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09.03.02 Vor 50 Jahren: Helgoland - ein Sinnbild

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 09. März 2002


Vor 50 Jahren: Helgoland - ein Sinnbild
Auch Ostpreußen waren auf Helgoland - »Wir stehen hier für alle Vertriebenen«
von Ruth Geede

Am 1. März flaggte Helgoland über die Toppen: Die einzige deutsche Hochseeinsel wurde vor 50 Jahren von den englischen Besatzern zum Wiederaufbau freigegeben. Und das wurde jetzt gefeiert. „Wie ein Phoenix aus der Asche“ sei Helgoland emporgestiegen - so der Tenor der Festreden. Wenn es wenigstens Asche gewesen wäre, die damals die ersten Heimkehrer fanden, sie hätte die Spatenstiche erleichtert. Aber Helgoland war ein einziger Trümmerhaufen aus Felsbrocken und Kratern, eine bis ins Mark zerstörte Insel ohne Leben. Daß sie überhaupt als solche noch existierte, war einer Handvoll Männer und einer Frau zu verdanken, die Ende Dezember 1950 in einer Nacht- und-Nebel-Aktion auf Helgoland gelandet waren und dort die deutsche und die Europa-Fahne hißten. Darunter drei junge Ostpreußen, die damit das Recht auf Heimat dokumentieren sollten, das in jenem Jahr in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen manifestiert worden war.

Denn auch die Helgoländer waren Vertriebene. Im April des Jahres 1945 wurde die Bevölkerung nach den schweren Bombenangriffen der Briten evakuiert, die 2.500 Insulaner auf 150 Orte auf dem Festland verteilt. Sie hofften nach Kriegsschluß auf eine Heimkehr, aber vergebens. Die Briten benutzten weiterhin Helgoland als Übungsziel und zerstörten damit alles Leben, schlossen sogar mit dem „Big Bang“, der Zündung von 6.700 Tonnen Munition im April 1947, die vollkommene Vernichtung der Hochseeinsel mit ein.

Doch der „Rote Fels“ hielt stand, wenn auch als Torso. Die Helgoländer schöpften daraus Mut und intervenierten weiter. Aber die Briten blieben stur. Ja, sie verweigerten sogar den Vertriebenen, die Unmengen von Schrott von ihrer Insel zu holen, um mit dem Erlös einen Grundstock für den ersehnten Wiederaufbau zu bilden. Deutsche Seeleute durften ihn zwar von der Insel holen, aber nur als Besatzung auf dem Schiff, das den Schrott nach Wilhelmshaven brachte - für die Briten!

Hatte schon die mißglückte Sprengung eine Flut von Protesten ausgelöst, so brachte diese letzte Aktion das Faß zum Überlaufen. Die Wut stieg nicht nur unter den Helgoländern, auch viele andere, vor allem junge, Deutsche schlossen sich den Protesten an. Schließlich hatte selbst für diejenigen, die nie die Insel gesehen hatten, Helgoland eine besondere Bedeutung: Hier hatte 1841 Hoffmann von Fallersleben das „Lied der Deutschen“ geschrieben, dessen letzte Strophe wieder zur Nationalhymne wurde.

Gerade die Heimatvertriebenen aus den deutschen Ostgebieten berührte das Schicksal der Helgoländer, vor deren Augen die Heimat - nur 70 Kilometer vom Festland gelegen - so greifbar nahe war, wartend auf Heimkehr und Wiederaufbau. Auch in der Baracke an der Hamburger Wallstraße, in der sich damals die Geschäftsstelle der Landsmann- schaft Ostpreußen befand, wurde Helgoland zum aktuellen Thema. Vor allem beschäftigte sich der damalige Geschäftsführer Werner Guillaume mit der Frage der Rückkehr der vertriebenen Helgoländer auf ihre Insel. Der Lötzener war am 1. April 1949 mit dem Aufbau einer arbeitsfähigen Geschäftsstelle beauftragt worden, für die er die von ihm und seiner Familie bewohnte Ein-Zimmer-Behausung zur Verfügung stellte, in der dann bis zu acht Mitarbeiter wirkten. Dieser unerträgliche Zustand führte schließlich zur Anmietung der Baracke, in der alle Abteilungen, auch die Redaktion des am 5. April 1950 erstmalig erschienenen Organs der Landsmannschaft, Das Ostpreußenblatt, untergebracht waren.

