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02.03.02 Deutsch-tschechisches Verhältnis: Die Stunde der Wahrheit / Wilhelm v. Gottberg zu den jüngsten Ausfällen Prager Politiker

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 02. März 2002


Deutsch-tschechisches Verhältnis:
Die Stunde der Wahrheit
Wilhelm v. Gottberg zu den jüngsten Ausfällen Prager Politiker

Es geht um die Benesch-Dekrete. Ist der breiten Öffentlichkeit in Deutschland noch bewußt, was sich dahinter verbirgt? Diese Dekrete stellen den Völkermord der tschechischen Menschen und Behörden an den Sudetendeutschen straffrei. Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Enteignung und Vertreibung - unverjährbare Verbrechen - werden aufgrund der immer noch Rechtskraft besitzenden Dekrete nicht aufgearbeitet. Auch in Polen gibt es noch rechtsgültige Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete.

Es ist unglaublich, doch es ist Realität. Der tschechische Ministerpräsident empfiehlt in einem Zeitungsinterview Israel, sich der Palästi nenser durch Vertreibung analog der Vertreibung der Sudetendeutschen zu entledigen. Die diesem Rat zugrunde liegende Geisteshaltung ist totalitär und antidemokratisch. Damit gibt Zeman zu erkennen, daß er in der Tradition der Denkschule tschechischer Stalinisten aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts steht. Das eigentliche Problem ist aber, daß eine Mehrheit des tschechischen Volkes den Zeman-Ratschlag nicht verabscheuungswürdig findet. Nur so ist es zu erklären, daß Ex-Ministerpräsident Klaus, heute Präsident des freigewählten tschechischen Parlaments, die Forderung erhebt, die Benesch-Dekrete müßten als Teil der tschechischen Rechtsordnung im EU-Vertrag verankert werden. Dies ist Kalkül. Klaus sieht seine Politikerkarriere noch nicht am Ende und meint, sich mit dem Thema bei seinen Wählern profilieren zu können.

Der Skandal zeigt auch, daß die bundesdeutsche Tschechien-Politik auf ganzer Linie gescheitert ist. Sowohl die vormalige Regierung Kohl/Kinkel wie auch die heutige rot-grüne Regierung Schröder/Fischer haben zum verkrusteten Denken der Prager politischen Klasse beigetragen, da sie die Aufarbeitung und Wiedergutmachung des tschechischen Völkermordes an den Sudetendeutschen niemals nachdrücklich gefordert haben. Im Gegenteil. Unter-den-Teppich-Kehren, Abwiegeln, Schönreden und Diffamierung derjenigen, die auf die ungelösten Probleme hinwiesen, das war und ist bundesdeutsche Politik im nachbarschaftlichen Dialog mit Tschechien. Ein Beispiel für die in Deutschland zum System erhobene Verlogenheit ist die „Schlußstricherklärung“ der Kohl-Regierung von 1997 zum Verhältnis Deutschland-Tschechien, an der die grünen damaligen Oppositionspolitiker Joschka Fischer und Antje Vollmer maßgeblich mitwirkten. Dieser Erklärung war die Funktion einer Grabplatte für die ungelösten Probleme im deutsch-tschechischen Verhältnis zugedacht. Eine feige Politik - das wußte schon Bismarck - hat noch immer Unglück gebracht.

Die Aufhebung aller Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete in Tschechien und Polen vor dem Beitritt dieser Staaten zur EU ist eine zentrale Forderung der Landsmannschaft Ostpreußen. Die EU ist eine Werte- und Rechtsgemeinschaft. Es kann nicht sein, daß diese Wertegemeinschaft es zuläßt, daß die angesprochenen Dekrete nach der Osterweiterung noch weiterhin innertschechisches und innerpolnisches Recht bleiben. Bedauerlicherweise sind sie es bis heute.