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26.01.02 Einfluß der USA auf die Geschehnisse 1989/90

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Januar 2002


Einfluß der USA auf die Geschehnisse 1989/90
Die Wiedervereinigung Deutschlands unter dem Aspekt der deutschen, amerikanischen und sowjetischen Geschichte

Zu einem Zeitpunkt, in dem sich wieder ein undifferenzierter Anti-Amerikanismus bemerkbar macht, ist es besonders angebracht, an die entscheidende positive Rolle zu erinnern, die der amerikanische Präsident George Bush bei dem Zustandekommen der deutschen Einheit gespielt hat und die in einem faszinierenden Buch detailliert beschrieben worden ist. Gemeint ist der Vater des jetzigen Präsidenten, der zu der Zeit, als sich der Prozeß des Endes des Kalten Krieges und damit die Chance der möglichen Realisierung der deutschen Wiedervereinigung anzudeuten begann, selbst Präsident der USA war. Zuvor war er acht Jahre lang Vizepräsident von Ronald Reagan gewesen, der durch seine feste Politik die Sowjetunion in den wirtschaftlichen Ruin trieb, was Gorbatschow schließlich dazu zwang, das kommunistische Imperium zu liquidieren.

Den wesentlichen Anteil des amerikanischen Präsidenten George Bush senior am Zustandekommen der deutschen Einheit haben zwei Autoren beschrieben, die diesen historischen Zeitabschnitt als Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats des Präsidenten in dessen unmittelbarer Nähe erlebten, nämlich Condoleezza Rice und Philip Zelikow. Condoleezza Rice, die inzwischen bei dem jetzigen Präsidenten Bush junior zur Nationalen Sicherheitsberaterin avanciert ist, hatte sich von der Stanford University, wo sie eine Professur innehatte, für die Tätigkeit in Washington beurlauben lassen, Philip Zelikow war als Berufsdiplomat ins Weiße Haus versetzt worden. Beide Autoren waren selbst maßgeblich an dem beteiligt, was als Sternstunde der Diplomatie ein wesentlicher Teil der Zeitgeschichte geworden ist. So lautet auch der Titel des Buches folgerichtig „Sternstunde der Diplomatie - die deutsche Einheit und das Ende der Spaltung Europas“.

Das Buch ist deshalb so wichtig, weil die Autoren Zugang zu allen Geheimarchiven hatten, nicht nur zu den amerikanischen. Im Vorwort heißt es dazu: „Keines der vielen Bücher, die bisher über die Vereinigung Deutschlands veröffentlicht wurden, hat zum Beispiel versucht, die deutsche und die amerikanische und die sowjetische Geschichte zu erzählen und dann zu untersuchen, in welcher Weise sie aufeinander eingewirkt haben. Dies ist die Aufgabe, die wir uns gestellt haben. Um ihr gerecht zu werden, haben wir nicht nur in amerikanischen Archiven recherchiert, sondern auch alle verfügbaren deutschen und russischen Materialien zu Rate gezogen. Wir erhielten Zugang zu Dokumenten aus ostdeutschen Staatsarchiven und zu bedeutenden sowjetischen Akten, darunter Papiere aus Politbürositzungen und für Außenminister Schewardnadse ausgearbeitete Richtlinien.“

Der Ablauf der wirklich historisch zu nennenden Ereignisse der Jahre 1989/90, in denen sich die deutsche Einheit und der ohne Übertreibung revolutionär zu nennende Umbruch in Mittel- und Osteuropa vollzogen hat, ist bisher nirgendwo so detailliert und umfassend dargestellt worden wie in diesem Buch, weil Rice und Zelikow in der Bush-Regierung an einer der Schaltstellen des damaligen Geschehens saßen.