Und auf dieses greifen wir nun zurück und entnehmen das, was damals geschah, dem Aufmacher der Folge 1 des Jahrgangs 1951, „Helgoland - ein Sinnbild“, das die Untertitel noch verdeutlichten: „Auch Ostpreußen waren auf Helgoland - ,Wir stehen hier für alle Ostvertriebenen‘“.

Kurz vor Weihnachten landeten zwei Heidelberger Studenten, Georg von Hatzfeld und Rene Leudesdorff, auf Helgoland. Sie wollten durch ihre Anwesenheit vor allem gegen die weitere Bombardierung der Insel protestieren. Die Häuser sind im Laufe der Nachkriegsjahre durch die Bombardierungen zu Ruinen geworden, die ganze Insel ist ein einziges Krater- und Trümmerfeld, nur der hohe elfgeschossige Flakturm steht noch. In dem untersten Stockwerk dieses Bunkers richteten sich die beiden ein. Sie froren und hungerten.

Bald stieß zu ihnen eine Reihe anderer Männer, so zwei Fischer aus Helgoland. Dann landete auf der Insel auch Hubertus Prinz zu Löwenstein. Er, der langjährige Gastprofessor der Carnegie-Stiftungen in den USA, war aus seinem Wohnsitz Amorbach im Odenwald zu den „Helgoland-Besetzern“ gestoßen, um, wie er sagte, an das englische Volk zu appellieren. Dann folgte aus eigener Initiative eine Gruppe junger Menschen, darunter auch drei Ostpreußen, nämlich Werner Guillaume, Claus Katschinski, ein ostpreußischer Student von der Vereinigung heimatvertriebener deutscher Studenten, und Lilli Roewer. In der letzten Stunde des Jahres war so die Besatzung von Helgoland auf 14 Mann und eine Frau gestiegen.

Eine Stunde vor Anbruch des neuen Jahres führten die Bewohner des Helgoländer Flakturmes die Ostpreußen durch die dunkle Trümmerwüste der Insel. Und um Mitternacht stiegen die Flammen eines Holzstoßes von der Plattform des hohen Turmes auf, als Symbol dafür, daß man waffenlos für die Freiheit der Insel kämpft, damit sie ihren früheren Bewohnern zur friedlichen Besiedelung freigegeben werde. Sie alle - Helgoländer, Ostpreußen, Studenten aus dem Westen, auch ein amerikanischer Student - , sie saßen im Schein der Kerzen in der Nacht zum neuen Jahr in den düsteren Gelassen des Flakbunkers und sprachen davon, was sie bewegte und was sie sich vor allem wünschten: „Daß die Heimat allen Vertriebenen wiedergegeben werde.“

