als Denk- und Kommunikationsmittel von entscheidend kulturprägender Kraft. Deutschland hingegen fällt weiterhin unter die „obsolete“ (?) Feindstaatenklausel der Vereinten Nationen, und die größte Sprache Europas, das Deutsche, wird im organisierten Europa mehr als stiefmütterlich behandelt, ohne daß sich viele Deutsche dagegen auflehnen, sondern ihrer DM am liebsten noch die Sprache hinterherwerfen: „Good morning, Euro!“

Darum werden die Deutschen auch weiterhin, wie die Euro-begeisterten Soziologen aus Duisburg zustimmend beschreiben, für „Europa“ über den Tisch gezogen. Aus der Tasche gezogen werden den Deutschen ohnehin seit Jahren die weitaus höchsten Netto-Zahlungen für die Europäische Union, bisher in D-Mark und künftig in Euro. Die jeweilige Wirtschaftslage Deutschlands spielt dabei keine Rolle. Ob Wachstum, ob Rezession, abkassiert wird immer, auch wenn Deutschland mit dem derzeit geringsten Wachstum die Mitgliedsstaaten mit dem höchsten Wachstum der „Gemeinschaft“ finanziert. Eine Änderung dieses Finanzierungsschlüssels wäre das mindeste Äquivalent für die Opferung der D-Mark gewesen.

Alle anderen „Europäer“ hingegen bewahren mit Eifer und wohlüberlegt ihre nationalstaatlichen Interessen und lehnen deren Vergemeinschaftung strikt ab. Nur diese aber könnte zur wirklichen Integration Europas führen. Die aber ist eher in weitere Ferne gerückt, weil die Deutschen ihr Faustpfand D-Mark für eine vage Zukunftshoffnung aus der Hand geben mußten - und zwar, was die Bürgerinnen und Bürger betrifft -, „ohne daß es ihnen vorher mitgeteilt wurde“.