Daraus gewinnt eine Zwischenüberschrift wie „Bush zieht Kohl auf seine Seite“ auch ihre authentische Bedeutung. Das trifft auch auf Sätze wie diese zu: „Im Frühjahr 1989 deutete nichts darauf hin, daß die Frage der deutschen Vereinigung auf die internationale Tagesordnung zurückkehren würde. Nicht einmal die Deutschen selbst strebten danach.“ So beginnt das Kapitel „Das Ende der Ostpolitik und der Fall der Berliner Mauer“. Darin findet sich auch die folgende Schilderung: „Ein weiteres Argument gegen die Vereinigung stammte von Willy Brandt. Dieser hatte Gorbatschow zufolge erklärt, daß das Verschwinden der DDR eine eklatante Niederlage der Sozialdemokratie wäre, denn diese sehe in der DDR eine gewaltige Errungenschaft des Sozialismus. Wenn er (Brandt) sich auch von den Kommunisten abgrenze, so betrachte er die Sozialdemokratie doch als Zweig der Arbeiterbewegung und halte an der sozialistischen Idee fest. Egon Bahr habe dies offen im Klartext ausgesprochen.“ Es finden sich im übrigen in dem Buch eine Reihe sehr kritischer Bemerkungen zu Genscher. Und es wird die entscheidende Rolle von Bush deutlich, Margret Thatchers Widerstand gegen die Deutsche Einheit zu überwinden.

„Sternstunde der Diplomatie“ ist nicht nur ein politisch besonders spannendes Buch, seine Lektüre ist unerläßlich, um den amerikanischen Anteil an der Vollendung der deutschen Einheit zur Kenntnis zu nehmen - und zu würdigen. Das aber ist zwingend geboten in einer Zeit, in der es überfällig ist, die selbstverständliche Verbundenheit mit Amerika zu unterstreichen, der einzigen verbliebenen wirklichen Weltmacht, der die Deutschen die jahrzehntelange Bewahrung der Freiheit verdanken. G. Löwenthal

Philip Zelikow / Condoleezza Rice: Sternstunde der Diplomatie, Ullstein, München 1999, Taschenbuch, 632 Seiten. Preis: 14,95 Euro

George Bush senior und Helmut Kohl: Welche Rolle spielte der damalige US-Präsident bei der deutschen Wiedervereinigung? Foto: dpa

Vom Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit zum Terror

Hermann Weber und Ulrich Mählert gaben eine Sammlung wissenschaftlicher Aufsätze zum Thema »Stalinistische Parteisäuberungen« heraus

Wo Kommunisten der Stalinschen Ära die Macht ergriffen, fielen ihrer Diktatur mehr eigene Anhänger zum Opfer als politische Gegner. Die große „Säuberung“ der 30er Jahre kostete viele Mitglieder der bolschewistischen Partei das Leben. Nach 1945 erfaßte der inquisitorische Apparat verschiedener „Kontrollkommissionen“ auch die SED und andere Ostblockparteien. Hermann Weber und Ulrich Mählert haben eine Sammlung wissenschaftlicher Aufsätze über „Stalinistische Parteisäuberungen 1936-1953“ herausgegeben. Soeben erschien eine erweiterte Sonderausgabe der 1. Auflage des Buches von 1998. Alle Beiträge gehen auf ein Mannheimer Forschungsprojekt des Jahres 1994 zurück.

Die Autoren, russische, deutsche, tschechische und slowakische Zeithistoriker, widmen sich den Verfolgungen, die innerhalb der Kommunistischen Partei des jeweils eigenen Landes stattfanden. Sie nutzten bisher ungeöffnete Archive in Osteuropa und Rußland, das allerdings etliche Materialien weiterhin der Öffentlichkeit vorenthält. Jede Studie ist quellengesättigt, fundiert und detailreich; umfangreiche Dokumenten-Anhänge ermöglichen es, auch vertiefte Kenntnisse zu gewinnen.

„Parteisäuberungen“ organisierte bereits Lenin; während der späten 30er Jahre forcierte Stalin einen Massenterror, der Millionen Menschen um Leben oder Freiheit brachte. Lenins altrevolutionäre Mitstreiter, vor allem die Anhänger Trotzkis und Sinowjews, sowie alle potentiellen Regimekritiker, denen die Geheimpolizei ebenso absurde wie fingierte „Geständnisse“ abpreßte, ließ Stalin beseitigen. Der sowjetische Diktator wollte eine amorphe, willenlose und absolut gehorsame Masse von Untertanen schaffen.