Den Helgoländern wurde sie wiedergegeben: Wenige Wochen nach dieser im wahrsten Sinne des Wortes Nacht-und-Nebel-Aktion, die ein weltweites Echo hervorrief, fand in Kiel eine Konferenz statt, nach der die Briten die Freigabe erklärten, die dann am 1. März 1952 erfolgte. Was jetzt, 50 Jahre später, gebührend gefeiert wurde. Auf einer Bilderbuchinsel, die nach einem beispiellosen Aufbau heute wieder ein beliebtes Touristenziel darstellt, 556.000 Gäste waren es im vergangenen Jahr. Trotzdem hat man auf dem roten Felsen Sorgen, denn die „lange Anna“, das Wahrzeichen Helgolands, die allen Bombar-dierungen standgehalten hat, bröckelt und scheint kaum mehr zu retten. Was aber den Helgoländern am meisten Sorgen macht, ist der Einwohnerschwund. Kehrten nach der Rückgabe fast alle 2.500 Helgoländer auf ihr „Hillig Lun“ - ihr „Heiliges Land“ - zurück, so zählt die Insel heute nur noch 1.500 Bewohner. Jährlich gehen 30 Insulaner auf das Festland, vor allem die Jüngeren, weil es an Entwicklungsmöglichkeiten mangelt. Die schulischen Verhältnisse sind alles andere als befriedigend, es gibt Schwierigkeiten, geeignete Lehrer zu bekommen - nicht jeder ist für ein Inselleben mitten in der Nordsee geeignet - , das Ab-itur kann nur auf dem Festland gemacht werden, was hohe Kosten für die Eltern bedeutet. Die einzige Schule muß von Grund auf saniert werden. Dafür hat das Bundesland Schleswig-Holstein, zu dem Helgoland gehört, jetzt als Festgabe 145.000 Euro bereitgestellt. Die Schule ist übrigens nach dem bekannten Kinderbuchautor James Krüß benannt - er war während der Evakuierung derjenige gewesen, der mit dem Mitteilungsblatt „Der Helgoländer“ die verstreuten Insulaner zusammenhielt und ihnen die Hoffnung auf Heimkehr und Wieder- aufbau gab.

Aber was sind die heutigen Sorgen gegen die damaligen, die von der jüngeren Generation kaum noch verstanden und schon gar nicht ermessen werden. Es ist eine „Erfolgsstory“, wie eine Hamburger Tageszeitung ihren Rück-blick auf Rückgabe und Wie- deraufbau titelte. Aber es war gut, daß während der Feier auch diejenigen zu Worte kamen, die damals anpackten und unter ungeheueren Schwierigkeiten mit dem Aufbau begannen. Wie der Leuchtturmwärter, der das stärkste Leuchtfeuer Europas wieder zum Brennen brachte. Heute gibt es keinen Leuchtturmwärter mehr, die moderne Technik hat seinen Platz eingenommen. Auch das ist ein Symbol dafür, wie sich das Leben auf dem Buntsandsteinfelsen gewandelt hat.

Trotzdem: Die damalige Überschrift des Berichtes im Ostpreußenblatt hat noch heute - oder gerade heute - Gültigkeit. „Helgoland - ein Sinnbild“, das kann es für viele Vertriebenen sein. Aber leider eben nur ein Sinnbild.

 

Helgoland: Deutschlands einzige Hochseeinsel ist mit ihrer einzigartigen geologischen Gestalt für Fotografien, Briefmarken und Sonderstempel zur 50-Jahrfeier gleichermaßen ein höchst dankbares Motiv.

Helgoland und das Lied der Deutschen …

Auf die Hochseeinsel hatte sich im Sommer 1841 der Breslauer Professor Heinrich Hoffmann von Fallersleben (Foto unten) zu einer Badereise begeben. Hier begegnete der Dichter einer Gruppe gleichgesinnter Hannoveraner. Nach dem munteren Leben, lauten Feiern und angeregtem Gedankenaustausch mit ihnen und ihrer Abreise blieb er alleine zurück. In sein Tagebuch schrieb er: „Den ersten Augenblick schien mir Helgoland wie ausgestorben, ich fühlte mich sehr verwaist. Und doch tat mir bald die Einsamkeit recht wohl, ich freute mich, daß ich nach den unruhigen Tagen wieder einmal auch mir gehören durfte. Wenn ich dann so wandelte, einsam auf der Klippe, nichts als Meer und Himmel um mich sah, da wurde mir so eigen zumute, ich mußte dichten, und wenn ich es auch nicht gewollt hätte. So entstand am 26. August das Lied: ,Deutschland, Deutschland über alles.‘ … Am 29. August spaziere ich mit Campe am Strande. ,Ich habe ein Lied gemacht, das kostet aber 4 Louisdor.‘ Wir gehen in das Erholungszimmer. Ich lese ihm: ,Deutschland, Deutschland über alles‘, und noch ehe ich damit zu Ende bin, legt er mir die 4 Louisdor auf meine Brieftasche.“