Nach 1945 geriet auch die SED in die Fänge stalinistischer Säuberungen. Zwar gab es in der sowjetischen Besatzungszone keine Massenmorde, aber willkürliche Verhaftungen, Schauprozesse, Gefängnisstrafen und Parteiausschlüsse. Auch hing das Maß an Stalinisierung, welches die SED formte, von den Zielen sowjetischer Deutschlandpolitik ab. Solange der Kreml glaubte, ein neutrales und vereintes Gesamt deutschland installieren zu können, blieb die Unterdrückung seitens kommunistischer Kader innerhalb gewisser Grenzen. Seit 1948 gewann die deutsche Teilung immer stärkere Kontur, und die SED wandelte sich zur „Partei des neuen Typus“. Sozialdemokraten und sogenannte Titoisten wurden entmachtet, jede Opposition unterdrückt, stalinistische Führungsstrukturen etabliert. Ähnlich verlief die Gleichschaltung anderer kommunistischer Ostblockparteien.

Fundamental neue Erkenntnisse vermitteln die Autoren zwar nicht; sie malen eher ein kompaktes Gesamtbild. Den Stalinismus zu historisieren, wie die Herausgeber beanspruchen, gelingt indes nur ansatzweise. Beiläufig hingeworfene Stichwörter wie „Byzantinismus“ ersetzen keine Analyse. Der Kommunismus, in Rußland von spezifischen Traditionen geprägt, ähnelte vielfach dem Mittelalter; er enthielt alle Ingredienzien dieser Epoche: eine säkulare Heilslehre und einen Pseudovatikan in Mos-kau beispielsweise. 1942 nannten Repräsentanten der russisch-orthodoxen Kirche Stalin „den gesalbten Führer der Revolution“.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Rahmenanalyse, in die Hermann Weber seinen Band stellt. Er versteht ihn als Antwort auf das „Schwarzbuch des Kommunismus“, dem Weber „Einseitigkeit“ vorwirft. Das „Schwarzbuch“ berücksichtige leider viel zu wenig die Unterschiedlichkeit der einzelnen kommunistischen Regime. Die These, daß der Kommunismus wegen seiner Ideologie kriminell sei, hält Weber für „eindimensional“. Primär sei der Terror nicht ideologisch bedingt, sondern dem Machtwillen „einer revolutionären Avantgarde“ entsprungen. Ursprünglich hätten die Kommunisten nur „soziale Gerechtigkeit“ herstellen wollen. Zudem existierten auch grundlegende Differenzen zwischen Lenin und Stalin; es gebe keinen zwangsläufigen Weg vom einen zum anderen.

Selbst wenn im „Schwarzbuch“ manches holzschnittartig erscheint, unterlaufen Weber nicht minder Fehlurteile. Gewalt und Terror unter Lenin seien „nicht nur Folgen der Leninschen radikalen Ideologie, sondern mehr noch die Resultate von Krieg und Bürgerkrieg“. Hätte Weber statt „mehr“ „auch“ geschrieben, könnte man ihm notfalls beipflichten. So aber entsteht der Eindruck, daß Terror und Diktatur jene verursacht hätten, die sich Lenin nicht freiwillig beugten, wie etwa die Kronstädter Matrosen.

Lenin ordnete 1921 an, die bolschewistische Partei von „Abweichlern“ zu „säubern“. Kausalitäten mit dem Bürgerkrieg bestanden dabei nicht, wohl aber zu späteren stalinistischen Verfolgungen, die man ebensowenig äußeren Faktoren zuschreiben darf. Nicht zwangsläufig, sondern logisch sind die beiden Protagonisten des Bolschewismus miteinander verknüpft.

Außerdem trägt die kommunistische Ideenwelt sehr wohl große Mitverantwortung an Diktatur und Terror. Schon Marx postulierte, daß „Dirigenten“ die kommunistische Gesellschaft zu leiten hätten. Zwang und Gewalt lassen sich auf dieser Basis mühelos rechtfertigen. Daß alle kommunistischen Herrschaftssysteme jegliche Demokratie gnadenlos bekämpften, hat weit tiefere Ursachen als nur den Machtwillen einer obskuren „Avantgarde“.

Selbstverständlich mindert diese Kritik nicht den Wert der durchweg guten Aufsätze des hier besprochenen Buches. Dennoch ruft es Befremden hervor, daß ein verdienstvoller Wissenschaftler Leninismus und kommunistische Ideologie tendenziell verharmlost. Rolf Helfert

Hermann Weber und Ulrich Mählert (Hrsg.): Terror - Stalinistische Parteisäuberungen 1936-1953, erweiterte Sonderausgabe, Paderborn, München, Wien, Zürich bei Schöningh, 2001, 636 Seiten, Preis: 25,40 Euro Foto: Verlag